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Bonn und seine Heiligen: Helena.

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Sarkophag Helenas,
Bildnachweis: Wiki-User
Jean-Pol GRANDMONT

Die heilige Helena, die Mutter Kaiser Konstantins des Großen, steht in engem Bezug zu Bonn und zur Bonner Geschichte. Geburtsjahr und Herkunft von Flavia Iulia Helena Augusta, wie ihr vollständiger Name lautet, sind bis heute umstritten. Viele Städte wurden bereits als Geburtsort diskutiert – sogar für Bonn gab es gelegentlich Befürworter – doch nach überwiegender wissenschaftlicher Meinung gilt eine Geburt um das Jahr 250 in Drepanon (Provinz Bithynien in der heutigen Türkei) als am Wahrscheinlichsten. Durch Quellen belegt ist jedoch ihre Abstammung aus einfachen Verhältnissen sowie ihre Tätigkeit als „stabularia“, also Gastwirtin. Aus ihrer (vermutlich nichtehelichen) Beziehung zu Constantius Chlorus ging zwischen 272 und 285 der gemeinsame Sohn Konstantin hervor, der 306 zum Kaiser erhoben wurde und nach seiner Bekehrung die Christianisierung seines Reiches vorantrieb. Infolgedessen stieg auch Helena zur Kaisern auf und erlangte besonderen Ruhm durch eine Vielzahl von Kirchengründungen. Zudem soll sie der Legende nach Teile des Kreuzes Christi gefunden haben, ebenso wie die Reliquien der heiligen Drei Könige. Im hohen Alter von 80 Jahren starb sie vermutlich um 328 an einem unbekannten Ort. Ihre Gebeine wurden kurz nach ihrem Tod nach Rom überführt und in einem Mausoleum an der Via Labicana bestattet.

Der Legende nach soll Helena Anfang des 4. Jahrhunderts in Bonn die Gebeine der Märtyrer Cassius und Florentius am Fuß des Kreuzbergs, der Stelle wo sie ermordet worden sein sollen, gefunden und am Ort der heutigen Münsterkirche bestattet haben. Über dem Grab ließ sie der Überlieferung nach eine Kirche erbauen: den Vorläuferbau des heutigen Münsters. Archäologische Beweise gibt es dafür allerdings nicht.

Statue der hl. Helena
von J. Geißelbrunn
Tatsächlich ist aber der Helena-Kult in Bonn jahrhundertealt. Vermutlich geht er auf Propst Gerhard von Are zurück – oder wurde von ihm aufgegriffen –, der um 1135 Helena-Reliquien für die Münsterkirche aus Trier beschaffte und in einem außerordentlich kunstvollen und wertvollen Schrein ausstellen ließ. Auch der Gründungsmythos, die Münsterkirche sei durch die heilige Helena errichtet worden, fällt genau in jene Zeit und ist wahrscheinlich durch Gerhard selbst forciert worden, denn die Rückführung der Kirche auf Kaiserin Helena hob das Ansehen des St. Cassiusstifts als ehrwürdige Kirche erheblich – und damit natürlich auch das Ansehen seines Propstes. So erklärt sich auch, dass die Geschichte der Kirchengründung in Konkurrenz zu Bonn gleichfalls auf die Stiftskirchen St. Viktor in Xanten und St. Gereon in Köln übertragen wurde, die nun auch von sich behaupteten, durch Helena gegründet worden zu sein.Jahrhunderte lang trug jedenfalls die Münsterkirche den Ehrentitel „uralt kaiserliche Kirch“.

Helenenkapelle von außen,
Bildnachweis: Wiki-User
Hawobo



Helenenkapelle von innen:
Foto: Hans Weingartz


Auch die Helenenkapelle, die sich eher versteckt in einem Gebäude romanischen Ursprungs unweit des Münsters befindet, kann baugeschichtlich mit Sicherheit in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts eingeordnet werden, also zu Lebzeiten Gerhards. Patrozinium und Bauzeit sprechen dafür, dass der Propst selbst Bauherr war und es sich hier um seine eigene Hauskapelle handelt. Der ursprüglich an der Westseite befindliche Zugang wurde vermauert, und heute gelangt man ins Innere dieser Kapelle über eine Treppe des Hauses Am Hof 32/34. Der etwa 3,5 x 3,5 Meter große Andachtsraum ist kreuzgratgewölbt und erhält sein Licht durch ein romanisches Doppelfenster an der Nordseite. Durch einen breiten Gurtbogen getrennt und mit einer Stufe erhöht, befindet sich an der Ostseite eine halbrunde Apsis. Hier steht ein gemauerter Blockaltar mit einem – jetzt leeren – Sepulcrum.



Vom Helenen-Schrein, der im Kölnischen Krieg (1583–1588) mitsamt den Reliquien geraubt wurde, wird in einem Reisebericht vom April 1537 berichtet. Dort werden vier große Tumben von fast Menschenlänge beschrieben, von denen der Kostbarsten die Gebeine der hl. Helena, die anderen die der hll. Cassius, Florentius und Mallusius bergen würde. In einem 1588 angefertigten Verzeichnis der Münsterkirche über die geraubten Kunstschätze wird der Reliquienschrein der Helena wie folgt beschrieben: „Die Tumba der h. Stifterin der Kirche St. Helena, welche von den vier vorhandenen die vorzüglichste war, ganz von Silber, vergoldet. Sie wurde im Jahre 1583 von Karl Truchseß mit den Reliquien zerstört und für die Soldaten verwendet. Sie war mit seltener, wunderbarer Kunst ausgearbeitet und mit kostbaren Steinen und Gemmen geschmückt. Ihr Wert über 10.000 Taler.“ Der Wert lässt sich ermessen, wenn im selben Verzeichnis der Kaufwert einer „vorzüglichen Canonical-Wohnung“ für den Kurfürsten mit 2.200 Talern taxiert wird. Der Rostocker Hofarzt Johannes Mellinger bekam in dieser Zeit ein Jahresgehalt von 220 Talern, was als sehr hoch galt.


Franz W. von Wartenberg,
zeitgenöss. Stich

Helenenglocke von
Martin Legros

Der kurkölnischer Premierminister und Propst des Bonner St. Cassiusstifts, Franz Wilhelm von Wartenberg, stiftete der Münsterkirche die noch heute im hinteren Teil der Kirche vorhandene lebensgroße Bronzefigur der Helena, die um 1630 vom bedeutenden Bildhauer Jeremias Geißelbrunn geschaffen wurde. Eine weitere kunstvolle Bronzefigur der Heiligen schuf 1755 Willem Rottermondt mit seinem Sohn für die Kreuzbergkirche.

1756 widmeten die Stiftsherren eine von Martin Legros neu gegossene, 1650 Kilogramm schwere Glocke im Münsterturm der hl. Helena. Zu sehen ist ihr Abbild außerdem auf dem Altar der Stadtpatrone, auf dem Rahm-Epitaph im nördlichen Seitenschiff sowie dem Urbanus-Altar, ebenso wie auf einem Messkelch aus dem 19. Jahrhundert, der jährlich beim Fest der
Stadtpatrone am 10. Oktober in der Liturgie verwendet wird.

Seit dem 12.5.2012 besitzt das Bonner Münster auch wieder eine Helena-Reliquie. Es handelt sich um ein Geschenk des Trierer Domkapitels. Die Bonner Reliquie wird nun in einem eigens dazu angefertigten goldenen Reliquiar im Altar der Stadtpatrone rechts neben dem Hauptportal aufbewahrt.

Bonn und seine Heilgen: Adelheid von Vilich.

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Adelheid auf einem Pilgerblatt
von 1718
Adelheid ist die früheste Bonner Persönlichkeit, die in die Geschichte eingegangen ist. Sie stammte aus einer adeligen Familie und war die Tochter von Megingoz, Graf von Geldern, und dessen Ehefrau Gerberga. Ihr Vater besaß große Güter bei Geldern am Niederrhein und in der Nähe von Bonn. Als Gegner der deutschen Herrschaft in Lotharingien ergriff er die Partei Heinrichs, kämpfte 941 auf dessen Seite beim zweiten Aufstand gegen König Otto I., musste fliehen und konnte sich so vor der Todesstrafe retten. Aus seiner Ehe mit der aus höchstem Hause stammenden Gerberga, Tochter des Pfalzgrafen Gottfried und Enkelin des westfränkischen Königs Karl III. (des Einfältigen), gingen fünf Kinder hervor. Der einzige Sohn Gottfried fiel 976/977 im Kampf gegen die Böhmen, seine Schwestern Irmintrud und Alverad heirateten standesgemäß während Bertrada als Ordensfrau Äbtissin des Kölner Stifts St. Maria im Kapitol wurde. Das jüngste Kind, Adelheid, wurde nach 965 und vor 970 auf Burg Geldern bei Pont geboren, wo sie auch ihre Kindheit verbrachte.

Modell der Burg Geldern, Geburtsort von Adelheid

Ihre umfassende Ausbildung erhielt sie im Kölner Kloster St. Ursula, in das sie bereits als junges Mädchen eingetreten war, jedoch ohne die Ordensgelübte abzulegen. Als ihr einziger Bruder Gottfried gefallen war, gründeten die Eltern ihm zum Angedenken 978 auf ihrem Grund und Boden in(Bonn-)Vilich ein Frauenkloster neben einer bereits seit dem 8. oder 9. Jahrhundert befindlichen kleinen Kirche, die wohl schon zuvor als Friedhofskapelle genutzt worden war. 987 wurde aus dem Kloster ein Reichsstift mit besonderen Privilegien. Da die ältere Bertrada bereits Äbtissin des Kölner Klosters Maria im Kapitol war, setzten die Eltern Adelheid als Leitung des Stifts ein, das sie später in ein Kloster umwandelte und deren erste Äbtissin sie wurde.

Kirche St. Peter in Vilich
Foto: Hans Weingartz
Während der Hungerjahren im Rheinland um das Jahr 1 000 erlangte Adelheid als Helferin der Armen hohes Ansehen. Der Überlieferung nach habe sie kniend um Regen gebetet und sich dabei auf ihren im Boden steckenden Äbtissinnen-Stab gestützt. Daraufhin sei eine Quelle hervorgesprudelt, die noch heute fließt. Auf dieses Ereignis geht der Name des Beueler Ortsteils Pützchen zurück, der sich vom lateinischen Wort „puteus“ (=Brunnen, Quelle) ableitet, das in seiner rheinischen Form zu „Pütz“ (=Pfütze) wurde und im Diminutiv eben zu Pützchen. Adelheidis verwandte die Einkünfte des Klosters und ihr eigenes Vermögen nahezu ausschließlich für wohltätige Zwecke und gründete neben einem Krankenhaus eine Schule, in der die Kinder der Armen unterrichtet und beköstigt wurden. Auf Wunsch des Kölner Erzbischofs Heribert, dessen Ratgeberin Adelheidis war, übernahm sie um 1002, nach dem Tod ihrer Schwester Bertrada, zusätzlich als Äbtissin die Leitung des Klosters
Reliquienbüste von Adelheid
Foto: Hans Weingartz
Maria im Kapitol. Dort starb sie vermutlich im Jahre 1015 nach einer schweren Erkrankung. Ihr Leichnam wurde per Schiff nach Vilich überführt und im Kloster beigesetzt, wo auch ihre Eltern begraben waren. Nachdem sich an ihrem Grab Wunder ereignet haben sollen, setzte bald ein reger Wallfahrtsbetrieb ein, der sich im Laufe der Jahrhunderte zum größten Jahrmarkt im Rheinland (seit 1367 erstmals als „Pützchens Markt“ erwähnt) entwickelte. Bereits 1222 ist in einer Schrift die Rede von der „heiligen Adelheid“, doch fiel erst 1897 auf, dass sie nicht im offiziellen Heiligenkatalog verzeichnet war. Nach jahrzehntelangem Bemühen um eine förmliche Kanonisation wurde sie am 27.1.1966 durch Papst Paul VI. heilig gesprochen. Am 9.8.2008 wurde sie – neben Cassius und Florentius – zur dritten Stadtpatronin von Bonn erhoben, was am 29.11.2008 durch den Kölner Weihbischof Heiner Koch feierlich verkündet wurde.

Tumba des Grabs von Adelheid,
Foto: Hans Weingartz

Bonn und seine Heiligen: Seliger Ritter Heinrich von Bonn.

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Ankunft des Kreuzfahrer-
heeres in Konstantinopel,
Jean Fouquet, 1460
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Die Geburt Heinrichs liegt, wie bei den meisten mittelalterlichen Biographien, im Dunkeln. Über seine Herkunft und Jugend schweigen die Quellen. Ins Licht tritt er erst im Zusammenhang mit dem zweiten, von Bernhard von Clairveaux gepredigten Kreuzzug, an dem er als Kreuzritter „Heinrich von Bonn“ im Mai des Jahres 1147 teilnahm. Ob er in Bonn bereits geboren wurde oder nur ortsansässig war, weiß man nicht. Die englischen, flämischen und deutschen Kreuzfahrer nahmen den Seeweg nach Portugal, landeten auf der Iberischen Halbinsel und eroberten das von Mauren besetzte Lissabon. Bei dieser Schlacht fiel Heinrich und wurde später in einem Grab auf dem deutschen Friedhof beerdigt, den der portugiesische König Alfonso Henriques I. nahe der Kirche Nossa Senhora dos Mártires für die Gefallenen gestiftet hatte.
Alfonso Henriques I.

Schon in den zeitgenössischen Berichten werden Wunder erwähnt, die sich hier an den Gräbern der Gefallenen (schon bald Märtyrer genannt) ereignet haben sollen. In einem 1188 abgefassten Bericht über das Kloster São Vicente wird ein Deutscher besonders gerühmt: Ritter Heinrich von Bonn, aus „einer Stadt vier Meilen hinter Köln“. Es heißt dort, eine Palme wüchse aus seinem Grab heraus und an seinem Grab seien zwei Taubstumme geheilt worden. Um die Glaubwürdigkeit des Berichts zu untermauern, werden zwei Augenzeugen genannt: Fernandus Petri und ein Kleriker namens Otha. Interessant dabei ist die Beschreibung der genauen geographischen Lage Bonns. Die Heilung der Taubstummen ist exakt geschildert: die Beiden hätten am Grab Heinrichs verweilt und dort eine Vision erlebt, in der ihnen Ritter Heinrich im Gewand eines Pilgers erschienen sei, in den Händen eine Palme tragend. Bald darauf hätten sie wieder sprechen können. Auch in einem englischen Bericht eines Kreuzzugteilnehmers wird die Heilung der Taubstummen am Grab Heinrichs erwähnt. Doch es gibt weitaus mehr Nachrichten über Heinrich, alleine fünf friesische Chroniken sprechen über den Ritter und die an seinem Grabe geschehenen Wunder. In der Chronik des Abts Emo vom Kloster Wittewierum in den Niederlanden findet sich der Brief eines Kreuzfahrers, der im Jahre 1217 aus Lissabon berichtet und die fünfzig Jahre zuvor stattgefundene Eroberung der Stadt detailliert schildert. In seinem Bericht wird Heinrich ein „princeps militiae Christianae“, also ein Anführer einer Heeresgruppe genannt. Zudem steht der Name „Henricus“ als Beiname zu „Poptetus Ulvinga“ - was bedeutet, dass sein deutscher Name „Heinrich Poppo Ulvinga“ gewesen wäre, wenn es sich tatsächlich um den selben Ritter Heinrich handelt und nicht eine Namensverwechslung vorliegt. In der Literatur ist durchaus umstritten, ob Henricus Poptetus Ulvinga nicht ein anderer Ritter aus friesischen Geschlecht gewesen sei.

Kloster und Kirche São Vincente in Lissabon
Foto: Wiki-User CC BY-SA 3.0

Fest steht jedoch, dass die Verehrung unseres Ritter Heinrichs als Seligen ohne Zweifel auf die früheste Gründungsphase des Klosters São Vincente zurück geht und schon 1217 schriftlich bezeugt ist. Auch Abt Emo schreibt, dass der selige Heinrich „durch göttliche Offenbarung kanonisiert“ worden sei, was im 17. Jahrhundert durch den Erzbischof von Lissabon nochmals bestätigt wird, der die Kanonisierung Heinrichs durch Gott betont. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert wird Heinrich definitiv als Seliger verehrt. Der portugiesische Schriftsteller Duarte Galvao schrieb im 16. Jahrhundert, er sei extra nach Bonn gereist, in die Stadt aus der „jener berühmte Ritter gestammt hat, welcher bei der Eroberung Lissabons so große Verdienste errungen hat“.

