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Rudolf Carl Julius Schultze (1854-1935), Bonner Stadtbaurat

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(Dieser Text basiert auf meinem Artikel für das Portal Rheinische Geschichte des LVR: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/S/Seiten/RudolfCarlJuliusSchultze.aspx)

Mit diesem Beitrag möchte ich mich auf die Spuren des ehemaligen Bonner Stadtbaumeisters Rudolf Carl Julius Schultze begeben, der heute leider fast vergessen und nur noch in Fachkreisen bekannt ist. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert war er maßgeblich am Ausbau der Stadt Bonn nach modernen Maßstäben beteiligt und hat sich als Stadtbeamter und Architekt große Verdienste erworben. Viele seiner Spuren sind heute noch im Stadtbild zu finden, wenn auch manche Gebäude durch Krieg oder Abrisswut unwiederbringlich verloren gegangen sind.

Alte Rheinbrücke, gesprengt 1945.
Foto um 1930, eigene Sammlung.
Alte Rheinbrücke, Blick von der Bonner Seite,
Ansichtskarte, eigene Sammlung.

Geboren wurde er am 30.4.1854 als ältester Sohn des Postdirektors Julius Schultze (gestorben 1895) in Berlin, wo er seine Kindheit und Jugend verlebte. Mit 21 Jahren nahm er an der Berliner Bauakademie, die 1879 in die Königlich Technische Hochschule überging (seit 1946 Technischen Universität Berlin), ein Architekturstudium auf. Im Matrikelbuch ist seine Immatrikulation für den 21.10.1875 festgehalten. Prägende Lehrer wurden für ihn Johann Eduard Jacobsthal (1839–1902) und der Schinkel-Schüler Johann Heinrich Strack (1805–1880). Nach acht Semestern beendete Schultze sein Studium am 16.9.1879 mit der Ersten Staatsprüfung. Danach war er als Regierungs-Bauführer bei der Post-Bauverwaltung in Berlin und Erfurt tätig, bis er, nach Ablegung der Zweiten Staatsprüfung, die in der Regel nach zweijähriger praktischer Vorbereitung erfolgte, im März 1884 als Regierungsbaumeister bei der Hochbauverwaltung des Berliner Magistrats eintrat. Vier Jahre später wurde er zum Stadt-Baudirektor von Köln gewählt, wo ihn der dortige Beigeordnete Wilhelm Spiritus (1854–1931) in der städtischen Verwaltung kennen und schätzen lernte. Aufgrund der Fürsprache von Spiritus – seit 1891 Oberbürgermeister von Bonn – und seiner eigenen hervorragenden Leistungen, wählte die städtische Baukommission Schultze 1895 unter 60 Bewerbern für die freiwerdende Stelle eines Bonner Stadtbaumeisters aus, so dass am 13.12.1895 die Stadtverordnetenversammlung von Bonn einstimmig seine Berufung beschloss. Am 1.2.1896 trat Schultze seine neue Stelle an und erhielt die Amtsbezeichnung „Stadtbaurat“. Von nun an unterstand ihm das gesamte Hoch- und Tiefbauwesen Bonns, zu einer Zeit, als die städtische Bauverwaltung sich erst im Aufbau befand. Hatte die gesamte Bauverwaltung bis 1871 noch ausschließlich aus dem Stadtbaumeister bestanden, so war die Zahl der Mitarbeiter bis zu Schultzes Amtsübernahme wenigstens auf 32 angestiegen. Erst unter dem neuen Amtsinhaber stieg die Anzahl der Beschäftigten auf 83 Personen an, unterteilt in die Abteilungen Hochbau, Tiefbau, Baupolizei, Vermessungsbüro, Stadtgärtnerei und Baubüro, bis sie kriegsbedingt nach 1914 wieder deutlich abnahm.