Als 1582–1629 die Kirche São Vincente in Lissabon neu erbaut wurde, überführte man Heinrichs Gebeine in den Neubau und bestattete sie neben dem Altar des hl. Antonius, wo Heinrich bis heute von vielen Gläubigen angerufen wird. Ein Gedenktafel an seinem Epithaph weist auf ihn hin.

Reliquiar Heinrichs in der
Bonner Münsterkirche
Foto: Josef Niesen
Gotischer Schrein,
Nahaufnahme
Foto: Josef Niesen

Am 18.4.1966 wurde mit kirchlicher und staatlicher Genehmigung Heinrichs Sarg geöffnet, wobei man feststellte, dass beim Neubau der Kirche tatsächlich der alte Sarg mit den Gebeinen in das neue Gotteshaus überführt worden war. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Reliquie des seligen Heinrichs in das Bonner Münster transloziert und in einem kostbaren gotischen Schrein im rechten Seitenschiff beigesetzt.

Geburtstag von Karl König: Bonner Kunstschmied, Bezirksvorsteher und legendärer Karnevalist.

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Karl König wurde am 4.11.1939 als Sohn des Kunstschmieds Karl König (1906-1973) in Bonn geboren. Nachdem sein Vater 1973 gestorben war, übernahm er den väterlichen Betrieb. Zudem engagierte er sich in der Kommunalpolitik und begann sein politisches Wirken in den städtischen Gremien. Seit 1979 Bezirksverordneter im Stadtbezirk Bonn, übernahm er 1982 den Vorsitz der CDU-Fraktion und wurde noch im November desselben Jahres als seinerzeit jüngster Stadtverordneter vereidigt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat im Oktober 1989 wurde König zum Bezirksvorsteher des Stadtbezirkes Bonn gewählt, ein Amt das er bis 1994 ausübte. Anschließend übernahm er wieder die Führung der CDU-Ratsfraktion als Fraktionsvorsitzender. Besondere Verdienste erwarb er sich um die Städtepartnerschaft mit Oxford sowie um die 1991 von ihm initiierte Städtepartnerschaft zu Budafok-Tétény, dem XXII. Bezirk von Budapest.

Karl König beim Unterschreiben des Partnerschaftsvertrags
Bonn-Budafok-Tétény
Foto der Stadt Bonn: http://www.bonn.de/rat_verwaltung_buergerdienste/
stadtbezirke/bonn/budafok/01402/index.html?lang=de

Nicht zuletzt dafür wurde er 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und 1997 mit der Verdienstmedaille der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft geehrt. Als Inhaber eines Handwerkbetriebs nahm König auch in diesem Bereich Verantwortung wahr und gehörte von 1976 bis 1985 dem Kulturausschuss beim Zentralverband des Deutschen Handwerks an. Daneben war er viele Jahre Mitglied des Gesellenprüfungsausschusses sowie Meisterbeisitzer bei der Kreishandwerkerschaft.

Rathaussturm 2014
Foto: Barbara Frommann
Sein soziales Engagement zeigte König vor allem als jahrzehntelanger Vorsitzender der Kolpingsfamilie und aktives Mitglied im Bonner Karneval. Besonders eng mit dem Rathaussturm verbunden, lieferte er sich zum Vergnügen des Publikums als Anführer der Rathausverteidiger legendäre Wortgefechte mit dem Stadtsoldaten-Kommandanten Stratemeier. Seit 1991 Anerkennungsordensträger der Großen Dransdorfer Karnevals-Gesellschaft e. V., war König zuletzt Ehrenmajor des Bonner Stadtsoldatencorps. Bereits Königs Vater war aktiver Bonner Karnervalist, ebenso wie auch Königs Ehefrau und seine Kinder.Fast möchte man es als Schicksal dieser karnevalsbegeisterten Familie sehen, dass 1996 bereits Ehefrau Karin an einemKarnevalstag gestorben war, so wie auch Karl König selbst am 13.2.2010, einem Karnevalssamstag, für immer die Augen schloss.

Die Geschichte der Bonner Sankt Martinszüge.

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Die Bonner St. Martinsbräuche reichen zurück bis ins Mittelalter. Doch der heute bekannteste Brauch des Martinszugs, in dem der heilige Martin zu Pferde mitreitet, ist noch keine hundert Jahre alt. Er geht zurück auf den Bonner Münsterpfarrer Johannes Hinsenkamp (1870–1949).

Der heilige Martin,
El Greco, 1598

Das Fest des heiligen Martin war vor Jahrhunderten zugleich der Abschluss des Wirtschaftsjahrs und Anfang des Winters. Die Ernte war eingebracht, die Höfe mussten Steuern entrichten und allerorten wurde geschlachtet. An diesem Tag hatten die ärmeren Bevölkerungsschichten deshalb Gelegenheit, von Haus zu Haus zu ziehen und Nahrungsmittel, insbesondere Fleischreste, zu erbetteln. Wegen des frühen Einbruchs der Dämmerung ist es naheliegend, dass sie dazu Fackeln mitnahmen. Möglicherweise entwickelte sich daraus das „Schnöörzen“, also das zu den Heischebräuchen gehörende Ritual der Kinder, am St. Martinsabend singend mit ihren Laternen von Haus zu Haus zu ziehen und Süßigkeiten zu erbetteln. Etymologisch mit dem Wort „schnorren“ verwandt, scheint der Begriff tatsächlich unmittelbar in Bonn entstanden zu sein und ist bereits wenige Kilometer außerhalb des Stadtgebiets in dieser Form nicht mehr gebräuchlich.

Es ist möglich, dass dieser Heischebrauch später rituell auf die Kinder überging, aus den Fackeln Laternen und aus den Bettelrufen Heischelieder wurden. Der Ursprung des Martinsfeuers hingegen wird in den Riten der germanischen Wintersonnenwendfeier vermutet. In dem reinigenden Feuer wurden die Sünden des vergangenen Jahres verbrannt – zugleich sollte es die dunkle Jahreszeit erhellen und den Feldern Segen bringen.

Martinsabend,
Bild des Bonner Malers
Peter Schwingen, 1837
In Bonn war es ein überlieferter Brauch, dass einige Tage vor St. Martin die Jungen von Haus zu Haus zogen, um Brennmaterial für die Martinsfeuer zu sammeln. Dies geschah unter der Aufsicht des „Mäetesmännche“, eines Jungen, dessen Leib, Arme und Beine mit dicken Strohseilen umwickelt waren. Auf dem Kopf trug er je nach Gegend einen Strohkranz oder alten Zylinder mit bunten Bändern, in der Hand einen Stock mit einem Strohwisch. Vor jedem Haus führte er Sprünge und Tänze auf, schlug mit dem Stock auf die Erde und sang: „Jett uns dit, jett uns dat, jett uns alles wat ihr hatt …“, oder, speziell in der Küdinghovener Gegend: „Mus, Mus komm erus, bräng en Bösch Struh erus ...“ Am Martinsabend loderten dann überall am Rheinufer größere Feuer und die Kinder zogen mit zur Fackel ausgehöhlten Rüben und Kürbissen durch die Stadt, um Gaben zu erbetteln. Waren die Feuer ausgebrannt sprangen die Jungen nach alter Sitte über die Glut. Tags darauf verstreuten die Bauern die Asche der Martinsfeuer über ihren Feldern. In den Familien war es bis weit ins 19. Jahrhundert Brauch, die Tafel mit frischen Würsten zu schmücken, wozu man sang: „Mäetens Ovend maache die Wiever de Wüeschte, wenn se Wing im Keller hann, dann drinken se, wenn se düeschte ...“

Johannes Hinsenkamp
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gingen die Bräuche vielerorts zurück. Anfang der 1890er Jahre wurde an der Ersten Fährgasse das letzte Martinsfeuer angezündet, kurz darauf wurden die Feuer aus Gründen der Sicherheit ganz verboten. Im Zuge des Ersten Weltkriegs und der Hungerjahre verrohten manche Sitten und das „Schnöörzen“ der Jugendlichen wurde zur aggressiven Plage. Die Deutsche Reichszeitung schrieb damals über das Bonner Martinsfest: „Gemütvolle Bräuche, die die Volksseele einer inniger empfindenden Zeit gebaren, drohen in der verflachten Gegenwart zu versanden. So ging es auch dem singenden Herumziehen der Kinder am Martinsabend, das in den letzten Jahren zu einem Vagabundieren mit schlimmsten Auswüchsen geworden war.“

Als 1920 Johannes Hinsenkamp zum Oberpfarrer der Münsterkirche und Stadtdechanten von Bonn ernannt wurde, war es ihm ein besonderes Anliegen, den alten Martinsbrauch neu aufleben zu lassen. Gemeinsam mit dem eigens neu geschaffenen St. Martins-Ausschuss Bonn Zentral, der sich auf Allerheiligen 1920 im „Hähnchen“ konstituierte, begründete er noch im selben Jahr aus Anlass des Patronatsfestes der Münsterpfarre die Tradition der Martinsumzüge in neuer Form, die schon bald im ganzen Rheinland Verbreitung fanden. Hinsenkamp, der Martins-Ausschuss und die Lehrerschaft organisierten zum 10. November einen Martinszug, bei dem erstmals die Schulklassen gemeinsam durch die Straßen zogen, wobei sie – einer neuen Idee folgend – von einem Gänsewagen und dem heiligen Martin zu Pferde begleitet wurden. Die Kinder trugen selbstgebastelte Laternen und sagen Martinslieder, wofür sie am Ende des Zugs mit Weckmännern belohnt wurden. Der erste St. Martin wurde von Josef Weiden dargestellt, der dazu auf dem einzigen Schimmel der Stadt ritt. Weiden übernahm diese Rolle für die kommenden 30 Jahre.

Martinsabend 1924 mit den Herren des Festkomitees,
Bild des Bonner Malers Emil Krupa-Krupinski, 1924

Der volle Erfolg des Martinszugs liest sich in der Deutschen Reichszeitung vom 11.11.1920 folgendermaßen: „ (…) und als erst der leibhaftige „Zinte Määtes“ in prangend rotem Mantel und hoch zu Roß sich vor dem Zug in Bewegung gesetzt hatte, da kam Fluß in die Sache. Die Kapellen schmetterten ihre Weisen hinaus, daß die dicke Trommel Mühe hatte, mit ihrem Bumbum zu folgen, und die jungen Kehlen jubelten die alten und doch immer wieder neuen Martinslieder so hell dazu, daß sie bald die Hörner übertönten. In flottem Marsche bewegte sich der Zug durch die Straßen, deren Häuser vielfach zum Feste der Kinder illuminiert waren. Es gab ein großartiges Bild, diese endlose Reihe von Lichtern vorüberfluten zu sehen… Dem nach einem Wege durch die Stadt zurückflutenden Zuge boten sich seine Ausgangspunkte in prächtiger bengalischer Beleuchtung… Während bengalische Lichter ihre rote Glut über die grauen Mauern des Münsters ergossen, fand auf dem Münsterplatz eine Schlußfeier mit kräftigem Männergesang statt.“

Bonner Martinszug 2013,
© Foto: Michael Sondermann/Bundesstadt Bonn

Seitdem ist der Bonner St. Martinszug eine echte Erfolgsgeschichte, die nur während der Kriegsjahre 1940–1945 aussetzte. Bewegend ist die Schilderung des damaligen Bonner Stadtdirektors Sebastian Dani über den ersten Nachkriegszug: „Dieser Martinszug gestaltete sich zu einem wahren Volksfest. Viele Straßen unserer Stadt lagen noch voller Trümmer, an den Häusern sah man noch die Wunden des Krieges, den Zuschauern aber leuchtete die Freude aus den Augen, nicht allein wegen des Martinszuges, der wiedererstanden war, sondern auch weil der seelische Druck, den der unheilvolle Krieg bei allen hinterlassen hatte, gewichen war. Sogar einige Offiziere der englischen Besatzungsmacht, darunter der Stadtkommandant Oberst Brown, feierten mit uns das Martinsfest und freuten sich so wie wir über die gebastelten bunten Fackeln und die leuchtenden Kinderaugen, die im Fackellicht erstrahlten. Dieser erneute Auftakt hat gezeigt, dass unser Martinsfest in der Bonner Bevölkerung ein fester, bleibender Begriff geworden ist und jedes Jahr wieder alt und jung erneut begeistert.“ Und diese Begeisterung ist bis heute geblieben und jedes Jahr wieder zu spüren!

Das war in Bonn am Rhein bei den Husaren - Marschfoxtrott von 1930.

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Ein weiteres Stück aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts trägt den Titel Das war in Bonn am Rhein bei den Husaren und stammt aus dem Jahr 1930. Komponist und Texter des Lieds war Rudolf Roontal. Im Juni 1930 wurde das Marschlied mit Refrain-Gesang von der Firma Electrola im Berliner-Beethoven-Saal auf Schellack-Platte aufgenommen. Es spielte das Oskar-Joost-Tanzorchester vom Eden-Hotel Berlin unter Joosts eigener Leitung. Der Sänger wird nicht genannt, ist aber möglicherweise ebenfalls Oskar Joost. Der Titel bezieht sich auf das Husaren-Regiment König Wilhelm I. (1. Rheinisches) Nr. 7, das von 1852 bis zum Ersten Weltkrieg in Bonn stationiert war. Das Husarendenkmal befindet sich am Alten Zoll. 

Den ganzen Aufsatz „Bonn im Spiegel der Musik“ finden Sie in den „Bonner Geschichtsblättern“, Band 64.




Das war in Bonn am Rhein, bei den Husaren,
da küssten wir so manches Mägdelein
mit blonden, braunen und mit schwarzen Haaren
am Alten Zoll beim trauten Mondenschein.
Und klangen hell früh morgens die Fanfaren,
dann war die ganze Stadt aus Rand und Band.
Das war in Bonn am Rhein, bei den Husaren,
in Bonn am schönen grünen Rheinesstrand.

Bonn - Wenn nur der Rhein nicht wär! Schellackplattenaufnahme von 1924.

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Den ganzen Aufsatz "Bonn im Spiegel der Musik" finden Sie in: Bonner Geschichtsblätter, Band 64, Bonn 2014.

Der seinerzeit sehr bekannte und erfolgreiche Komponist Friedrich August Bungert (1845–1915) vertonte 1891 in seinem Zyklus „Mein Rhein. Ein Kranz von Liedern“ (Op. 37) das von Carmen Sylva geschriebene Gedicht „Bonn. Wenn nur der Rhein nicht wär“. Carmen Sylva - eigentlich Prinzessin Elisabeth Luise zu Wied – war seit ihrem 10. Lebensjahr in Bonn aufgewachsen. Durch ihre Heirat mit Karl Eitel Friedrich Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen wurde sie als Folge des russisch-türkischen Kriegs 1881 Königin von Rumänien. Hatte sie bereits in ihrer Bonner Zeit unter dem Künstlernamen Carmen Sylva eigene Gedichte und Prosa verfasst, so intensivierte sie in Bukarest ihre künstlerische Tätigkeit. Eine Vielzahl ihrer Gedichtbände, Übersetzungen, Theaterstücke und Romane wurden noch zu Lebzeiten veröffentlicht.

Bungerts Liedvertonung wurde später mehrfach auf Schallplatte eingespielt, so seit 1911 alleine viermal von Odeon mit Carl Amster als Interpret, 1921 ebenfalls mit Carl Amster von Vox, 1924 von der Deutschen Grammophon mit dem Bariton Julius Roether, im selben Jahr von Parlophon mit Heinrich Winckelshoff, 1929 von Tri-Ergon mit dem Operntenor Wilhelm Gombert und 1937 nochmals von der Deutschen Grammophon mit Willy Schneider.

Die hier vorgestellte sehr seltene Aufnahme ist von 1924 mit dem seinerzeit sehr bekannten Opernsänger (Bass-Bariton) Julius Roether.


Wenn nur der Rhein nicht wär’
und der Sonnenschein
so strahlend darüber her,
und der goldene Wein.

Und die sieben Berge nicht,
und der alte Zoll
und die Schifflein im Angesicht,
mit den Segeln voll.

Und die Mägdlein so wundernett,
und der Rundgesang,
und der Morgen so schön im Bett,
und der Tag so lang. –

Ach! wie studierten wir
so gar fleissig jus!
Rhein, Rhein! Es liegt an dir,
dass man bummeln muss!

Träumendes Bonn - Eine Heimat-Hymne von 1954.

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(Den ganzen Aufsatz "Bonn im Spiegel der Musik" finden Sie in: Bonner Geschichtsblätter, Band 64, Bonn 2014)

Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle die „Vier Sternenburger“ und die daraus hervorgegangene Gruppe „Die Zwei mit dem Dreh“, denen Bonn eine Fülle wunderbarer Lieder zu verdanken hat. Das Quartett, bestehend aus dem Sänger Peter Brust, dem Bassisten Emil Lohmer, Rudi Morsche an der Gitarre und Addi Waldmann am Akkordeon gründete sich 1954 und trat jahrzehntelang bei unzähligen Veranstaltungen auf – so auch regelmäßig im Bundeskanzleramt –, bis die Musiker sich 1989 aus Altersgründen trennen mussten. Peter Brust und Emil Lohmer (jetzt an der Drehorgel) traten anschließend als „Die zwei mit dem Dreh“ bis 2006 weiter auf. Traten die „Vier Sternenburger“ mehr mit Parodien und politischen Liedern auf, so sangen „Die Zwei mit dem Dreh“ ihre Lieder in Bönnschem Platt, meist geschrieben von Peter Brust, wie beispielsweise: En de Stuff, En Bonn em Gequetschte, Direk nom letzte Kreschund Heilije Ofend in Bonn.Bekanntestes Stück ist allerdings bis heute das 1954 von Emil Lohmer (geb. 1928) komponierte Lied Träumendes Bonn, das mehrfach veröffentlicht wurde.

Hier der Link zum Video: Träumendes Bonn


Träumendes Bonn, wie schön wors Du
Maat on Hoffjaade wegten eins dich en Ruh.
Die wiesse Scheffe am Ahle Zoll
dröme von Zigge, die woren wundervoll.
Nun zog dat Märche de Vorhang zu,
träumendes Bonn wie schön wors Du.

Jeet me hück durch de Wenzeljass,
nimmp me sich am beste en flegende Ungertass.
Bei su nem grusse Krach un Lärm,
werde mir Bönnsche üwerhaupt net mie wärm.
Schön wor et fröhe on wie es et hück?
Me fällt jo bald üwer de fremde Lück.

Träumendes Bonn, wie schön wors Du,
de Strom mät beim Anblick de Oore zu.
Verebb es der stürmische jungfruhe Drang,
on huschende Welle murmele ne Sang.
Doch letztens ene Grus der soll et sen,
et es uns Heimat, ons Bonn am Ring.

25.11.1314: Königskrönung im Bonner Münster.

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Vor 700 Jahren (1314) war die politische Lage im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation sehr angespannt und es kam in Folge dessen zu einer Königskrönung im Bonner Münster.

Entstanden war das Reich im 10. Jahrhundert aus dem karolingischen Ostfrankenreich heraus und sah sich in der Tradition des Römischen Reichs, doch nun unter christlichen Vorzeichen. Ihm stand der römisch-deutsche König vor, der von den sieben (später neun) höchsten Reichsfürsten, den Kurfürsten, gewählt wurde. Vier dieser Kurfürsten waren weltliche, drei geistliche Fürsten (Erzbischöfe).

Erste Darstellung eines Kurfürstenkollegs,
Codex Balduineus, um 1340,
ganz links der Kölner Erzbischof und Kurfürst
Wahl und Krönung des römisch-deutschen Königs hatten nach einem festen Ritus zu erfolgen, der 1356 in der Goldenen Bulle erstmals schriftlich festgehalten wurde. Nach diesem Zeremoniell war der einzig legitime Koronator der Kurfürst-Erzbischof von Köln (die Kölner Kurfürsten hielten sich seit 1263 vorwiegend in Bonn auf, das 1597 offiziell zur kurfürstlichen Haupt- und Residenzstadt erhoben wurde). Gemeinsam mit dem Kurfürsten von Trier führte er den frisch gewählten König zum Altar, wo er vom Kurfürsten von Mainz empfangen wurde. Hier kniete der König nieder und es wurden Gebete gesprochen. Es folgte ein Hochamt und die Salbung durch den Kölner Kurfürsten. Anschließend wurden dem König das Krönungsornat angezogen und das Schwert Karls des Großen überreicht. Dann hängte der Reichskämmerer ihm den Krönungsmantel um, und die drei geistlichen Kurfürsten setzten ihm gemeinsam die Reichskrone auf. Damit der Krönungsakt Rechtsgültigkeit erlangte, musste einer dieser drei geistlichen Kurfürsten zwingend der Kölner Kurfürst-Erzbischof sein! Als einzig rechtmäßiger Krönungsort galt die Aachener Pfalzkapelle. Das Krönungszeremoniell erreichte also nur dann die volle Rechtsgültigkeit, wenn drei Bedingungen erfüllt waren:

Die Reichsinsignien
Krone, Apfel und Zepter
1. die Krönung musste in der Aachener Pfalzkapelle stattfinden
2. zur Krönung benötigte man die rechtmäßigen Reichsinsignien
3. der Koronator musste der Kurfürst und Erzbischof von Köln sein

Wenn mindestens eine dieser Kriterien nicht erfüllt war, galt die Krönung als nicht vollzogen.

Im November des Jahres 1314 kam es nun zum Eklat.Friedrich III. (genannt „der Schöne“), aus dem Geschlecht der Habsburger, Herzog von Österreich und der Steiermark, stand mit Ludwig von Bayern in Zwist um die Königskrone. Bei der nach dem Tod des römisch-deutschen Königs Heinrich VII. stattgefundenen Königswahl war es zu einer Pattsituation gekommen. Keiner der beiden Kontrahenten hatte die erforderliche Einstimmigkeit erreicht. Ludwig von Bayern war es zwar gelungen, die Stimmen der Erzbischöfe von Mainz und Trier sowie des Markgrafen von Brandenburg und des Königs von Böhmen auf sich zu vereinen, aber der Pfalzgraf bei Rhein und der Kurfürst von Sachsen wollten unter der Führung des Kölner Erzbischofs Heinrich von Virneburg unbedingt eine Dynastiebildung durch den Wittelsbacher verhindern und gaben ihre Stimme Friedrich dem Schönen. Sowohl Friedrich als auch Ludwig betrieben nun schnellstmöglich ihre Krönungen! Ludwig konnte sich den rechtmäßigen Krönungsort Aachen sichern, aber er hatte weder den richtigen Koronator, noch verfügte er über die Reichsinsignien. Friedrich hingegen hatte mit seinem Parteigänger, dem Kölner Kurfürsten, zwar den richtigen Koronator – und auch die Reichsinsignien waren in seinem Besitz– aber er musste nach Bonn, dem „falschen“ Krönungsort ausweichen.

Friedrich der Schöne
----------Ludwig von Bayern-------------
























So kam es, dassam 25. November 1314, vor genau 700 Jahren,die erste Königskrönung in der Geschichte der Bonner Münsterkirche durch den Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg mit einem festlichen, ja pompösen Zeremoniell stattfand! Die ganze Stadt muss damals auf den Beinen gewesen sein, um der Krönung beizuwohnen, einem Akt, der für das ganze Reich von größter Bedeutung war. Das Fresko eines monumentalen Reichsadlers im nördlichen Querschiff der Münsterbasilikaweist heute noch auf die Königskrönung hin. Die Inschrift unter dem Adler besagt: „In alma hacce aede solemniter coronati sunt Romanorum Reges Fridericus Austriacus per manus Henrici Archiepiscopi Coloniensis AD 1314“.

Reichsadler, Fresko
im Bonner Münster.

Originalabbildung:
http://www.bonner-muenster.de/
kroenung700/geschichte/
sehenswertes/reichsadler/
Bonner Münster: Nördliches Querhaus mit Fresken
















Nach der Krönungszeremonie versammelten sich alle in Bonn anwesenden Fürsten und Herren im Konvent der Minoriten (heute St. Remigius) unter dem Vorsitz des Kurfürsten und verkündeten die vollzogene Salbung und Krönung offiziell dem Reich. Die dabei ausgestellte Urkunde gibt zur Rechtfertigung eine genaue Darstellung der Ereignisse wieder. Am 4. Dezember 1314 erhielt die Stadt Bonn als Belohnung für ihre treuen Dienste auf ewige Zeiten das Recht am Verkauf des sogenannten Bannweins verliehen, womit die Weinzapfgerechtigkeit ganz in die Hand der Bürgerschaft überging.

Was die beiden gleichzeitig gekrönten Könige angeht, so fanden sie nach über zehn Jahren zu einem Kompromiss, bei dem sie sich gegenseitig anerkannten und auf eine Art Doppelherrschaft einigten, wobei Friedrich jedoch nur eine untergeordnete Rolle zukam, während Ludwig die Kaiserkrone erhielt.

Fast auf den Tag 32 Jahre nach diesem bedeutenden Ereignis wurde Bonn zum zweiten Mal Krönungsort. Diesmal, am 26. November 1346, wurde Karl von Mähren – wiederum in der Münsterkirche – zum König gekrönt. Fortan nannte er sich Karl IV. und ging als einer der bedeutendsten Herrscher des späten Mittelalters in die Geschichtsbücher ein.

3.12.1901: vor 113 Jahren wurde der Bonner Philosoph Paul Ludwig Landsberg geboren.

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Der Philosoph Paul Ludwig Landsberg wurde am 3. Dezember 1901 in Bonn geboren. Sein Vater war der bedeutende Rechtshistoriker Ernst Landsberg, der schon mit 19 Jahren seinen juristischen Doktorgrad erworben hatte und mit nur 23 Jahren an der Bonner Universität zum Professor ernannt worden war. 1914 war er der erste Jude, der an der Bonner Hochschule ein Rektorat inne hatte. Als Rechtshistoriker erlangte er so große Bedeutung, dass die „Deutsche Juristenzeitung“ ihn seinerzeit als den herausragendsten Rechtshistoriker Deutschlands würdigte.

Paul Ludwig Landsberg
Foto aus: H.-P. Höpfner, Die vertriebe-
nen Hochschullehrer 1933–1945, in:
Bonner Geschichtsblätter, Bd. 43/44,
Bonn 1993/94

Der zweitgeborene Sohn Paul studierte nach seiner Schulausbildung Philosophie an den Universitäten Freiburg und Köln, wo er 1923 sein Examen ablegte und im selben Jahr promoviert wurde. Bereits zuvor durch sein sein Buch „Die Welt des Mittelalters und wir“ zu größerer Bekanntheit gelangt, hörte er nun noch einmal zwei Jahre Vorlesungen in Sozialwissenschaften und Psychologie an der Universität Berlin, bevor er nach Bonn wechselte und sich dort 1928 mit einer Arbeit über Augustinus habilitierte. Ab 1930 lehrte er an der Bonner Universität mit großem Erfolg als Privatdozent, wobei er – aus jüdischen Verhältnissen stammend, doch auf Betreiben seines Vaters evangelisch getauft – ein auf einem christlichen Gottesbild basierendes konservatives und wertorientiertes Gesellschaftsideal vertrat. Landsberg fühlte sich auch zu den Ideen von KarlMarx hingezogen, lehnte den aufkommenden Nationalsozialismus strikt ab und engagierte sich in Wort und Schrift dagegen. 1933 wurde ihm, obwohl überzeugter Christ, wegen seiner jüdischen Herkunft die Lehrerlaubnis entzogen und er musste in die Schweiz fliehen, wo er noch im selben Jahr seine ebenfalls aus Bonn stammende Braut Magdalena Hofmann heiratete. 1934 folgte er zunächst einem Ruf an die Universität Barcelona, doch zwang der Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs ihn bald zur Flucht nach Paris, wo er 1937 eine Professur an der Sorbonne erlangte und in der Zeitschrift für Sozialforschung des ebenfalls nach Paris emigrierten Max Horkheimer publizierte. Spätestens hier schloss er sich zudem der Résistance an. 1938 nahm sich seine in Deutschland verbliebene Mutter – der Vater war bereits 1927 verstorben – wegen der anhaltenden Schikanen das Leben; 1939 wurde Landsberg der Doktorgrad offiziell entzogen. Aufgrund der französischen Internierungsverfügung wurde Landsberg 1939 in ein Lager in der Bretagne verfrachtet, doch gelang ihm nach der Kapitulation Frankreichs zunächst die Flucht ins Elsaß, wo er unter falschem Namen lebte, bis er nach einer Denunziation im März 1943 von der Gestapo verhaftet und ins KZ Oranienburg verschleppt wurde. Dort starb er am 2. April 1944 an Hunger und Auszehrung.

Stolpersteine vor Landsbergs ehem. Haus
Seine Tochter hat er nicht mehr aufwachsen sehen können; sie war 1941 in Pau/Frankreich geboren und immigrierte später in die USA. An Paul Ludwig Landsberg und seine Mutter Anna erinnern heute zwei Stolpersteine vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der Friedrich-Wilhelm-Straße.

Geschichte des Bonner Zeitungswesens.

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Vor 125 Jahren, am 1. Dezember 1889, erschien erstmalig der General-Anzeiger unter dem heutigen Namen. Anlass genug, sich einmal mit der Geschichte des Bonner Zeitungswesens zu beschäftigen.

Titelblatt des ersten in
Bonn gedruckten Buchs
Der Buchdruck begann in Bonn – noch vor dem Zeitungsdruck – Mitte des 16. Jahrhunderts durch Laurenz von der Mülen. Die Lebensdaten dieses wohl aus Köln stammenden Druckers sind nicht greifbar, zumal seine Namensformen vielfältig sind. Er war unter den unterschiedlichsten Namen bekannt, wie Laurens van der Mölen, Laurentius von der Müllen, Lorenz van der Meulen, Laurentius Mylius und anderen. Bekannt ist eigentlich nur, dass er 1542 in Köln ansässig war und 1543 seine Werkstatt nach Bonn verlegte. Hier druckte er noch im selben Jahr im Auftrag des Kurfürsten Hermanns von Wied das Buch „Einfaltigs bedencken“. Diese wichtige Reformationsschrift war zugleich das erste Buch, das in Bonn gedruckt wurde und dem noch 33 weitere Reformationsschriften folgten. 1547 druckte Laurenz von der Mülen „Dat gantz new Testament recht gruendlich verdütschet“ und 1550 das reformatorische „Bonner Gesangbuch“, wegen dem er nach der Wiederherstellung des Katholizismus aus Bonn „der Lutterei halber verdrewen“ wurde.

Kurz nach 1581 ließ sich der bedeutende Publizist Michael Freiherr von Aitzing (Eyzinger) zu Schrattenthal in Bonn als Historiograph des Kurfürsten Ernst von Bayern nieder. Seine ab 1584 herausgegebenen „Relationes Historicae“ mit Nachrichten über Wirtschaft, Politik und militärischen Auseinandersetzungen erschienen bis 1593 halbjährlich und 1594–1597 jährlich zur Frankfurter Messe, was ihnen den Namen „Messrelationen“ einbrachte. Sie gelten allgemein zu den frühesten Vorformen der Zeitschriften. Doch erschienen sie nicht in Bonn, sondern in Köln und Frankfurt. Dennoch ist Aitzing, der 1598 in Bonn verstarb, hier erwähnenswert.

Titelblatt einer von Jansen
gedruckten Schrift

Abb. aus: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon, 2011.

In Bonn selbst errichtete erst 1652 wieder ein Buchdrucker seine Werkstatt (in der Brüdergasse), nämlich der aus den Diensten Fürstbischof Ferdinands aus Münster kommende Heinrich Jansen, der dazu – wie es in den Ratsprotokollen heißt – „wegen einer erkauften Druckereyen“ eine Schuld von 164 Reichstalern auf sich nehmen musste. Jansen, der vorwiegend amtliche Drucksachen für den Kurfürsten druckte, wurde 1656 für ein Jahresgehalt von 140 Reichstalern in das Beamtenverhältnis aufgenommen. War zunächst nur vom „Typographus Bonnensis oder Buchtrucker“ die Rede, so wurde Jansen 1663 als erstem Bonner Drucker der Titel eines Hofbuchdruckers zuteil. 1684 starb er in Bonn. Das Amt des Hofbuchdruckers ging 1689 auf seinen (vermutlichen) Sohn Heinrich Tilmann Jansenüber, der neben amtlichen Verordnungen auch Textbücher für das Hoftheater und Druche für das Schultheater der Bonner Jesuiten druckte. 1698 erschien die von ihm gedruckte „Policey Ordnung der Stadt Bonn“.