Stadthalle Gronau ("Bierkirche"),
Ansichtskarte um 1910, eigene Sammlung
Stadthalle Gronau ("Bierkirche"),
Ansichtskarte um 1910, eigene Sammlung

In das erste Amtsjahr Schultzes fiel die Planung des gewaltigen Brückenbauprojekts der ersten Bonner Rheinbrücke, die am 17.12.1898 als größte Bogenbrücke der Welt dem Verkehr übergeben werden konnte. Daneben war der Ausbau des Straßennetzes von Beginn an ein wesentliches Anliegen des Stadtbaurats. Bei einer Zahl von 44.558 Einwohnern war nur der geringste Teil der Bonner Straßen gepflastert, die Bürgersteige unreguliert und zum Großteil unbefestigt, die Straßendämme der äußeren Stadtteile bestanden aus losem Schotter. Die unterirdische Kanalisation war höchst unvollständig und in der Vergangenheit planlos und zufällig entstanden. Ein Kanalplan fehlte der Stadt ebenso wie ein voraussehender Bebauungsplan. Nur 10 Prozent der Häuser waren an das bestehende Kanalsystem angeschlossen.

Ehemaliges Lyzeum in der Loestraße,
Foto von Wiki-User Hagman
Es ist das Verdienst Schultzes, bis zur Eingemeindung der Vororte 1904, für einen modernen Kanalausbau mit Anschluss aller Häuser an das Kanalnetz gesorgt zu haben. Im Zuge der Beseitigung der offenen Rinnsteine entstand eine saubere Straßenbefestigung mit Bürgersteigen, abgeteilten Bordsteinkanten und soliden Fahrdämmen in fugenloser Asphaltpflasterung. Straßendurchbrüche in der Altstadt sowie der Ausbau der breiten, von der Baumschulallee ausgehenden Ringstraße (heute Augustusring, Kaiser-Karl-Ring, Hochstadenring und Wittelsbacherring) sorgten für eine deutlich verbesserte Erschließung der Nordstadt. Im Süden war der Ausbau der Hausdorffstraße für die Anbindung des neu eingemeindeten Orts Kessenich von erheblicher Bedeutung. Die erstmals von der Stadt erlassenen zahlreichen Bebauungs- und Fluchtlinienpläne dieser Zeit gehen auf Schultze zurück. Ebenso die Anlage eines eigenen städtischen Elektrizitätswerks auf dem Gelände der ehemaligen Gasanstalt (1898), während die Unterstation des Werks in einem Neubau auf dem Mühlheimer Platz (heute Bottlerplatz) eingerichtet wurde. Ein Jahr darauf übernahm die Stadt auch die Wasserwerke in eigener Regie aus den Händen der Rheinischen Wasserwerksgesellschaft.

Karlschule, Ansichtskarte um 1925,
eigene Sammlung
Ehem. Feuerwache Maxstraße
Ansichtskarte um 1910,
eigene Sammlung


Marksteine im städtische Hochbauwesen bildeten Schultzes eigene architektonischen Entwürfe. Unglücklicherweise sind viele seiner Gebäude heute untergegangen, teils durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, teils – was noch schlimmer wiegt – durch die Abrisswut der 1960er und 1970er Jahre, in denen man der historischen Bausubstanz wenig Beachtung entgegen brachte. Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehörten die Erweiterung des Schlachthofs durch Vergrößerungen der bestehenden Gebäude sowie den Neubau eines geräumigen Kühlhauses und einer Viehmarktanlage mit Gleisanschlüssen. Besonders die architektonisch hervorgehobenen Turmbauten sollten die Baugruppe im nördlichen Industrieviertel Bonns angemessen zur Geltung bringen. Ebenso wurde das städtische Gymnasium an der Doetschstraße nach Plänen Schultzes erweitert (1897; 1944 zerstört). Drei bedeutende Schulneubauten waren die Nordschule (1903) an der Rheindorfer Straße, die Karlschule (1909) an der Dorotheenstraße und das städtische Lyzeum an der Loestraße (1915, heute Clara-Schumann-Gymnasium), die wegen ihrer großzügigen Bauweise als „Schulpaläste“ galten. Fortschrittlich und modern war auch der Bau der Fortbildungsschule an der Bornheimer Straße (1908). Herausragend in ihrem Baustil war die 1901 in den Formen der deutschen Rennaissance als Ausdruck nationalen Bürgerstolzes errichtete Stadthalle in der Gronau (1944 zerstört, 1962 abgetragen), wegen ihres leicht sakralen Aussehens von der Bonner Bevölkerung liebevoll „Bierkirche“ genannt. Ganz im Gegensatz dazu war der städtische Fuhrpark (1903) an der Ellerstraße mit seinen Stallungen, dem Wagenhaus und der Verwalterwohnung architektonisch einem niedersächsischen Bauernhof nachempfunden. Neben der Feuerwache in der Maxstraße (1905, 1973 abgerissen) mit ihrem hoch aufragenden Staffelgiebel bildete besonders das 1906 errichtete Viktoriabad – das erste Hallenbad Bonns – ein Kleinod der Bonner Baugeschichte, an dem sich maßgeblich der Bildhauer Karl Menser (1872–1929) beteiligt hatte. 1944 wurde der architektonisch und künstlerisch wertvolle Jugendstilbau beschädigt und 1969 für einen Neubau ganz abgerissen. Die 1903 für die Universität errichtete Augenklinik in der Wilhelmstraße wurde ebenfalls im Krieg zerstört.