Wegweisend für den Bonner Zeitungsdruck war das Auftreten der Familie Rommerskirchen. Der Erste, Leonard Rommerskrichen war 1685 in Köln geboren, wo er um 1720 eine eigene Buchhandlung besaß. 1725 ließ er sich in Bonn in der Nähe des Rathauses nieder und erhielt von Kurfürst Clemens August Privileg und Bestallung als kurfürstlicher Hofdrucker. In der Bestallungsurkunde vom 15.12.1725 wird sein jährliches Gehalt mit „150 Reichstaler, quartaliter ausgezahlt“ angegeben. Ferner standen ihm aus der Oberkellnerei „acht Malder Roggen und acht Malder Gerste“ zu. Rommerskirchen erhielt das Privileg „zu Druckung der in Unsrem Erzstift ausgehender Bücher“ und war verantwortlich für die „Verschaffung und Lieferung denen Gymnasiis jährlichs im Erzstift austheilender Praemiorum oder sogenannter güldenen Bücher“. Sein erster Druck war die „Ernewerte Chur-Cöllnische Cantzeley-Ordung“ von 1726. Dieser älteste rheinische Verlag überhaupt war der Anfang des Verlagshauses Rommerskirchen-Neusser, das noch heute den Bonner General-Anzeiger herausgibt. Am 20.10.1738 starb Leonard Rommerskirchen in Bonn.

Sein Sohn Ferdinand, 1730 in Bonn geboren, war beim Tod des Vaters erst acht Jahre alt, weshalb zunächst Rommerskirchens Witwe, auf die das Privileg ihres Mannes übergegangen war, den Verlag bis zu ihrem Tod 1741 weiterführte, der dann an eine Erbengemeinschaft fiel. 1746/47 gelang es Bernhard Hilbertz, seit 1735 Buchhändler in Bonn, das Privileg für den Druck und Vertrieb einer öffentliche Zeitung zu erlangen, das er 1747, nach der Verständigung mit den Erben durch den Kurfürsten erhielt. Noch im Februar desselben Jahres gab er die erste Bonner Zeitung heraus: den Auszug Europäischer Geschichten“. Eine weitere Zeitung des Verlagsprogramms war die moralisch-satirische Wochenschrift „Morpheana oder Traumgesichte im Reiche der Tiere“. Bereits 1749 scheint Hilbertz seine verlegerische Tätigkeit eingestellt zu haben; um 1762 ist er vermutlich in Bonn gestorben. Der „Auszug Europäischer Geschichten“war der Auftakt zu einer ganzen Reihe zum Teil konkurrierender Zeitungen, die oft auch nach kurzer Zeit wieder eingingen, wie beispielsweise die 1780 begründete „Bönnische Literatur- und Kunstzeitung“ von Johann Peter Eichhoff oder die „Gazette de Bonn“, die nur ein Jahr lang erschien.

Wöchentliche Bönnische Anzeige,
Bonn 1767

Abb. aus: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon, 3. Aufl. 2011.
1746 übernahm der erst 16-jährigen Ferdinand Rommerskirchenals Hofbuchdrucker die Druckerei seines Vaters, die er mit zwei Setzern, einem Drucker und einem Lehrling weiterführte. Neben den üblichen kurfürstlichen Drucksachen druckte er vor allem 1763–1770 die zweimal wöchentlich erscheinende Wöchentliche Bönnische Anzeige von gelehrten Sachen, Staats-Begebenheiten und vermischten Neuigkeiten“– die als zweite Bonner Zeitung zu gelten hat – und seit 1770 den „Bönnischen Sitten- Staats- und Geschichtslehrer“,dessen Lebensdauer gerade einmal zweieinhalb Jahre betrug. Ab 1772 brachte er das Gnädigst privilegirte Bönnische Intelligenzblatt“ heraus, dessen Erscheinen aber 1794 mit dem Einmarsch der Franzosen eingestellt werden musste. Zwischenzeitlich war Ferdinand Rommerskirchen am 22.1.1777 in Bonn verstorben.

Mit dem Tod des Vaters ging das kurfürstliche Privileg auf den siebenjährigen Heinrich Joseph über. Da seine Mutter jedoch noch im Sterbejahr den ehemaligen Gehilfen ihres Mannes, Johann Friedrich Abshoven, geehelicht hatte, führte dieser Verlag und Druckerei weiter. 1778 erhielt er den Titel eines Akademiebuchhändlers und -druckers mit dem Alleinverkaufsrecht aller bei der Akademie vorgeschriebenen Bücher sowie dem Alleinverlagsrecht aller kurkölnischen Schulbücher. 1790 wurde er Mitglied der Bonner Lesegesellschaft, deren Drucksachen er ebenfalls herstellte. Seit 1796 gab Abshoven als Fortsetzung des eingegangenen Intelligenzblattes die „Bonner Zeitung“ heraus sowie die „Bonner Dekadenschrift“, in der der „Bürger Abshoven“ die Grundsätze der französischen Revolution in gemäßigter Form darstellte. Als Befürworter der neuen Zeit trat er 1797 in den Bonner Stadtrat ein und wurde 1798 zu dessen Präsidenten gewählt, doch bat er noch im Dezemberdesselben Jahres wegen Unzufriedenheit um Entlassung aus seinem Amt. 1799 scheint er in Bonn gestorben zu sein.

Sein Stiefsohn Heinrich Joseph Rommerskirchen war zwischenzeitlich nach Köln gezogen und überließ seinen Anteil am Bonner Geschäft seiner Schwester Catharina, die 1801 den aus einem alten Bonner Fährschiffergeschlecht stammenden Peter Neusser (geb. 1772) heiratete, der seine Ausbildung als Drucker vermutlich bei Abshoven absolviert hatte und nun das Geschäft übernahm. Brachte er zunächst vorwiegend den „Bonner Sack-Kalender“ – ein Kalendarium der Heiligenfeste und Verzeichnis der Häuser und Behörden mit den in ihnen tätige Personen – und das Bonner Adressbuch heraus, so setzte er sich später stark für die deutsche Literatur ein und verlegte eine „Sammlung der Lieblingsdichter Deutschlands“. 1808 gab er erstmals das „Wochenblatt des Bönnischen Bezirks“ heraus, das drei Jahre lang sonntäglich erschien, bis es wegen der französischen Zensur nicht genügend Abnehmer fand und eingestellt werden musste. 1813 erschien es erneut, doch durfte nun höchstens noch über Pariser Moden berichtet werden. Seit 1814 erschien die Zeitung im befreiten Bonn als „Bonner Wochenblatt“. 1843 verstarb Neusser, dessen Name bis heute mit dem „General-Anzeiger“ verbunden ist.

Sein 1808 geborener Sohn Johann Neusser war bereits einige Jahre im väterlichen Betrieb tätig, als er ihn 1840 ganz übernahm. Es gelang ihm, das seit 1843 täglich erscheinende „Bonner Wochenblatt“über die Zeit der 1848er Revolution zu retten, in der die Existenz des Blattes auf dem Spiel stand. In dieser Zeitung, die seit 1859 den Titel „Bonner Zeitung“ trug, druckte Neusser nicht nur politische Nachrichten ab, sondern kommentierte sie auch in einer „Politischen Wochenübersicht“, zunächst in heftiger Opposition zum neuen Ministerpräsidenten Bismarck. Seit 1874 überließ Neusser die Zeitung gänzlich seinem Sohn Hermann(geb. 1839) und zog sich zurück, bis er am 23.9.1887 verstarb.

Hermann Neusser
Hermann Neusserübernahm 1870 die Leitung des väterlichen Zeitungsunternehmens, zunächst noch gemeinsam mit seinem Vater, das er 1872 in das ehemalige Haus der Familie Breuning (Eleonore Breuning war eine Klavierschülerin und enge Freundin Beethovens) an den Münsterplatz verlegte (heute befindet sich dort der Kaufhof), wo sich auf seinen Vorschlag hin am 24.2.1889 der Verein Beethoven-Haus konstituierte, um das baufällig gewordene Geburtshaus Ludwig van Beethovens vor dem Abbruch zu bewahren. So ist es vor allem Neussers Verdienst, dass das bedeutende Haus in der Bonngasse bis heute erhalten werden konnte. Nachdem Neusser 1891 seinen gesamten Buchverlag wegen Unrentabilität an die Buchhandlung Fritz Cohen (später Bouvier) verkaufen musste, konzentrierte er sich ganz auf den Zeitungsverlag, den er jedoch ebenfalls gezwungen war, am 31.9.1891 eingehen zu lassen. Zuvor hatte er allerdings eine „Aktiengesellschaft Generalanzeiger für Bonn und Umgegend“ gegründet, die jetzt unter seiner Direktion als Nachfolgeblatt der „Bonner Zeitung“ den neuen, täglich erscheinenden „General-Anzeiger“herausbrachte. Diese neue Zeitung war von Neusser bewusst als „Volks- und Familienblatt“ in Konkurrenz zu den damals vorherrschenden politischen Zeitungen konzipiert worden. Bis heute besteht der „General-Anzeiger“ als Tageszeitung fort.

Nachdem Neusser am 13.3.1909 verstorben war übernahm sein Sohn Hermann Neusser (der Zweite) das Erbe. Nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg gelang es ihm, gemeinsam mit seinem Bruder Peter (gest. 1937), den Betrieb durch die schwere Zeit der Nachkriegsjahre, Inflation und Wirtschaftskrise zu führen. Dank seiner technischen Begabung trieb er den Ausbau der Druckerei weiter und erneuerte den Maschinenpark. 1927 hatte der General-Anzeiger bereits eine Tagesaufl. von 45.000 Exemplaren erreicht. Während des Nationalsozialismus kämpfte Neusser um die Existenz seiner Zeitung und gegen das Bemühen der NS-Stellen, den Verlag übernehmen zu können. Weder Angriffe der Partei, noch Anpöbelungen wie etwa der Aufzug einer SA-Kapelle vor dem Verlagshaus mit dem Lied „Muss i denn zum Städtele hinaus“ konnten den Verleger mürbe machen. Trotzdem sank die Auflage bis 1936 auf 16.000 Exemplare.

Titelblatt des heutigen General-Anzeigers
Abb. aus: J. Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Aufl. 2011.

Am 19.9.1937 starb Neusser und sein 1917 geborener Sohn mit dem mittlerweile traditionellen Vornamen Hermann (der Dritte) folgte seiner Spur. 1944 wurde der Verlag genötigt, den „Westdeutschen Beobachter“ eine Woche lang zu drucken. Die eigene Zeitung, die ihren Namen „General-Anzeiger“ ablegen musste und nun „Bonner Nachrichten“ hieß, durfte nur gedruckt werden, wenn das Erscheinen der Gaupresse garantiert war. Am 18.10.1944 wurde das Verlagshaus durch Bomben vernichtet und man wich nach Andernach und Siegburg aus, um – teilweise mit Handpressen – weiter drucken zu können. 1945 kam Neusser aus dem Krieg zurück und baute das Unternehmen mit seinem Schwager wieder auf. Am 1.10.1949 erschien die Zeitung wieder unter dem altgewohnten General-Anzeiger-Kopf. 1952 wurde in der Wesselstraße ein modernes Zeitungsgebäude errichtet, dass Druckerei und Redaktion in einem Haus vereinte. 1961 wurde eine Buntdruckgruppe an die Rotation angebaut und 1968 der Druck in ein neues Gebäude in die Robert-Kirchhoff-Straße verlegt. 1986 erhielt Neusser das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1997 wurde er mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Bonn geehrt, und 1998 erhielt er den Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland. Am 10.5.2002 verstarb er in Bonn.

Heute wird das Unternehmen in der siebten Generation der Familie geleitet.

Peter Hauptmann
Abb. aus: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon, 3. Aufl. 2011.
Parallel gab es natürlich auch andere wichtige Bonner Zeitungen, wie die 1871 vom Bonner Verleger Peter Hauptmann (1825–1895) mitbegründete „Deutsche Reichszeitung“, die als Organ der katholischen Bevölkerung Bonns eine kirchenpolitisch wichtige Aufgabe erfüllte. Zugleich vertrat sie über die Grenzen Bonns hinaus den neuen Typus einer konfessionell gebundenen Zeitung. 1874 gründete Hauptmann die wöchentlich erscheinende Zeitung „Deutsches Vaterland“. Sein Sohn Carl Hauptmann (1853– 1933) trat 1888 in das väterliche Unternehmen ein. Genoss die Deutsche Reichszeitung zu Zeiten seines Vater noch hohes Ansehen, so hatte Carl mit dem Niedergang der Zeitung zu kämpfen. Besonders die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und die Inflationszeit machten Hauptmann schwer zu schaffen. Daneben hielt er seit 1889 zudem die Hälfte der General-Anzeiger-Aktien weniger einer. Aus Unzufriedenheit mit der Ausgestaltung der Zeitung zog Hauptmann sich aus der Aktiengesellschaft zurück und brachte als Gegenentwurf seit 1891 den „Bonner Stadtanzeiger“ heraus. Hauptmann, der weder Rotationsmaschinen noch weitere moderne Einrichtungen besaß, konnte jedoch nicht mit dem „General-Anzeiger“ konkurrieren, und der Erfolg blieb aus. Deshalb vereinigte er 1894 den Stadtanzeiger mit der „Bonner Volkszeitung“, die er wiederum beide 1906 mit der „Deutschen Reichszeitung“ verschmolz. 1921 zog Hauptmann sich von allen Geschäften zurück und widmete sich vorwiegend seinen historischen Studien. Die „Deutsche Reichszeitung“ ging 1927 samt der Druckerei in den Besitz von Heinrich Köllen (Köllen-Druck) über, der die Zeitung aufgrund einer Verordnung des Reichsverbands der deutschen Zeitungsverleger 1934 in „Mittelrheinische-Landeszeitung“ umbenannte.

Natürlich wäre zum Bonner Zeitungswesen noch viel mehr zu sagen, doch würde das erheblich zu weit führen. Verständlicherweise kann hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden.

Et Bonnleedche: Bonn Du bes ming Stadt!

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(Den ganzen Aufsatz "Bonn im Spiegel der Musik" finden Sie in: Bonner Geschichtsblätter, Band 64, Bonn 2014).



Besonders erfreulich sind die seit mehreren Jahren auftauchenden neuen Kompositionen in Bönnscher Mundart. Zu erwähnen ist hier vor allem Volker Kriegsmann.

1956 in Köln geboren, war Kriegsmann nach seinem Musikstudium zunächst Solo-Oboist im Kölner Rundfunk-Sinfonierorchester und Mitbegründer des Collegium Musicum des WDR, bis er 1980 nach Bonn wechselte, wo er seitdem als Solo-Englischhornist und Oboist im Beethoven Orchester spielt. Daneben widmet er sich in verschiedenen Ensembles der Kammermusik.Als sich 2007 durch karnevalsbegeisterte Orchestermitglieder der Ludwigschor Bonn gründete, begann Kriegsmann mit der Komposition und Dichtung von Bonn-Liedern, die sich, in Bönnschem „Platt“ getextet, durchaus als Liebeserklärungen an die Stadt verstehen. Besonderes Beispiel dafür ist Et Bonnleedche von 2011.

Was Kriegsmanns Lieder angeht, greift hier der Begriff „Karnevalslieder“ viel zu kurz, denn die „Stückelche“ erzählen, ganz in der Tradition Willi Ostermanns, liebevolle kleine Geschichten rund um Bonn und die Bönnsche Eigenart, wobei sie genau das „urbönnsche“ Lebensgefühl treffen. 2012 erschien eine CD mit den Stücken Et Fessspillhaus, Et Bonnleedche, Rothussturm, Ausjerechnet an Karneval, Jebhard von Truchsess und Met der Trumm.

Et Bonnleedche

Text und Musik: Volker Kriegsmann

Bonn, du bes die Stadt,
die ming Hätz enjefange hat,
e kleen besje Jroßstadt e besje verdräump,
häs Minsche us alle Natione vereint,
du bes die Stadt, die uns all he verzaubert hat.

De Landschaff es schön wie et Paradies
en die ons Städtche he enjebett es
et Siebenjebirje, de Venusberch,
de Rolandsbore, de Rhing,
ach wenn ich add lang nit he wunne dät,
ich köm op Urlaub he hin.

Bonn, du bes die Stadt …

En Bonn Castell hät de Römer jebaut.
däm Ubier hät er et Jrondstöck jeklaut.
en Friesdorf han se de Franke verjrove,
die sin vür rund dausend Johr add jestorve.
de Steinzeit scheck ons als schöne Jroß
de Homo Oberkasselsius.

Bonn, du bes die Stadt …

Op Äde vun Blindheit un Taubheit jeploch
sproch Beethoven dennoch en himmlische Sproch
füe all die Minsche de janze Welt
vom Schöpfer övve däm Stänezelt
von Freude un och von Bröderlichkeit
en Bonn do semme bestimp esu weit!

Bonn, du bes die Stadt …

Heute vor 244 Jahren wurde Ludwig van Beethoven getauft.

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Ein Blog über das historische Bonn ist ohne Beethoven undenkbar. Deshalb ergreife ich die Gelegenheit, zu Beethovens Tauftag (und die im Dezember liegenden Todestage seines Vaters und Großvaters) etwas über den Komponisten zu schreiben, wobei ich den Augenmerk auf seine Bonner Zeit legen möchte, denn seine späteren Jahre sind hinlänglich in hunderten Dokumentationen und Büchern beschrieben worden.

Ludwig van Beethoven,
Großvater
Die Familie van Beethoven stammte aus einem alten flämischen Geschlecht aus der Gegend von Löwen, das sich bis Mechelen und Antwerpen verzweigt hatte. Der erste dieser Familie, der sich in Bonn niederließ, war Ludwig van Beethoven (d. Ä.), der Großvater des Komponisten. Am 5.1.1712 in Mechelen geboren, sang er seit 1717 als Chorknabe an der dortigen Kapelle und stieg 1731 zum Tenoristen (also Tenor-Sänger) und Substitut des Löwener Kapellmeisters auf. 1732 begegnet er uns als Bassist in Lüttich, bevor er sich 1733 an den Bonner Hof begab und dort von Kurfürst Clemens August zum „Hof-Musicum gnädigst erklärt und aufgenommen“ wurde. Über 40 Jahre diente er in der Folgezeit am kurkölnischen Hof, erhielt 1746 wegen guter Leistungen eine deutliche Gehaltserhöhung und stieg 1761 zum Kapellmeister der Bonner Hofkapelle auf. Kurz nach seiner Ankunft in Bonn hatte er Maria Josepha Poll (Pall oder Ball) geheiratet, mit der er mehrere Kinder bekam, von denen aber alleine ihr Sohn Johann die Kindheit überlebte. Vielleicht war dieses Schicksal die Ursache für das spätere Leiden der „Madam Beethoven“, die wohl der Trunksucht verfiel und zur Pflege in das Kölner Ursulinen-Kloster verbracht werden musste. Wie viele Hofmusiker versuchte auch Beethoven sein Gehalt durch einen Nebenerwerb aufzubessern und betrieb in seinem Haus „Zum Walfisch“ in der Rheingasse einen schwungvollen Exporthandel mit Rhein- und Moselweinen in seine flämische Heimat. Am 24. Dezember 1773 starb er in Bonn. In zeitgenössischen Schilderungen wird stets seine besondere Freundlichkeit und Gutmütigkeit hervorgehoben.

Johann van Beethoven,
(ungesicherte Darstellung,
dem Vater zugeschrieben)
Seinen um 1740 in Bonn geborenen Sohn Johann van Beethoven unterrichtete der Vater selbst, bis der Junge mit 12 Jahren Sänger an der kurfürstlichen Hofkapelle werden konnte. Zunächst noch ohne Gehalt, wurde er 1756 deren vollwertiges Mitglied als Tenor. 1767 heiratete er die junge Witwe Maria Magdalena Keverich und zog mit ihr in das Hinterhaus der Bonngasse Nr. 515 (heute Nr. 20), wo drei Jahre später ihr Sohn Ludwig als zweites von sieben Kindern geboren wurde. Da Beethovens künstlerische Begabung allgemein als mittelmäßig geschildert wird, ist sein Verbleib in der Hofkapelle wohl dem Vater zu verdanken. 1773 übernahm er die Leitung der Hofkapelle bis zum Tod des Vaters kommissarisch und erhoffte sich, anschließend selbst zum Leiter der Kapelle ernannt zu werden, was er durch Bittbriefe und Geschenke an Minister Caspar Anton von Belderbusch zu erreichen trachtete. Doch die Kapellmeisterstelle erhielt nicht er, sondern der Italiener Andrea Luchesi. In einem – mit Vorsicht zu betrachtenden – anonymen Erpresserschreiben an den Kurfürsten heißt es 1784, Johann van Beethoven habe seiner Bitte durch eine „stehende Uhr“ und andere Geschenke Nachdruck verliehen, worauf der Minister ihm auch „eine Versorgung für seinen Sohn Lovis“ versprochen habe, doch da die Hilfe ausgeblieben sei, fordere Beethoven nun von den Erben des inzwischen verstorbenen Ministers 431 Reichstaler für die Uhr, zwei Gemälde, eine flämische Bibel, Gläser, Tassen, Porzellan und Spitze zurück.

Vielleicht aus Frust und Ärger über die ausgebliebene Beförderung und Gram über den Tod seiner Ehefrau (1787) verfiel Beethoven zusehends der Trunksucht und konnte seit 1789 seinen Beruf nicht mehr ausüben. Nach seinem Tod am 18. Dezember 1792 soll der Kurfürst ironisch gesagt haben: „Die Getränke-Accise hat an Beethovens Tod einen Verlust erlitten“.

Wann genau Ludwig van Beethoven, der große Komponist, geboren wurde, ist nicht bekannt. Getauft wurde er aber am 17. Dezember 1770 in der alten St. Remigiuskirche, die sich seinerzeit am heutigen Remigiusplatz befand. Nach ihrem Brand im Jahr 1800 musste die schwer beschädigte Kirche 1806 abgerissen werden. Das Patrozinium ging auf die Minoritenkirche (heute St. Remigius) über, wo sich heute auch der originale Taufstein befindet, an dem Beethoven getauft wurde.

Beethovens Taufstein
Beethovens Taufbucheintrag
Von Zeitgenossen wurde Beethoven als „scheu und einsilbig, in sich gekehrt und ernsthaft“ beschrieben, zugleich aber auch als Kind, das gerne Streiche ausheckte und mit seinen Kameraden ausführte. Zu beachten ist dabei, dass all diese Schilderungen erst angefertigt wurden, nachdem die Größe seines überragenden Talents sich gezeigt hatte und Beethoven zu einem weltberühmten Komponisten geworden war. Wieviel von den Erinnerungen an seine Kindheit also wahrhaftig ist, oder sich eher am späteren Menschen orientierten, ist also fraglich.

Beethoven mit
etwa 13 Jahren
Der junge Beethoven wurde vom beflissenen Vater, der in Bonn einen guten Ruf als Musiklehrer genoss, selbst ausgebildet. Er hatte wohl das Talent des Sohns früh erkannt und versuchte es mit unnachgiebiger Härte und Strenge zu fördern, wobei es ihm sicherlich vorschwebte, einen zweiten Mozart aus ihm zu machen. Seinen ersten Auftritt hatte Beethoven mit knapp acht Jahren in Köln, wo der Vater ihn – um das wunderkindhafte noch zu unterstreichen – als „Söhngen von sechs Jahren“ anpries. Auch später machte er Ludwig gerne ein bis zwei Jahre jünger. Beethovens Kindheit war geprägt von Armut, einer ganzen Reihe von Umzügen (siehe dazu meinen Artikel: Beethoven-Häuser in Bonn) und strengem Musikunterricht. Oft zwang der Vater den Jungen, nachts aufzustehen, um Klavier zu üben. Die Schule musste er bereits mit elf Jahren verlassen. Stattdessen bekam er seit 1782 zusätzlichen Unterricht in Cembalo- und Orgelspielen bei Christian Gottlob Neefe und im Geigenspiel bei Franz Anton Ries. Noch im selben Jahr veröffentlichte der zwölfjährige Beethoven bereits erste eigene Kompositionen.

In seiner freien Zeit scheint er gerne und viel gewandert und umhergestreift zu sein, es wird von Ausflügen in das Siebengebirge und ins Ahrtal berichtet, oft fand man ihn auf den nahegelegenen Feldern oder im Wald. Zwei dramatische Ereignisse seiner Jugend müssen ihn nachhaltig beeindruckt haben. 1777 brach eine drei Tage dauernde Feuersbrunst im nicht weit entfernten kurfürstlichen Schloss aus, der weite Teile der Anlage verwüstete, auf das ganze Stadtviertel überzuspringen drohte und mehreren Menschen das Leben kostete. Das Entsetzten, das in Bonn vorherrschte, wird auch den erst siebenjährigen Jungen erfasst haben. Man sei froh gewesen, in der Rheingasse zu wohnen, weil mit dem Rhein Löschwasser genug vorhanden sei, berichteten Zeitzeugen.

Brand des kurfürstlichen Schlosses in Bonn am 15.1.1777,
zeitgenössische Darstellung

Doch auch der Rhein barg seinerzeit seine Gefahren. 1784 stieg, durch schweren Eisgang bedingt, dem eine plötzliche Schmelze folgte, der Rhein mit 13,10 m über NN so hoch an, dass die Flut die am Ufer gelegenen Häuser mit sich fort riss. Das Wasser stieg über den Belderberg und lief bis in den Kreuzgang der Münsterkirche. Die schwere Rheinschiffmühle wurde durch die Gewalt des Wassers und den darauf treibenden Eisschollen gegen die Stadtmauer gepresst und brachte sie mitsamt den angebauten Häusern zum Einsturz. Auch die Familie Beethoven musste über eine Leiter aus ihrem Haus fliehen. Vielleicht waren diese Ereignisse ausschlaggebend dafür, dass Naturerlebnisse in Beethovens späterem Werk eine besondere Bedeutung bekamen.

Grab von Beethovens Mutter,
Alter Friedhof
Schon im Alter von elf Jahren hatte Beethoven im Gottesdienst Orgel gespielt, seit 1783 spielte er im Hoforchester Cembalo und nun, im Verlauf des Jahres 1784, erlangte er an der Bonner Hofkapelle seine erste feste Anstellung als stellvertretender Hoforganist. Auch dem Kurfürsten Maximilian Franz von Österreich, dem der dreizehnjährige Beethoven bereits drei Klaviersonaten gewidmet hatte, blieb dessen Begabung nicht verborgen, so dass er ihn 1786 zur weiteren Ausbildung zu Mozart nach Wien schickte. Ob es je zu einer Begegnung zwischen Beethoven und Mozart kam, ist bis heute nicht geklärt, wenn es auch als wahrscheinlich angenommen wird. Seinen Unterricht jedenfalls hatte Beethoven nie aufgenommen, denn wegen der schweren Erkrankung seiner geliebten Mutter – die bald darauf an der Schwindsucht starb – trat er bereits nach kurzer Zeit die Heimreise an. Ihren frühen Tod am 17. Juli 1787 konnte er nicht verwinden und war lange nicht fähig, zu komponieren. In einem Brief an seinen Freund Joseph von Schaden schrieb er die berührenden Worte: „Sie war mir eine so gute liebenswürdige Mutter, meine beste Freundin“.

Der junge Beethoven
mit 31 jahren
Beethoven hatte in Bonn schon früh Anschluss an die intellektuellen Kreise gefunden. Seine erste Liebe war seine Klavierschülerin Eleonore von Breuning, der er zwei Kompositionen widmete und sie später zur Namensgeberin der „Leonore“ in seiner Oper Fidelio machte. Oft war er Gast im „Zehrgarten“, wo sich Professoren und Künstler trafen (siehe meinen Beitrag: Wirtshaus Zehrgarten). Auch seinem frühesten Förderer, Graf Waldstein, begegnete er hier. 1789 wurde zu einem einschneidenden Jahr für Beethoven. Da der verwitwete Vater mit der Erziehung der jüngeren Kinder überfordert und der Trunksucht verfallen war, war der noch nichteinmal volljährige Komponist gezwungen, den Familienvorsitz zu übernehmen und Vormund seiner Brüder zu werden, wozu ihm vom Kurfürsten die Hälfte des väterlichen Gehalts ausbezahlt wurde. Trotz dieser großen Verantwortung betrieb er auch seine eigene Ausbildung weiter und schrieb sich noch im selben Jahr an der kurfürstlichen Bonner Universität ein. Sein revolutionärer Lehrer Eulogius Schneider (siehe meinen Beitrag: Eulogius Schneider) weckte in ihm die Begeisterung für die Ideale der französischen Revolution, die später in seiner Oper Fidelio und der 3. Sinfonie Ausdruck fanden. Als noch im selben Jahr das neue Opernhaus in Bonn eröffnet wurde, brach Beethoven sein Studium ab, um im Opernorchester Bratsche zu spielen.

Nachdem 1790 der Bruder des Kurfürsten, Kaiser Joseph II. gestorben war, wurde Beethoven von der Bonner Lesegesellschaft mit der Komposition einer Trauerkantate beauftragt. Gemeinsam mit der kurz darauf für den kaiserlichen Nachfolger entstandenen „Kantate zur Erhebung von Leopold II.“ sind sie die ersten großen Chor-Kompositionen Beethovens. Im Sommer desselben Jahres besuchte Joseph Haydn auf seiner Reise nach London Bonn, ebenso wie auf seiner Rückreise 1792. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm in der Godesberger Redoute auch Beethoven vorgestellt. Wahrscheinlich kam schon da der Gedanke auf, dass Beethoven sich bei Haydn in Wien ausbilden lassen solle. Jedenfalls erhielt er 1792 auf Vermittlung des Grafen Waldstein vom Kurfürsten erneut ein Ausbildungsstipendium. Im November des Jahres war es soweit und Beethoven wurde von seinen Freunden verabschiedet. Graf Waldstein schrieb in dessen Stammbuch die berühmten Worte: „Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozarts Geist aus Haydns Händen!“

Stammbuch Beethovens mit dem Waldsteinschen Eintrag,
Faksimile eig. Sammlung, Original im Beethovenhaus

Zwei Jahre darauf besetzten französische Truppen die Stadt Bonn, der Kurfürst musste fliehen und die Hofmusik wurde aufgelöst. Beethoven blieb in Wien und kehrte nie wieder in seine geliebte Heimatstadt zurück. Aus Wien schrieb er an seinen Freund Gerhard Wegeler: „… mein Vaterland die schöne gegend, in der ich das Licht der Welt erblickte, ist mir auch immer so schön und deutlich vor meinen Augen, als da ich euch verließ, kurz ich werde diese Zeit mir als eine der glüklichsten Begebenheiten meines Lebens betrachten, wo ich euch wieder sehen und unsern Vater Rhein begrüßen kann.“


Am 8. Januar 1753 wurde der bedeutende Kurkölnische Hofkammerpräsident Franz Wilhelm Freiherr von Spiegel zum Diesenberg geboren.

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Entgegen dem oft falsch kolportierten und heute noch in der Literatur häufig anzutreffenden Geburtsdatum 30.1.1752 wurde der aus altem westfälischem Adel stammende Franz Wilhelm Freiherr von Spiegel zum Diesenberg (auch: Desenberg) erst am 8. Januar 1753 auf Schloss Canstein bei Mersberg/Westfalen geboren. Sein Vater Theodor Herrmann (1712-1779) war als Landdrost seit 1758 der höchste Vertreter des kurkölnischen Staates in Westfalen. Sein Bruder Ferdinand-August (1764-1835) schlug die geistliche Laufbahn ein und wurde 1825 zum Erzbischof von Köln geweiht.

Franz Wilhelm von Spiegel auf einem
zeitgenössischen Porträt
Franz Wilhelm von Spiegel wurde zunächst, wie im Adel üblich, bis zum 10. Lebensjahr von einem Hausgeistlichen unterrichtet. Danach sandte sein Vater ihn in die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt Bonn, wo Franz Wilhelm für die nächsten sechs Jahre Zögling des Pageninstituts war, einer Lehranstalt für den Adel des Kurstaates, die teils von Jesuiten betreut wurde. Anschließend studierte er 1768–1770 Rechtswissenschaften an der damals ungemein bedeutenden Universität Löwen und – nach seiner Ernennung zum Kammerherrn – nochmals bis 1775 Rechtswissenschaften und Geschichte in Göttingen, wo der spätere Reformer Freiherr vom und zum Stein zu seinen Kommilitonen zählte. Seiner Rückkehr nach Bonn folgte die Ernennung zum Hofrat der kurkölnischen Regierung. Zwei Jahre lang gehörte er dem Hofratskollegium an, dann bewarb er sich – trotz einer gewissen Abneigung gegen den geistlichen Stand – aus finanziellen Gründen um eine Stelle als Domherr. Das fehlende theologische Studium absolvierte er ab 1776 in Rom, bis er nach den erfolgten niederen Weihen Domherrenstellen in Münster und Hildesheim erhielt.