Kaiser-Wilhelm-Denkmal Venusberg,
Foto: Josef Niesen
Kaiser-Wilhelm-Denkmal,
Foto: Josef Niesen

Neben diesen Zweckbauten schuf Schultze als Ausdruck seiner nationalen Einstellung ein dem damaligen Zeitgeschmack geschuldetes Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Venusberg, das am 23.3.1897 anlässlich des 100. Geburtstags des verstorbenen Kaisers in einer pompösen, als nationales Fest gestalteten Feierstunde eingeweiht wurde. Die als sakrales Natur-Denkmal gestaltete Anlage im neuromanischen Stil mit ihrer eigenwilligen, aus einer Vielzahl unterschiedlich hoher Basaltstein-Säulen zusammengesetzten Pyramide, ist nur aus der Zeit heraus zu verstehen und stößt heute in ihrem Pathos eher auf Unverständnis.

Viktoriabad, Männerschwimmhalle
Viktoriabad, Vestibül

Als Verwaltungsbeamter und Kommunalpolitiker erwarb sich Schultze – am 8.11.1901 zum Beigeordneten gewählt und am 4.10.1904 mit der Vertretung des Oberbürgermeisters an erster Stelle beauftragt – große Verdienst um die Eingemeindung der Bonner Vororte. Sein lebhaftes Interesse an der Stadt manifestierte sich 1919 in seinem leider nie veröffentlichten Aufsatz „Die baugeschichtliche Planentwicklung der Stadt Bonn“ sowie in mehreren in den Bonner Jahrbüchern veröffentlichten Fundberichten seiner Ausgrabungen. Wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Belange der Stadt erhielt Schultze hohe Auszeichnungen wie 1907 den Roten Adlerorden IV. Klasse und 1917 den Titel „Geheimer Baurat“. Seit 1919 im Ruhestand, verlieh im die Philosophische Fakultät der Universität Bonn im selben Jahr wegen seiner Verdienste um die römisch-germanische Forschung die Ehrendoktorwürde. 1929 ehrte die Stadt Bonn ihn mit einem Eintrag ins Goldene Buch. Am 20.6.1935 verstarb der gebürtige Berliner in seiner zur Heimat gewordenen Stadt Bonn. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Poppelsdorfer Friedhof.

Seine Frau, Johanna Schultze, geborene Grosse (1857–1931), hatte er um vier Jahre überlebt. Sein Sohn Fritz (1890–1918), das einzige Kind, war bereits 1918 im Ersten Weltkrieg als Oberleutnant des Preußischen Fußartillerie-Regiments Nr. 9 in Buzancy bei Soissans gefallen.


Werke in Bonn (Auswahl):

um 1895 - Erweiterung des Schlachthofs, Weststadt.
1897 - Kaiser-Wilhelm-Gedächtnismal, Venusberg.
1897 - Städtisches Gymnasium, Doetschstraße, 1944 untergegangen.
1901 - Stadthalle, Gronau, 1944 untergegangen.
1903 - Augenklinik, Wilhelmstraße, 1944 untergegangen.
1903 - Städtischer Fuhrpark, Ellerstraße.
1903 - Nordschule, Rheindorfer Straße.
1905 - Feuerwache, 1973 abgerissen.
1969 - Viktoriabad, Franziskanerstraße, 1944 beschädigt, 1969 abgerissen.
1908 - Fortbildungsschule, Bornheimer Straße (heute Pstalozzischule).
1909 - Karlschule, Dorotheenstraße.
1915 - Städtisches Lyzeum, Loestraße (heute Clara-Schumann-Gymnasium).

Quellen
Rudolf Schultze, Die Baugeschichte der Stadt Bonn von 1815–1915, Bonn 1919, Maschinenschrift im Stadtarchiv Bonn (Signatur I e 201).

Literatur
Höroldt, Dietrich/van Rey, Manfred (Hg.), Bonn in der Kaiserzeit 1871–1914, Bonn 1986.
Höroldt, Dietrich (Hg.), Geschichte der Stadt Bonn, Band 4, Bonn 1989.
Niesen, Josef, Bonner Denkmäler und ihre Erbauer, Königswinter 2013.

Bonns erstes Hallenbad: das Viktoriabad.

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Heute ist es selbstverständlich, dass jede mittlere und größere Stadt eine oder mehrere öffentliche Badeanstalten besitzt, wobei es in Bonn heute ganze fünf Freibäder, drei Hallenbäder und ein kombiniertes Hallen- und Freibad gibt. Im 19. Jahrhundert sah das jedoch noch ganz anders aus.

Um das wilde und nicht ungefährliche Schwimmen im Rhein in geordnete und vor allem sichere Bahnen zu leiten, ließ Oberbürgermeister Johann Martin Joseph Windeck nur knapp ein Jahr nach Amtsantritt einen Badeplatz in der Gronau errichten. Die neue Badeverordnung wurde am 14. Juni 1818 im Bonner Wochenblatt bekanntgegeben: „Der Oberbürgermeister der Stadt Bonn macht andurch bekannt, daß in der Gronau an der sogenannten großen Pappelweide der Badeplatz ausgewählt und mit Pfählen bezeichnet worden ist. Außerhalb diesem Platze ist ist (sic!) es unter Polizeystrafe verboten sich im Rheine zu baden. Die Polizey-Agenten und Feldschützen sind beauftragt, auf den strengsten Vollzug zu machen, und jede Zuwiderhandlung dem Polizeigerichte anzuzeigen

Männerschwimmhalle des Viktoriabades
Eine feste Badeanstalt erhielt Bonn erst 1826, und zwar am rechten Rheinufer, um den Treidelverkehr auf dem Leinpfad nicht zu behindern, wo die Schiffe an langen Leinen durch Pferde stromaufwärts gezogen (getreidelt) wurden. Später eröffnete die erste „Städtische Badeanstalt“ wiederum in der Gronau, wo sie den Schiffsverkehr nicht störte. Hier erlernte ab 1877 auch der Sohn Kaiser Friedrichs III. und Prinzessin Victorias von Großbritannien, der spätere Kaiser Wilhelm II, das Schwimmen.

Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Leinpfad durch die aufkommende Dampfschifffahrt seine Bedeutung verlor, eröffnete 1863 eine linksrheinische „Schwimm- und Badeanstalt“ auf der Höhe der ersten Fährgasse. Sie bestand allerdings nicht aus einem festen Gebäude, sondern aus einem am Ufer ankernden Schiff mit entsprechenden Aufbauten, die als Umkleidekabinen genutzt wurden. Die Badezone wurde durch Schwimmbalken vor dem Schiff markiert. 1873 eröffnete die erste Anstalt nur für Frauen auf einem solchen Badeschiff. Im Volksmund grassierte damals für moralisch zweifelhafte Frauen der Ausspruch „die jeht schwemme“, weil man glaubte, für eine echte Dame würde sich das nicht schicken.