Max Franz von Österreich als
Kölner Kurfürst
1779, nach dem Tod des Vaters, bekleidete von Spiegel das Amt des Landdrosten im Herzogtum Westfalen, wo er sich im aufklärerischen Sinne für eine Reform der Bildung und des Polizeiwesens einsetzte. 1784 wechselte er an den Bonner Hof in die Regierung des neuen Kurfürsten Maximilian Franz von Österreich, der ihn zunächst zum kurfürstlichen Konferenzrat und 1786 zum Hofkammerpräsidenten sowie Präsidenten des Akademierats ernannte. Er erlangte große Verdienste durch Zollreformen wie die staatliche Verwaltung des Zollwesens und Verbesserung des Rechnungswesens ebenso wie durch die grundsätzliche Reform der kurkölnischen Verwaltung. Erstmals erfolgten Neueinstellungen von Hofräten nach Können und Ausbildung und nicht mehr, wie zuvor, alleine durch Protektion und Vetternwirtschaft des Adels. Als Akademieratspräsident zuständig für die Bildung, konnte er auch in Bonn seine aufklärerischen Ideen umsetzten, das Schulwesen reformieren und wesentlich zum Ausbau der Bonner Akademie („Maxische Akademie“) zur Universität beitragen (Erhebung 1786). Als neuernannter Universitätskurator machte er die Hochschule zu einem Hort der katholischen Aufklärung, was – trotz großer Zustimmung des Kurfürsten und der aufklärerischen Bonner Kreise – auf erheblichen Widerstand im Kölner Domkapitel und der römischen Kurie stieß, die von Spiegel vorwarfen, Irrlehre und Unglauben an der Bonner Universität zu verbreiten.

Kurfürstliche Bonner Universität in der Bonngasse,
gegenüber der Jesuitenkirche.


Auch nach der Besetzung des Rheinlands durch französische Revolutionstruppen und der Flucht des Kurfürsten am 3. Oktober 1794 behielt von Spiegel die Leitung der Regierungsgeschäfte bis zum Reichsdeputationshauptschluss von 1803, wobei er aber seinen Einfluss weitgehend verlor. Danach zog er sich auf sein Landgut Canstein zurück, wo er am 6. August 1815 verstarb.

Das Stadtpatronenlied

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(Auszug aus meinem Aufsatz "Bonn im Spiegel der Musik", in: Bonner Geschichtsblätter, Band 64, Bonn 2014)
 
In den 1960ern Jahren hielt Bonn sogar Einzug in die Kirchenmusikliteratur. Der langjährige Organist und Chorleiter an der Münsterkirche, Hubert Brings, komponierte 1964 ein Lied für den jährlich am 10. Oktober zu begehenden Festtag der Bonner Stadtpatrone Cassius und Florentius. Den Text des Stadtpatronenliedsverfasste Adolf Düppengießer.

Der 1909 in Düsseldorf geborene Hubert Brings absolvierte zunächst ein Orgelstudium sowie 1934–1938 ein Kapellmeister-Studium in Köln, bevor er nach einer Zeit in Düsseldorf 1940–1975 Kirchenmusiker an der Bonner Münsterkirche war. Am 17.3.1992 verstarb er in Bonn.

Adolph Düppengießer wurde am 1931 in Stolberg bei Aachen geboren, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und katholische Theologie in Bonn, wurde 1959 zum Priester geweiht und wirkte seit 1962 als Seelsorger und Lehrer in Krefeld. Am 25.6.2007 starb er in Kamp-Lintfort. Die Verse des Stadtpatronenlieds, das seit 1964 traditionell jedes Jahr zum Patronatsfest gesungen wird, schrieb Düppengießer aus Verbundenheit zu Bonn.

Hier der Link zum Musikvideo: Stadtpatronenlied


Cassius, Florentius,
ihr seid uns von Gott gegeben,
Söhne einer fernen Zeit
als ein Vorbild und Geleit.
Er verlangte euer Leben,
und ihr folgtet ihm bereit.
Söhne einer fernen Zeit.
Cassius, Florentius,
unschwer war, euch zu entscheiden,
wo der wahre König war.
Statt der Götter Wahnaltar,
wähltet Tod ihr, Schmach und Leiden
gläubig mit der Helden Schar.
wo der wahre König war.
Cassius, Florentius,
Erde ward des Blutes Schale,
unsre Heimat, euer Land.
Und aus unsrer Väter Hand
Wuchs das Münster, euch zum Male,
das der Zeiten Sturm bestand.
Unsre Heimat, Euer Land.
Cassius, Florentius,
wehrt auch fernerhin dem Feinde,
schützet Volk und Stadt am Rhein!
Mehr als euer Grab aus Stein
Lebt ihr fort in der Gemeinde:
Unser Herz sei Euer Schrein!
Schützet Bonn, die Stadt am Rhein!

Geschichte der Kaffeerösterei Zuntz

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Rechel Zuntz
Rheinisches Bildarchiv
Im Jahre 1787 wurde in der Bonner Judengasse (heute untergegangen) das kleine jüdische Mädchen Rechel geboren. Ihr Vater, Nathan David Hess (1756-1837), war Kaufmann und hatte vier Jahre zuvor in diesem Haus ein gutgehendes Kaffee- und Kolonialwarengeschäft eröffnet. 1813 heiratete Rechel ihren neun Jahre älteren Cousin Amschel Hertz Zuntz und zog zu ihm nach Frankfurt/Main, wo am 24.8.1814 ihr Sohn Leopold zur Welt kam. Da ihr Mann kurz vor der Geburt verstorben war, kehrte die alleinerziehende Rechel 1817 mit ihrem Kind zurück in ihr Bonner Elternhaus.

Leopold wurde streng jüdisch erzogen und absolvierte 1827 auf den Wunsch der Mutter hin eine Kaufmannslehre. Als 1837 Rechels Vater starb übernahm sie das Geschäft und gründete gemeinsam mit ihrem Sohn unter dem Namen „A. Zuntz seel. Wb.“ eine
Logo "Dame mit
dem Schutenhut"
Kaffeerösterei, die später zur größten Rösterei Deutschlands aufsteigen sollte. 1840 verlegte sie ihr Unternehmen in die Hundsgasse
14 (heute Belderberg) und trug sich in die Bonner Gewerbeliste als „Spezereihändlerin“ ein. Das Geschäft hieß nun leicht verändert A. Zuntz sel. Wwe.“. Ab den 1850er Jahren stellte sie als Spezialität auch „kandierten Kaffee“ her. Im Laufe der Jahre überließ die „Witwe“, wie Rechel von ihren Kunden genannt wurde, die Geschäftsleitung mehr und mehr ihrem Sohn, der 1846 Julia Katzenstein (1822-1872) heiratete, mit der er elf Kinder hatte. Leopold widmete sich dem Ausbau des Geschäfts und war daneben Mitinhaber der „Rheinischen Zeitung“. Nach dem Tod der Mutter am 21.1.1874 übernahm er die alleinige Firmenleitung, doch starb auch er nur wenige Monate später (13.6.1874), was dazu führte das sein Sohn Albert mit nur 25 Jahren das Geschäft übernehmen musste.

Filiale in Berlin,
Potsdamer Str. 54
Albert Zuntz wurde am 28.1.1849 in Bonn geboren, hatte nach dem Willen des Vaters ebenfalls eine Kaufmannslehre absolviert und war schon früh zu dessen Unterstützung in das Geschäft eingetreten. Durch den enormen Aufschwung, den die Rösterei seit den 1870er Jahren erlebte, gelang es ihm 1879 die erste Filiale in Berlin zu eröffnen. Doch tragischerweise war auch ihm kein langes Leben vergönnt und er starb am 29.8.1881 in Bonn an Tuberkulose. Also musste sein jüngerer Bruder Joseph, geboren am 7.3.1858, das Unternehmen nun leiten. Der verstand es seine guten Kontakte als „Königlich griechischer Konsul“ (Ehrentitel) zum Wohle der Firma einzusetzen und 1887 das Patent auf die Herstellung eines Kaffeekonzentrats zu erlangen. 1889 eröffnete er eine zweite Filiale in Hamburg. Zudem erhielt die Firma die Titel Hoflieferant Seiner Hoheit des Erzherzogs Ernst von Sachsen-Coburg, des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen, Seiner Kgl. Hoheit des Prinzen Wilhelm von Preußen und Hoflieferant Seiner Majestät des Kaisers und Königs,was seinerzeit eine hervorragende Werbung darstellte.

Pavillon der Firma Zuntz bei der
Berliner Gewerbeausstellung 1896

Anzeige der Firma Zuntz

1891 ließ Zuntz in Poppelsdorf Am Grünen Weg 78 (heute Königsstraße) einen großen Gebäudekomplex errichten, in den er die Bonner Dampf-Kaffeebrennerei verlegte, und wo er neben Kaffee auch Mischungen verschiedene Teesorten aus Indien und Ceylon herstellte. Daneben entstanden Großröstereien in den Filialen Hamburg und Berlin sowie Verkaufszentralen im gesamten damaligen Deutschen Reich.In Berlin eröffnete er 1897 zudem die erste Kaffeestube, was den Firmennamen weithin bekannt machte. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden noch 30 weitere Kaffeestuben.

Als er um 1900 in Bonn verstarb, ging die Firma nun in die Hände seiner beiden jüngeren Brüder David (1861-1913) und Richard (1863-1910) über, die er – genau wie seine beiden Schwiegersöhne Louis Sondermann und Albert Bing (1853-1931) – schon früh am Familienunternehmen beteiligt hatte. 1907 gehörte die Bonner Firma mit 37 Arbeitern zu den größten Unternehmen ihres Zweigs. Zudem galt sie bei den Bonner Gewerbeinspektoren als „besteingerichtete Kaffeerösterei“.

Albert, der 1889 in Bonn geborene Sohn von David Zuntz, übernahm nach dem Tod des Vaters das mittlerweile überregional bedeutende Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder August und baute es weiter aus. 1927 wurde eine Produktionsstätte in Berlin errichtet, wohin 1929 auch die Hauptniederlassung verlegt wurde, während Bonn Zweigniederlassung wurde. Bis 1930 bestanden elf Filialen, u. a. in Hannover, Dresden und Antwerpen, sowie 1.934 Läden mit 17 Kaffeestube, denen bis 1932 weitere 55 Filialen folgten.

Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten 1933 folgte für das Unternehmen mit jetzt 800 Angestellten die schwerste Zeit, die in Folge auch zum Niedergang des Familienbetriebs führte.

Gaststätte "Zur seligen Witwe",
Königsstraße (Foto: J. Niesen)
Die jüdische Familie wurde drangsaliert, das Unternehmen „arisiert“ und die Brüder Zuntz zum Teilhaber ohne Rechte erklärt. In den nächsten Jahren wurde die ganze Familie durch Verfolgung, Deportation, Treiben in den Suizid und Flucht auseinander getrieben. Nach Kriegsende lagen 40 % aller Zuntz-Häuser in Schutt oder waren unbewohnbar, von den 68 Filialen bestanden nur noch 14. Die Bonner Niederlassung konnte zwar gerettet werden, doch wurde dort jetzt ein Kaffeeersatz aus Getreide und Zuckerrüben hergestellt. Dennoch bestand die Bonner Rösterei bis 1980, obgleich das Unternehmen bereits 1951 an Dallmayr verkauft wurde.

Von dem großen Gebäude in der Königsstraße sind heute noch der neogotische Giebel mit zwei anschließenden Sälen erhalten. Die Brennerei mit den Packräumen und die Verladestation ist abgerissen worden. Heute befindet sich dort ein Lokal mit dem „Zuntz selige Witwe“, dessen Interieur an das ehemalige Unternehmen erinnert.

Das Grab der Firmengründerin Rechel Zuntz findet man auf dem jüdischen Friedhof in Schwarzrheindorf, das ihres Sohnes Leopold auf dem jüdischen Friedhof an der Römerstraße.

Geschichte des Bonner Karnevals

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Bonner Stadtsoldaten
beim Rathaussturm 1961
Bundesarchiv, B 145 Bild F-009801-00 10

Die Wurzeln des Bonner wie des gesamten rheinischen Karnevals liegen viele Jahrhunderte zurück und sind fest verbunden mit der Vertreibung des Winters und dem Beginn der Fastenzeit. Immer wieder nahm die Obrigkeit aber Anstoß an der unbändigen Fröhlichkeit, die die Welt und die Ordnung für einige Tage auf den Kopf stellte. Besonders die Machthaber, die von auswärts kamen, wie Bayern, Franzosen, Preußen oder Briten, hatten so ihre Probleme mit den aufmüpfigen Narren am Rhein. So ist die Geschichte des Karnevals auch eine Geschichte der Verbote und des Widerstands dagegen.

So findet sich auch die erste schriftliche Erwähnung des Bonner Karnevals in einer Polizeiverordnung des Jahres 1585, in der das Ende der bestehenden „Bonner Fastnachtgesellschaft“ durch den Kurfürsten Ernst von Bayern – natürlich kein Rheinländer (!) – verfügt wird. Da die Gelage und Feiern bis weit über Aschermittwoch hinaus ausuferten, versuchte die Kurfürstliche Polizei- und Landesordnung aus dem Jahr 1596 die Karnevalsfeiern auf einen einzigen Tag, den Rosenmontag, zu beschränken. Aufhören sollten vor allem „die Nachtgelage, das Nachtsauffen, die Schwertdentzer und Mummereyen … sambt allen übermessigen Fressen, Sauffen, Dantzen und alle Leichtfertigkeit, sonderlich am Escher Mittwoch und in der ganzen vierzigtägigen Fasten“. Bei Übertretung des Verbots wurden fünf Gulden fällig. Solcherlei Verbote wurden aber offensichtlich kaum befolgt, denn sie mussten regelmäßig erneuert werden. Auch der gestrenge Neffe und Nachfolger Ernsts, Ferdinand von Bayern, versuchte 1622, aus Angst vor der umgreifenden Sittenlosigkeit, das Fastnachtstreiben unter Strafandrohung von drei Goldgulden zu unterbinden. Sehr zum Leidwesen der Bonner Geistlichkeit zogen aber dennoch die Fleischergesellen, Schumacher, Bäcker und Küfer bis über Aschermittwoch hinaus lärmend und tanzend durch die Bonner Straßen. Besonders beliebt bei der Bevölkerung waren dabei die Schwerttänze der Gesellen, die in weiße Hemden gekleidet waren und Schellen an den Beinen und um den Leib trugen.

Rosenmontagszug Bonn 1961
Bundesarchiv, B 145 Bild F-009738-0003
Die Landesfürsten selbst frönten dem Karneval allerdings durch ausschweifende Feste am Bonner Hof. Auf einem dieser Bälle des Kurfürsten Joseph Clemens von Bayern 1721 am Bonner Hof stellten die adligen Gäste den Hofkalender dar und erschienen als Sonne, Mond und Sterne, Jahreszeiten, Monate und Tage. Bei seinem Nachfolger, Clemens August, erfreuten sich die sogenannten Bauernhochzeiten größter Beliebtheit. Erhalten hat sich eine Gästeliste vom 21. Februar 1730, einem Rosenmontag, bei dem die Adeligen auf offenen, mit Girlanden geschmückten Wagen unter dem Jubel der Bonner Bevölkerung vom Schloss durch die Straßen der Residenz zogen.

Zum Ärger der Kölner, die gerne die Erfindung des Karnevals für sich reklamieren wollen, ist dies die tatsächlich älteste Beschreibung eines geordneten Rosenmontagsumzugs. Auch am 6. Februar 1731 fand ein solches Umzug mit 12 Wagen in Bonn statt, ebenso 1733, was belegt, dass dies keineswegs ein einmaliges Ereignis geblieben ist. Belegt sind außerdem prächtige Maskenbälle im Bonner Schloss, von denen zwei heute noch erhaltene Gemälde von Francois Rousseau aus dem Jahr 1754 Ausdruck geben. Dies ist zugleich die erste bildliche Darstellung des Karnevals im Rheinland.

1760 war der berühmte Giacomo Casanova höchstselbst Gast auf einem dieser kurfürstlichen Karnevalsbälle in Bonn, den er in seinen Lebenserinnerungen wie folgt beschreibt: „Der kleine Ball des Kurfürsten, ein Maskenfest, war sehr hübsch. Wir hatten uns alle in einer besonderen Garderobe des Kurfürsten als Bauern verkleidet; dabei gingen die Damen in einen Saal, um sich umzuziehen, die Herren in einen anderen. Da der Kurfürst selbst ein Bauerngewand trug, hätte sich jeder lächerlich gemacht, der sich nicht so vermummt hätte. Madame X war zum Anbeißen. Man tanzte nur Kontertänze und ganz seltsame Ballette nach der Art verschiedener deutscher Provinzen … Bei irgendeinem Tanz, ich weiß nicht mehr bei welchem, küßte man die Bäuerin, die man erwischte. Ich war nicht sehr diplomatisch und erwischte immer Madame X; der Kurfürst als Bauer rief bravo, bravo. Sie fand einen günstigen Augenblick, um mir zu sagen, dass alle Damen aus Köln am nächsten Tag zu Mittag abreisen wollten, und dass es mir zu Ehre gereichen würde, wenn ich sie alle nach Schloss Brühl zu einem Gabelfrühstück einlüde.An dem besagten Bonner Abend sanierte Casanova sich finanziell, indem er beim Spiel die Bank sprengte. Er schrieb dazu: „Der Aufenthalt von zweiundeinhalb Monaten in Köln verminderte meine Barschaft nicht, obwohl ich jedesmal, wenn ich mich am Spiel beteiligen musste, verlor. Der eine Abend in Bonn ersetzte alle Verluste.“ Anderntags reiste er nach Schloss Brühl, wo er »Madame X« verführte. Bei der ungenannten Dame handelte es sich um Maria Ursula zum Pütz, die Gattin des Kölner Bürgermeisters Franz Jacob de Groote.

Rosenmontagszug Bonn 1961
Bundesarchiv, B 145 Bild F-009738-0002
Doch auch das Volk wusste zu Feiern. Mit ausdrücklicher Genehmigung des Stadtmagistrats zogen Karneval 1760 die Zunftgesellen der Handwerkerschaft mit Musik und Tanzgruppen durch Bonn.

Clemens August, der sinnenfrohe Kurfürst, starb am 6. Februar 1761, einem Aschermittwoch, nach einer ausschweifenden Karnevalsfeier am Tag zuvor, auf dem er mit den adligen Damen „wohl acht bis neun Touren“ hintereinander getanzt hatte, bis ihn Übelkeit und Schwäche übermannte.

Unter Max Franz von Österreich, einem aufgeklärten Nachfolger und zugleich letzter Kurfürst, wurden keine opulenten Feste mehr im Bonner Schloss gefeiert, doch die Bonner Bevölkerung wollte nicht vom Karneval lassen. Sie feierte weiterhin so ausgelassen über den Aschermittwoch hinaus, dass dem Kurfürsten 1785 zur Anzeige gebracht wurde, „das die Bürgerschaft dieser kurfürstlichen Stadt ihre Lustbarkeiten mit den drei Fastnachtstagen nicht endigen, sondern gewöhnlich bis auf den Aschen-Mittwoch, auch wohl länger, fortsetzen.“ Also befehligte der Kurfürst unter Strafe von zwei Goldgulden, „dass mit dem Fastnachtsdienstag um 12 Uhr nachts alle Lustbarkeiten dann beschlossen … werden sollen.“ Geholfen hat es nicht viel.

Mit dem Einmarsch der Franzosen endete der Bonner Karneval vorerst. Aus Angst vor einem Umsturz der neuen Ordnung galt zunächst ein strenges Masken- und Verkleidungsverbot in der Stadt, das sich aber 1797 lockerte. Doch genau in diesem Jahr kam es in Bonn tatsächlich zu schweren Unruhen am Rande eines – nun erlaubten – Maskenballs. Da die Stadt aus Geldmangel den einquartierten französischen Soldaten kein Kostgeld geben konnte, sollte die Bonner Bevölkerung sie miternähren. Dies funktionierte jedoch so schlecht, dass Anfang Januar 1797 die Soldaten kein Fleisch mehr erhielten, was zu großem Unmut führte. Das Frankfurter Journal berichtete: „Ein Teil der Grenadiere … maskierten sich und drangen auf den Ball, den die Einwohner von Bonn unter sichgegeben hatten… und es kam am Ende zu wesentlichem Unfug. Die eigentliche Ballgesellschaft setzte sich diesem entgegen, und die Sache ward so ernsthaft, daß sechs Personen tot geblieben und 13 verwundet worden sein sollen. Der Kommandant von Bonn konnte .. die Ruhe nicht eher als am Morgen wiederherstellen.“ Selbstverständlich wurde in den folgenden Jahren das Maskieren in der Öffentlichkeit wieder verboten. Doch der Chronist Jakob Müller berichtet am 18. Februar 1798, dass wieder reges Maskentreiben auf den Bonner Straßen herrschte: „Niemahls hat man so viele Fastnachtsnarren in der Stadt herumlaufen sehen als heut … Am Abend zwischen 9 und 10 Uhr sind Patrouillen durch die Stadt gegangen und haben alle Maskeraden auf die Wache geführt, wodurch beide Wachstuben angefüllt, die Masquerades aber nur eine viertel Stunde aufgehalten und dann wieder entlassen sind.“ So einfach waren die Bonner eben durch Verbote nicht zu beeindrucken. Das Karnevals-Gen war einfach stärker!

Beueler Stadtsoldaten 1936
Im Februar 1802 berichtete Müller sogar über zwei Maskenzüge: „Die Masqueraden stellen allerhand vor, gestern eine Schneiderzunft und heut den Aufzug wie er in den vorigen Zeiten … aus der Propstei nach dem Münsterplatz in Begleitung der Stiftsherrn, Officialats-, Gerichts-Procuratoren, der Ruthenträger, 2 Schallmaienspieler und die Freiheitsfahne gehalten wurde.

Dem eher ungeordneten Treiben vergangener Jahrhunderte folgte im 19. Jahrhundert die Periode des organisierten Karnevals. Als eine der ersten Bonner Gesellschaften gründete sich 1824 das „Beueler Damenkomitee“ als Gründungskomitee der Beueler Weiberfastnacht, 1826 folgte die „Bönnsche Karnevalsgesellschaft“, dieder strengen polizeilichen Überwachung unterlag. Am 10. Februar 1828 fand in Bonn ein großer Rosenmontagsumzug mit 22 Gruppen und Wagen statt, der vom Koblenzer Tor am Schloss vorbei, über Martinsplatz, Münsterplatz und Dreieck, die Sternstraße herauf und über die Wenzelgasse durch die Altstadt zog, bis er endlich wieder am Schloss vorbei und über den Römerplatz in der Remigiusstraße endete. In diesem bürgerliche Festzug mit vielen höfischen Elementen zogen erstmals Hanswurst, als Vorläufer des heutigenPrinzen und seineGöttin Laetitia (aus der später die Bonna hervorging) im Festgewand durch die Straßen.

Da Bonn – mittlerweile Preußen zugeschlagen – aber seit 1818 Sitz einer Universität war, verbot der strenge preußische König Friedrich Wilhelm III. öffentliche Umzüge in „seiner“ Universitätsstadt noch im selben Jahr, aus Angst, die Studenten könnten zu sehr vom Lernen abgehalten werden und sittlich verkommen: Wo dergleichen amoralische und in politischer Hinsicht nicht unbedenkliche Lustbarkeiten bisher nicht herkömmlich erlaubt gewesen sind, sollen sie nicht gestattet werden, am wenigsten in der Universitätsstadt Bonn.Aus war's mit dem schönen Zug! In Bonn musste der Karneval für 14 lange Jahre ruhen.

Erst nach dem Tod Friedrich Wilhelms wurde das Verbot durch seinen Nachfolger 1842 wieder aufgehoben, allerdings unter dem Vorbehalt, dass „alle politischen Anspielungen, so wie Bloßstellungen von Persönlichkeiten … unterbleiben müssen“, worüber ein Zensor zu wachen hatte. Doch die Bonner hielten sich keineswegs daran, sondern verspotteten auch den Zensor selbst mit Zetteln, die am folgenden – ab nun jährlich stattfindenden – Rosenmontagszug 1843 von den Wagen geworfen wurden. Dort hieß es: „Manche Schrift auch von Censoren wird verschnitten, zahm geschoren; - Und Hanswurst befreit den Tropf mit der Schere von dem Zopf!

Traten bei den ersten Zügen noch Hanswurst und Laetitia auf, so wurde die römische Göttin schon 1845 erstmals durch die „Bonna“ als Gestalt der „guten Stadt Bonn“ ersetzt. Bis zum Verbot der Nationalsozialisten, die keine Männer in Frauenkleidern dulden wollten, wurde die Bonna – so wie in Köln die Jungfrau – von einem Mann dargestellt. Der Hanswurst wurde 1873 durch den „Prinz Karneval“ abgelöst. Seitdem besteht das Bonner Prinzenpaar in dieser Form bis heute.

Ehrengarde der Stadt Bonn um 1950

Nestor des Bonner Karnevals in den 1840er Jahren war vor allem der bedeutende Universitätsprofessor und spätere Revolutionär Gottfried Kinkel (1815–1882), der das karnevalistische Geschehen durch eine Reihe von Vorträgen und Fastnachtspossen bereicherte. Um den Zensor zu umgehen, stieg er immer – zum Schrecken des Bonner Festkomitees – ohne Manuskript in die Bütt und improvisierte seine Reden. Er schrieb dazu: „Der Schöppenrat, der stets vor Angst fieberte, der Karneval möchte verboten werden, geriet oft in blassen Schrecken, wenn ich die Tribüne bestieg...“ Nach seiner eigenen Einschätzung war der Karneval ein wichtiges Instrument „zur Entwicklung der rheinischen Demokratie“. Sein äußerst beliebtes „Bürgerlied – Gesungen im Bonner Faschings-Comité 1843“ wurde noch bis weit ins 20. Jahrhundert in Bonn an Karneval gesungen:

Mögen draußen Amt und Würde gelten,
Hier bei uns ist Rang und Stolz verbannt.
Mögen uns die hohen Herren schelten,
Hier umschlingt uns all' ein friedlich Band.
Ruft's mit lauten Schall: Bürger sind wir all'!
Vor der bunten Kappe gilt kein Stand! …

Nicht zur Lust allein sind wir verbunden,
Nicht für eine kurze Faschingszeit.
Laßt uns einig sein zu allen Stunden,
Jeder für den Andern stets bereit …

Mit diesem Lied hatte der Klassenkampf Einzug in den Bonner Karneval gehalten. Die Gleichheit der Stände galt als unerhört. Darum sangen die Bonner nach Kinkels Gefangennahme das Bürgerlied an Karneval 1850 mit besonderer Inbrunst. Seine Frau Johanna berichtete: „Die Leute hatten die tollen bunten Mützen auf dem Kopf, aber die hellen Tränen in den Augen, weil sie des Dichters im Zuchthaus dachten. Das war das erste Mal, das Karneval ernste Gedanken erweckte.

Im selben Jahr, als das Bürgerlied entstand (1843), konstituierte sich auch die Bonner Karnevalsvereinigung „Rataplan“, die sich nach dem „Marschlied der Bönnischen Stadtsoldaten“ von Carl Moritz Kneisel (1794–1872) so benannt hatte:

Josef Morell,
erster Kommandant des
Bonner Stadtsoldaten-Corps
Rataplang!
Sühmt net lang!
Bommen un Granate!
Marsch eruhs
Uus dem Huhs
Bönnsche Stadtzaldate!
Looft onn stellt üch op dem Maat
Flöck en Reih un Glidder;
Hück eß gruße Wachparad:
Der Hanswursch kütt widder.

Diese ersten Bonner Stadtsoldaten traten beim Karneval ihrer Vaterstadt als Ehrengarde des Prinzen Karneval auf. Ihre Uniformen waren den Uniformen des kurfürstlichen Leibinfanterie-Regiments nachempfunden und werden noch heute in nur leicht veränderter Form von den Stadtsoldaten getragen.

Nach der Revolution von 1848 kam der Bonner Karneval vorerst zum Erliegen und die Bönnischen Stadtsoldaten verschwanden aus dem Bild der Stadt. Erst nach dem Krieg von 1870/71 wurde auch der Bonner Karneval wiederbelebt und der ehemalige Rataplan 1872 als „Bonner Stadtsoldaten-Corps“ neugegründet.

Kriegs- und Besatzungsjahre ließen den Karneval ab 1915 wieder einmal ruhen. Erst 1926 fand erneut eine Kappenfahrt statt, der erste Rosenmontagszug sogar erst 1928. Aus diesem Anlass rief der damalige, aus sechs Männern bestehende Festausschussim Vorfeld den Wettbewerb „Schlager Bonner Karneval“ ins Leben, um die Session mit angemessenen Karnevalsliedern feiern zu können. Aus acht in die engere Wahl gezogenen Vorschlägen von insgesamt 56 eingereichten Kompositionen wurde am 30. Dezember 1927 im Rahmen einer eigens dazu einberufenen Bürgerversammlungdas mitreißende Lied „Bönnsche Junge“des Komponisten Joseph Nolden zum Sieger gewählt.Der Text stammte von Karl Grosse. Seit 1937 ist es – mit verändertem Text – das Traditionslied des Beueler Stadtsoldaten-Corps.

Ältestes Bild des Beueler Damenkomitees, um 1900
Durch mancherlei Gegebenheiten fanden auch 1930-1933 keine Rosenmontagszüge statt, so dass sich der „Vaterstädtische Verein zur Förderung und Erhaltung des Bonner Karnevals“ (heute Ehrengarde der Stadt Bonn) gründete, um diesem Umstand abzuhelfen. Zwar standen die Nationalsozialisten dem Karneval nicht unbedingt feindlich gegenüber, doch versuchten sie ihn ihrer eigenen Ideologie unterzuordnen und streng zu reglementieren. Selbstverständlich waren politische Witze gänzlich verboten, und ab 1935 musste auch die (männliche) Bonna, wie oben bereits erwähnt, durch eine Frau (Sibylle Bois) ersetzt werden. Während die Kölner nach dem Krieg auf die alte Tradition eines verkleideten Mannes zurückgriffen, hatten die Bonner reichlich Gefallen an den hübschen Mädchen gefunden und behielten eine weibliche Bonna bei.

In den kommenden Kriegsjahren wurden die Rosenmontagszüge eingestellt, nach Feiern war wohl niemandem zumute. Doch trotz der schweren Zerstörung der Bonner Innenstadt, trotz der Entbehrungen und des Hungers ließen sich die Bonner in den Nachkriegs nicht ihren Lebensmut und ihre rheinische Fröhlichkeit nehmen. Schon am 16.12.1945 erwachtedas Gesellschaftslebenwieder mit dererstenNachkriegsaufführung unter der Leitung des Bonner Musikdirektors Ludwig Classens. Gespielt wurde Beethovens „Missa solemnis“ in der Bonner St. Marienkirche, da nahezu alle anderen Spielstätten zerstört waren. Im Mai 1946 wurde sogar wieder ein Beethovenfest durchgeführt. Im September desselben Jahres fand die „Kuhle Kirmes“ in den Trümmern der Altstadt mit einem Festhochamt und einer Gedenkfeier für die Toten auf dem Bunker an der Theaterstraße statt.

Der Winter 1946 brachte eine Frostperiode mit 17 Grad minus, die durch eine zweite und dritte Kältewelle ab Januar 1947 noch verschärft wurde. Stundenlanges Anstehen nach Nahrungsmitteln, fehlende Brennstoffe, andauernde Stromausfälle, Hunger und Elend zermürbten die armen Menschen. Man kann es kaum glauben, aber selbst in diesen Wochen der Not dachten die Menschen daran, wieder Karneval zu feiern. Die Bonner Rundschau schrieb am 18. Februar 1947: „Früher stritten sich die Gelehrten um die Frage, woher das Wort Karneval komme. Die einen erklärten, es hieße „carne vale“ (Fleisch lebe wohl!), die anderen führten es auf den venezianischen carrus navalis (Schiffskarren) zurück. Wir haben allen Grund die erste Deutung abzulehnen, da wir dem Fleisch schon längere Zeit lebewohl gesagt haben, die Vergangenheit nichtsdestoweniger aber keineswegs karnevalistisch war. Nach den Erfahrungen mit der Beueler Fähre neigen wir der zweiten Fassung zu.“ Zunächst fand noch kein offizieller Rosenmontag statt, aber in den verschiedenen Karnevalsgesellschaften begann man mit der Aufbauarbeit.

Als erste Bonner Gesellschaft traten am 31.10.1947 die Bonner Stadtsoldaten in Erscheinung, wozu sie zuvor die Genehmigung der Britischen Militärregierung einholen mussten. Am 11. November des Jahres trafen sie sich – zum ersten Mal nach vielen Jahren der Zwangspause – zum 1. Nachkriegsgeneral-Appell, um die Session vorzubereiten. Vor ihrem ersten Auftritt schrieb die Rundschau am 20. Januar 1948: „Mit diesen Kalorien noch Stippeföttche machen? / Fürwahr, ein kühner, optimistischer Entschluss! / Die Nähte werden diesmal sicherlich nicht krachen, / wenn unser Corps mal in die Knie gehen muss. / Denn vorn- und hintenrum ist nicht mehr viel vorhanden, / die Knochen treten leider überall hervor. / Mit Watte kann man zwar vertuschen, was zuschanden, / doch schöner wäre wohl ein echt bebauchtes Corps …

Am 1. Februar 1948 fand die erste Prunksitzung des Stadtsoldaten-Corps nach neun Jahren erzwungener Abstinenz statt. Und die Bonner Bevölkerung vergaß selbst in größter Not nicht jene, denen es noch schlechter ging. So nahmen alleine die Stadtsoldaten in diesen Karnevalstagen sensationelle 10.080,78 Mark an Spenden ein, um sie Rosenmontag an die 346 Bewohner der vier Bonner Bunker zu verteilen. Da die Session so gut gelaufen war, wagte man für das kommende Jahr ein ganz kleines, bescheidenes „Ruusemondagszöchelche“ zu planen. Dabei rechnete man nicht mit dem überwältigenden Echo, dass einem entsprechenden Aufruf gefolgt war: zahllose Gesellschaften und Vereine wollten mit Fußgruppen und Wagen teilnehmen. Aus dieser Begeisterung heraus bildete sich flugs ein Festausschuss, der allerdings schon wenige Monate später, am 21. Dezember 1948 wieder zurücktrat, da der Vaterstädtische Verein (Ehrengarde der Stadt Bonn) wieder in Erscheinung getreten war, um die Organisation des Karnevals zu übernehmen. Zwar konnte 1949 aus finanziellen Gründen doch noch kein Rosenmontagszug stattfinden, der dann aber endlich am 20. Februar 1950 als erster Nachkriegsumzug durchgeführt wurde.