Frauenschwimmhalle des Viktoriabades
Bis zur Jahrhundertwende entstanden auf diese oder ähnliche Weise mehrere Badeanstalten in Bonn. Doch bis zum ersten Bonner Hallenbad sollte es noch bis 1906 dauern. Zwar wandte sich bereits 1898 der Vorstand des „Liberalen Bürgervereins“ an die Stadtverwaltung mit der Bitte, den Bau eines Bades „ernstlich ins Auge zu fassen“, doch nahm die Suche nach einem geeigneten Platz noch mehrere Jahre in Anspruch. Erst 1902 erwarb die Stadt das Gelände des ehemaligen Franziskanerklosters an der Franziskanerstraße und begann mit den Umbauarbeiten. Dabei mussten vor allem die dort vorhandenen Betriebswerkstätten der Gas- und Wasserwerke verlegt werden. Trotz erheblicher Mehrkosten entschloss man sich bei der Planung, nicht auf eine separate Schwimmhalle für Frauen zu verzichten, da die „notwendige Förderung der Gesundheitspflege gerade beim weiblichen Geschlecht“ diesen Aufwand rechtfertige. Der erste Spatenstich erfolgte am 24. April 1903; die Eröffnung des neuen Bades fand am 1. Februar 1906 statt. Es trug den Namen Viktoriabad nach der Schwester des Kaisers, Viktoria zu Schaumburg-Lippe, die auch zu den Ehrengästen zählte. Daneben vertreten waren ihr Gatte, „Seine Durchlaucht“ Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe, der Oberpräsident der Rheinprovinz, der Regierungspräsident mit mehreren hohen Beamten, Vertreter der Stadt Köln, der Vorsitzende des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, der Kurator und der Rektor der Universität, Professoren und Honoratioren und nicht zuletzt Oberbürgermeister Wilhelm Spiritus mit sämtlichen Beigeordneten und vielen Stadtverordneten, wie stolz die Bonner Zeitung vom 2. Februar 1906 vermeldete. Vor allem waren die „Vertreter der hygienischen Wissenschaft“ und „sämtliche Schulärzte“ anwesend. Der Schöpfer des Bades, der bereits durch einige hervorragende Bauten in Erscheinung getretene Bonner Stadtbaurat Rudolf Schultze (1854-1935), hielt im Vestibül die Eröffnungsrede. Anschließend veranstaltete der kurz zuvor gegründete Bonner Schwimmverein mit 22 Mann ein „prächtiges Schauschwimmen“ mit „Reigen- und Figurenschwimmen“ sowie „mit größter Exaktheit“ ausgeführten Kunstsprüngen.

Oben rechts in der Ecke
sieht man die Dächer der
beiden Schwimmhallen
Viktoriabad von oben

Da das Viktoriabad im Hinterhof des Grundstücks lag, besaß es keine eigentliche Schauseite, was der Grund dafür sein mag, dass sich kaum Fotos erhalten haben. Dennoch bestand es aus einem imposanten Gebäude-Ensemble, dass sich um zwei Schwimmhallen gruppierte. Schon der separat an der Franziskanerstraße liegende Eingang war gigantisch. Das tempelartige Portal wurde von zwei flankierenden karyatidenähnlichen Figuren getragen, die halb als Mensch und halb als Wasserwesen mit Fischflossen dargestellt waren. Über ihnen schwebten zwei Putten, die das Bonner Stadtwappen trugen. Geschaffen hatte die Skulpturen – wie auch den gesamten ornamentalen und figuralen Schmuck im Inneren des Gebäudes – der aus Köln stammende Bildhauer Karl Menser (1872–1929), der bereits 1905 die prächtige Fassade der Bonner Feuerwache in der Maxstraße entworfen hatte.

Eingangsportal an der
Franziskanerstraße
Der sorgfältigen Gliederung des verputzen Backsteinbaus entsprach die gediegene und stilvolle Innenausstattung in der Kunstsprache des Historismus. Das gotisch gewölbte Vestibül mit seinen Deckenbemalungen muss ein prachtvolles Bild gegeben haben. Von dort aus hatte man Zutritt zu allen Baderäumen. Rechts lag die riesige Männerschwimmhalle mit einem Wasserbecken von 230 Quadratmetern Größe und 72 baldachinartigen Umkleideräumen. Die mehrgeschossige Halle in neo-romanischem Stil gemahnte an alte römische Bäder, ebenso wie der mit einem pompejianischen Fresko geschmückter Gang, der zu ihr führte. Äußere Umgänge waren für Besucher des Bades vorgesehen, innere für die Badegäste. Auf der Galerie im ersten Geschoss befand sich beidseitig je eine Reihe mit abwechselnden Säulen und Pfeilern, die die großen Rundbögen der Wände trugen. Die riesigen Glasfenster der Giebelwand ließen Licht in den Raum fluten. Das Becken war mit grün-blauen Platten belegt, als Wasserzulauf diente der aufgerissene Rachen eines Löwen.

Die Schwimmhalle der Frauen war mit dem 140 Quadratmeter großen Becken und 32 „Auskleidezellendeutlich kleiner und ganz im orientalischen Stil gehalten. Die Ausschmückungen müssen prächtig gewesen sein und die von Arabesken und Zierborden gegliederten Wände in farbigster Pracht bemalt. An der galeriefreien Seite befanden sich Bronze-Reliefs mit den Darstellungen von badenden Frauen.

Im Obergeschoss wies das Viktoriabad sogenannte „römisch-irische Bäder“ mit einem großen Ruheraum und Kammern für Dampf- und Heißluftbäder auf. Daneben gab es einen „Brauseraum mit Halbkuppelnischen“ und einen Massageraum. Im Erd- und Untergeschoss wiederum befanden sich 30 Wannenbäder mit glasierten Kachelwannen, 11 Zellen für Brausebäder und die Waschküche. Die gesamten Baukosten beliefen sich auf die stolze Summe von 638.000 Mark.

Die Wichtigkeit dieses ersten Bonner Hallenbades lag keineswegs nur im Schwimmsport begründet, sondern und vor allem – und das in einer Zeit, in der nur wenige Haushalte über ein eigenes Badezimmer verfügten – in der Gesundheitsvorsorge. Das erklärt auch die Anwesenheit von Gesundheitspolitikern, Ärzten und Hygienikern bei der Eröffnung, die mit größtem Pomp zelebriert wurde. Die Bonner Zeitung widmete der Beschreibung der Feierlichkeiten nicht um sonst fast eine ganze Seite.


Vestibül des Viktoriabades
Der 8. Februar 1906 war der erste Tag, an dem das Bad für die Öffentlichkeit zur Verfügung stand. 300 Besucher wurden an diesem Tag gezählt, im gesamten Eröffnungsmonat waren es über 8.000! Die Regeln für die Benutzung des Schwimmbads waren streng. Beispielsweise durfte die Benutzung der Schwimmhalle „einschließlich des Aus- und Ankleidens 50 Minuten nicht überschreiten“. Verboten war zudem „das Baden ohne Badehosen oder Schwimmanzug (...) ebenso das Betreten des äußeren Umganges in halb oder ganz entkleidetem Zustande“. Nicht zugelassen zu den Schwimm- und Heilbädern wurden„unsaubere, mit Hautausschlag, Haarkrankheiten oder anderen Anstoß erregenden Krankheiten behaftete Personen“. Auch das Personal unterlag strengen Auflagen. Da hieß es: „Das Trinken von Branntwein während des Dienstes hat die sofortige Entlassung zur Folge. Das Rauchen, Lesen von Zeitungen und Büchern, sowie die Verrichtung von Privatarbeiten in der Anstalt ist den Angestellten verboten.“ Und weiter: „Das Schneiden von Hühneraugen der Badegäste ist den Angestellten während des Dienstes untersagt.“ Wobei man davon ausgehen kann, dass es woanders üblich war, dies gegen ein entsprechendes Aufgeld zu tun.

In den kommenden Jahren kam es zu einer umfassenden Elektrifizierung und bereits 1913 wurde im Eingangsbereich ein elektrischer Automat für den Eintrittskartenverkauf aufgestellt. Die großen Teppiche, die im Viktoriabad auslagen, wurden ab 1914 mit einem elektrischen Staubsauger des Typs Econo gereinigt, der die Stadt 500 Reichsmark gekostet hatte. Schon 1912 hatte man ein sogenanntes „Lichtbad“ errichtet, bei dem der Badegast in einem verschlossenen Apparat durch 35 Glühbirnen, verstärkt durch Spiegel, zum Schwitzen gebracht wurde.

Dächer der Schwimmhallen mit dem
Schornstein des Heizwerks
Viktoriabad nach dem
Bombenangriff von 1944

Während des Ersten Weltkriegs stockte der Betrieb des Bades. Stand es zunächst noch verwundeten Soldaten kostenfrei zur Verfügung, musste der Betrieb jedoch später wegen Kohlemangels ganz eingestellt werden. Nach dem Krieg wurde das Bad von den Besatzungstruppen konfisziert und für die Öffentlichkeit gesperrt. Erst wegen der anhaltenden Proteste der Bevölkerung wurde es nach und nach wieder freigegeben. Die in den 1920er Jahren einsetzende Inflation verhinderte jedoch einen rentablen Badebetrieb und das Bad stand nur noch stundenweise zur Verfügung. 1923, auf dem Höhepunkt der Hyperinflation, musste ein Badegast gar 2.500 Milliarden Reichsmark zahlen.