Ein Stück dieses Nachkriegs-Bonns vermittelt das Marschlied der Bonner Ehrengarde Links vom Ring sen mir jebore“, das noch ganz unter dem Eindruck der kriegszerstörten Stadt von Willy Trapp (1923–2013) komponiert wurde. Der gleichermaßen zurück und in die Zukunft schauende Text stammte von Kurt Bertrams (1917–ca. 1992), der zahlreiche schöne Mundartgedichte über Bonn veröffentlicht hat.

Links vom Ring sen mir jebore

Wer dat ahle Bonn jekannt, der wees Bescheed
dat von all der Herrlichkeet net vill mieh steht,
ob dat jetz de Altstadt wor, de echte Kuhlewelt,
oder ooch uns Brökkelche met samt demm Brökkejeld.
Dat alles ess net mieh, wie deht uns datt doch wieh.
Doch kloppe mir ob Holz, un singen voller Stolz:

Links vom Ring sen mir jebore,
links vom Ring do wonne mier.
Echte Bönnsche, die mier woore,
echte Bönnsche blieve mier.
Links vom Ring …

All die ahle Kneipe en der Nöh vom Ring,
wo mer sich esu jähn ens ene pitsche jing,
all die schmahle Jässelche, die Hüüsje drömeröm,
wenn ich dovon e Bildche hätt, ich jöv werwees wat dröm.
Dat alles es net mieh, wie deht uns datt doch wieh
doch kloppe mir ob Holz un singen voller Stolz:

Links vom Ring …

Doch wat hück noch steht, es dat net wundervoll
emme noch am Ring do steht de ahle Zoll.
Wemme de Kanönche och ob emol net mieh soh,
se woren nur en Zick lang fott, jetz stonn se widde do:
Wie deht uns dat doch joht, wie hamme widde Moht.
Dröm kloppe mir ob Holz un singen voller Stolz:

Links vom Ring …



Mit diesem wunderbaren Lied, dass leider allzusehr in Vergessenheit geraten ist, schließt meine Karnevals-Rückschau ab. Hören Sie sich das Lied an, singen sie es mit, geben Sie es ihren Freunden zum Anhören, posten Sie es auf Ihren Facebook-Seiten und verbreiten Sie es. Es wäre schön, wenn es einestages wieder auf den Bonner Straßen als heimliche Hymne gesungen würde. Die Kölner haben ihre Lieder – aber wir Bonner haben sie auch!

Das Kriegerdenkmal in Kessenich

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Kriegerdenkmal Kessenich
Foto: J. Niesen, 2012

In der Kessenicher Nikolausstraße steht ein etwas ungewöhnliches Denkmal in Form eines Rondells, aus dessen Mitte eine große Linde herausragt. Sechs 2,40 m hohe Muschelkalkpfeiler mit quadratischem Grundriss sind auf einem mehrfach gestuften, in der Mitte offenem, runden Sockelring von etwa 4 m Durchmesser kreisförmig in gleichen Abständen angeordnet. Sie tragen einen ringförmigen Architrav, der nach oben mit einem einfachen, weit auskragenden und mit einem Zahnschnitt versehenen Kranzgesims abschließt, so dass eine Gesamthöhe von etwa 3,10 m erreicht wird. Der Architrav trägt als Aufschrift in schlichten Versalien die Worte aus dem Johannes-Evangelium: Niemand zeigt größere Liebe, denn der sein Leben lässt für seine Freunde.

Die Muschelkalkpfeiler zeigen auf ihren drei Außenseiten die Inschriftenreihen der Gefallenen aus den drei letzten deutschen Kriegen mit den dazugehörigen Jahreszahlen. Zudem ist auf einem der Pfeiler zu lesen: Unvergessen bleiben die 110 Vermissten unserer Ortsgemeinschaft auf deren Heimkehr zur Zeit der Errichtung dieses Males noch gehofft wird. Dankbares Gedenken verbindet uns auch mit den Kriegsopfern unserer neuen Mitbürger in Kessenich.
Am oberen Ende der Pfeiler befindet sich jeweils zur Schauseite hin ein in Stein gemeißelter neusachlicher Soldatenkopf mit Wehrmachtshelm. Unten sind die Pfeiler mit schmiedeeisernen Gittern verbunden, die jeweils mittig von einem Eisernen Kreuz geziert werden

Kriegerdenkmal Kessenich
Foto: J. Niesen, 2012
Den Ursprung des Kriegerdenkmals bildet eine kurz nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 für vier gefallene Kessenicher Soldaten gepflanzte Linde, die zunächst Sieges- und später Friedenslinde genannt wurde. 1926 ließ der Kessenicher Kriegerverein mit Spendengeldern aus der Bevölkerung den Baum durch ein Krieger-Ehrenmal umschließen, dass die Namen der 279 Kessenicher Toten des Ersten Weltkriegs trug. Eingeweiht wurde das von Stadtbaurat Behr entworfene und durch die Firma Walbrück & Schlösser ausgeführte Denkmal am 1. Mai 1926 mit einer nächtlichen Feierstunde unter großer Beteiligung der Bevölkerung. Fahnenabordnungen von 25 Vereinen des Kreis-Kriegerverbandes Bonn waren erschienen, ebenso wie der Bonner Oberbürgermeister und Mitglieder der Stadtverwaltung. Der Kessenicher Gesangverein sang „in jeder Beziehung lobenswert“, wie es in der Deutschen Reichszeitung vom 3.5.1926 hieß. Der Instrumentalverein spielte Beethovens Trauermarsch aus der „Erocia“. Bei der anschließenden Kranzniederlegung unter 18 Böllerschüssen spielte ein Bläserquartett das damals obligatorische Soldatenlied „Ich hatt' einen Kameraden“.

Kriegerdenkmal Kessenich, Detail
Foto: J. Niesen, 2012
1956 wurde die Inschrift durch die Namen der 380 im Zweiten Weltkrieg getöteten Kessenicher erweitert und um die Namen der 110 Vermissten ergänzt. Seit 1991 steht das Ehrenmal unter Denkmalschutz.

Das in klarem, neusachlichem Stil erbaute Rondell ist von hoher architektonischer Ästhetik und gehört besonders wegen seiner mehr als 140 Jahre alten Linde zu den schönsten Denkmälern Bonns. Nicht zuletzt wegen der nüchternen und wohltuend unpathetischen Gestaltungsweise verbindet sich hier das Angedenken an die Toten auf einfühlsame Weise mit dem Symbol für Lebenskraft, Wachstum und Segen: dem Baum. Der Zyklus der Natur, von den absterbenden Blättern im Herbst bis zum neuen Grün im Frühling, wird dabei als christliche Hoffnung auf die Auferstehung gedeutet. Der Anblick des Monuments mit der im Inneren stehenden Linde bietet im Wechsel der Jahreszeiten einen ganz besonderen Reiz.



Literatur: Josef Niesen, Bonner Denkmäler und ihre Erbauer, Edition Lempertz, Königswinter 2013.

Alt-St.-Nikolaus in Kessenich

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Foto: Wiki-User Hagman
CC BY-SA 3.0
Die alte Nikolauskirche am Fuße des Venusbergs im Südwesten von Kessenich, heute Alt-St.-Nikolaus genannt, fällt im Gegensatz zu anderen Dorfkirchen durch ihr inhomogenes Äußeres auf. Bereits von außen zeichnen sich bei dieser ungewöhnlichen Kirchenanlage drei zu unterschiedlichen Zeiten errichtete, jeweils von einem Satteldach überfangene Baukörper ab. Den ältesten Teil bildet dabei das barock eingewölbte Hauptschiff mit polygonalem Chorabschluss, über dessen Westgiebel ein einfacher, schieferverkleideter hölzerner Dachturm mit achtseitiger geknickter Pyramide aufragt. Am Fuß des Turms befindet sich ein Kirchenzugang in Form einer einfachen Giebelsturzpforte mit Trachytgewände. Ein zweiter, ebensolcher Zugang ist in der Westwand des südlichen Seitenschiffs eingelassen und mit der Zahl 1750 versehen. Beide unmittelbar angrenzenden Seitenschiffe von unterschiedlicher Breite und Höhe sind innen flachgedeckt, wobei das südliche an seiner Langseite von vier Rundbogenfenstern durchbrochen ist, das nördliche aber von zwei Rundbogen- und einem Rechteckfenster. Am östlichen Ende des kürzeren nördlichen Schiffs befindet sich in einem niedrigeren Anbau die Sakristei, die sich durch ein Pultdach deutlich vom Seitenschiff abhebt.

Foto: Wiki-User Hagman
CC BY-SA 3.0
Die Kessenicher St. Nikolauskirche wird bereits in der „Historia universalis de Ubiorum Ara seu Bonna" des Kanonikus Adolph Sigismund Burman von 1656 erwähnt, der schreibt sie sei „ante 300 circiter annos a nobilibus ibidem habitantibus Schenkh nominatis fundatam“ - also vor etwa 300 Jahren (Mitte des 14. Jahrhunderts) von vornehmen Einwohnern namens Schenkh gegründet worden. Weiter heißt es, Erzbischof Salentin von Isenburg habe 1571 der Kirche einen Taufbrunnen („fons Baptismi“) bewilligt.

Dass die Kirche in ihrem Kern wesentlich älter ist, konnte baugeschichtlich jedoch bei Teilgrabungen im Jahre 1968 festgestellt werden. Damals wurden Fundamente einer schmalen Saalkirche von etwa 5 x 10 Metern mit Bruchstücken römischer Ziegeln nachgewiesen, die aufgrund der Mauerwerkstechnik bereits in das 11. Jahrhundert datiert werden konnten. Ein bis dahin immer wieder vermuteter karolingischer Vorgängerbau ließ sich allerdings archäologisch nicht nachweisen. Ebensowenig ein sehr wahrscheinlich zur Saalkirche gehörender Rechteckchor.

Foto: Wiki-User Hagman
CC BY-SA 3.0
Gesichert ist, dass dem frühen Bau im 12. Jahrhundert eine erste Erweiterung durch die Anfügung des nördlichen Seitenschiffs folgte. Interessanterweise fehlt dieser Anbau auf einer Darstellung von 1569. Das nur 3 Meter breite nördliche Seitenschiff wurde in seiner heutigen Gestalt eindeutig am Ende des 16. Jahrhunderts errichtet. Der dreiseitige Chorabschluss des Hauptschiffs wiederum stammt aus dem 14. Jahrhundert, die Sakristei dürfte im 17. Jahrhundert ausgebaut worden sein. Als letzte größere Baumaßnahme wurden Mitte des 18. Jahrhunderts das südliche Seitenschiff und möglicherweise auch der zur Kirche gehörende Turm errichtet. Die älteste Glocke stammt von 1791. Das Taufbecken von 1573 weist auf eine zunehmende Unabhängigkeit von der Bonner Mutterpfarre St. Martin hin, wo eigentlich die Taufen für den Ort Kessenich stattfanden. Diese Martinskirche, ein Rundbau aus dem 9. Jahrhundert, befand sich unmittelbar vor der Münsterkirche, am heutigen Martinsplatz, wo jetzt der Umriss der Kirche im Pflaster sichtbar ist. Von Alt-St.-Nikolaus zogen die Kessenicher bei Hochzeiten und Taufen hinunter ins Bonner Tal bis zur eigentlichen Pfarrkirche. Noch heute ist der Straßenverlauf anhand des deswegen sogenannten „Bonner Talwegs“ nachvollziehbar.

Am 19.9.1891 ging das Patrozinium mit der Weihe der neu errichteten Pfarrkirche auf diese über und die alte Kirche wurde geschlossen.
 

Johannes Maria Verweyen, Philosoph, Dichter und NS-Widerstandskämpfer.

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J. M. Verweyen
Der bedeutende Bonner Philosoph, Dichter und Widerstandskämpfer Johannes Maria Verweyen wurde am 11. Mai 1883 in Till bei Kleve (heute Bedburg-Hau) geboren, wo er auf einem Bauernhof aufwuchs. Er besuchte zunächst das Königliche Gymnasium zu Kleve, dann ab 1896 das Bischöfliche Collegium Augustinianum Gaesdonck bei Goch und zuletzt ab 1899 das Hohenzollern-Gymnasium in Düsseldorf, wo er 1902 sein Abitur ablegte. Danach studierte er Philosophie, Psychologie, Natur- und Kulturwissenschaften an den Universitäten in Freiburg (Breisgau), Leipzig, Berlin, Straßburg und Bonn. Hier, an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, hörte er vor allem die Vorlesungen des bedeutenden Bonner Philosophen Adolf Dyroff.


Adolf Dyroff
1905 wurde Verweyen an der Bonner Universität mit einer Dissertation zu „Ehrenfried Walter von Tschirnhaus und die Philosophie seiner Zeit“ in Philosophie promoviert. 1908 erfolgte seine Habilitation und 1918, nachdem er einige Jahre als Privatdozent gelehrt hatte, seine Ernennung zum außerordentlichen Professor. Seine Vorlesungen brachten Rekordbesuche, wie beispielsweise gezählte 550 Besucher zu seiner Vorlesung über „Willensfreiheit“. Bald schon war Verweyen einer der meistgehörten Philosophen seiner Zeit. Neben seiner Lehrtätigkeit war er zudem als Dichter, Komponist und Schriftsteller tätig.

In religösen Dingen war Verweyen lange Zeit ein Suchender. Aus dem Katholizismus kommend, doch zeitweise Anhänger der Freimaurerei und des Monismus, wurde er 1927 Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Adyar (1928 deren Generalsekretär der Deutschen Sektion). Ein Jahr später ließ er sich durch James Ingall Wedgwood zum Priester der Liberalkatholischen Kirche weihen. Dann, im Mai 1935, hatte Verweyen in Rom ein Erweckungserlebnis während er der Heiligsprechung von Thomas Morus und John Fishers beiwohnte, so dass er sich am 2. Februar 1936 wieder zum römisch-katholischen Glauben bekannte. Dieses Bekenntnis wog schwer, da es zu einer Zeit geschah, als die katholische Kirche bereits der Verfolgungen und dem Druck des nationalsozialistischen Regimes ausgesetzt war. Dennoch veröffentlichte Verweyen seinen Wiedereintritt im Bonner Kirchenblatt und bedauerte dort „seinen Austritt aus der katholischen Kirche als den größten Irrtum seines Lebens“.

Dem Nationalsozialismus stand Verweyen von Beginn an ablehnend gegenüber. Wegen seiner unablässigen, offenen Kritik an den Ideen der Nazis entzog man ihm 1934 zunächst die Lehrerlaubnis. Da er aber weiter öffentliche Vorträge hielt, verbot man 1936 – nach einem Vortrag gegen die nationalsozialistische Rassentheorie – zusätzlich seine gesamten Schriften. Verweyen selbst wurde von der Gestapo unter strenge Überwachung gestellt und am 27. August 1941 während einer Vortragsreise, mit der er sich nun seinen Lebensunterhalt verdiente, in Frankfurt am Main von der Gestapo verhaftet und in das Berliner Polizeigefängnis Alex überführt. Ohne Anklage oder Gerichtsverfahren verschleppte man ihn im Mai 1942 in das KZ Sachsenhausen. Verweyen ließ sich aber auch dort nicht brechen, betätigte sich als Seelsorger für seine Mithäftlinge und hielt selbst im Lager weiter seine Vorträge. Bei der Evakuierung des Lagers am 4. Februar1945 meldete er sich freiwillig zum Transport nach Bergen-Belsen, wo er am 7. Februar 1945 ankam und am 21. März 1945 – kurz vor der Befreiung – an Fleckfieber verstarb.

In Endenich wurde am 24. März 1960 eine Straße nach Verweyen benannt. Die katholische Kirche ehrt ihn als niederrheinischen Märtyrer.
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