Fensterfassade des neuen Viktoriabades am Belderberg,
Foto: Wiki-User: Hageman
1944 wurde auch das Viktoriabad durch die verheerenden Fliegerangriffe des Zweiten Weltkriegs in Mitleidenschaft gezogen. Es wies zwar starke Schäden auf, gänzlich zerstört war es aber nicht, so dass man es nach dem Krieg für den Schwimmbetrieb wieder herrichten konnte. Am 11. November 1947 erfolgte die Wiedereröffnung.

Fensterfassade von innen,
Foto: Volker Lannert, Bonn

 Da das Viktoriabad dem gewaltigen Bevölkerungszuwachs der 1950er und 1960er Jahre nicht gewachsen war und ein Ausbau wegen des begrenzten Platzangebots nicht in Frage kam, entschloss sich der Stadtrat 1969, den alten Bau komplett abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzten. Eingeweiht wurde er am 2. Februar 1971. Der Bau war nun etwas weiter östlich, mit der Langseite am Belderberg errichtet worden; der Eingang lag nach wie vor in der Franziskanerstraße. An der Kopfseite des 25 x 16,67 Meter großen Schwimmbeckens befanden sich ein Ein-Meter-Sprungbrett sowie eine Drei-Meter und eine Fünf-Meter-Plattform. Das Lehrbecken war 16,67 x 8 Meter groß. Der einzige Schmuck des ansonsten sehr funktional gehaltenen Bades bildete die 30 x 7,60 Meter große farbige Fensterfassade an der Ostseite. Anders als oft behauptet handelt es sich aber nicht um ein Glasfenster, sondern um farbig gestaltete Kunstharzplatten, hergestellt von der Kölner Firma Botz und Miesen. Entworfen hatte es der bedeutende Architekt, Bildhauer und Glasmaler Gottfried Böhm, was 2013 dazu führte, dass das Fenster in die Denkmalliste der Stadt Bonn eingetragen wurde, obwohl das Viktoriabad selbst bereits 2010 seinen Betrieb dauerhaft eingestellt hat.

Nun steht der Abriss bevor.

Quellen:
Bonner Wochenblatt vom 14.6.1818
Bonner Zeitung vom 2.2.1906.
General-Anzeiger Bonn vom 11.4.2013.

Literatur:
Schloßmacher, Norbert u. a., Bonn in Bewegung. Eine Sportgeschichte, Essen 2011.
Höroldt, Dietrich/van Rey, Manfred, Bonn in der Kaiserzeit 1871–1914, Bonn 1986.
Höroldt, Dietrich, Bonn ehemals, gestern und heute, Stuttgart 1983.
Schenkelberg, Lothar/Tiesel, Klaus, Bonn. Ein verlorenes Stadtbild, Gudensberg-Gleichen 1999.
Bothien, Horst-Pierre/Stang, Erhard, Bonn im Bombenhagel, Kassel 2004.

29.7.1856: Todestag Robert Schumanns

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Robert Schumann
Robert Schumann, der später so berühmt gewordene Komponist, wurde am 8. Juni 1810 als jüngstes von fünf Kindern eines Buchhändlers in Zwickau geboren. Schon im Alter von sieben Jahren erhielt er sowohl praktischen Klavier- als auch musik-theoretischen Unterricht bei Johann Gottfried Kuntsch, dem Organisten der Zwickauer Marienkirche. und schuf, aufgrund seiner beachtlichen Begabung, bereits seit seinem 11. Lebensjahr eigene Kompositionen. Dennoch begann er mit 18 Jahren dem Wunsch seiner Mutter gemäß – der Vater war zwischenzeitlich verstorben – ein (ungeliebtes) Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig und Heidelberg, dass er aber schon nach zwei Jahren abbrach, um sich ganz der Kunst zu widmen. Zunächst schwebte ihm noch eine Karriere als Klaviervirtuose vor, weshalb er bei Friedrich Wieck weiteren Klavierunterricht nahm. An die Mutter schrieb er am 30. Juli 1830 hoffnungsfroh: „Folg' ich meinem Genius, so weist er mich zur Kunst, und ich glaube zum rechten Weg.“ Auch sein Lehrer Wieck versprach, ihn innerhalb von drei Jahren zu einem der größten Pianisten auszubilden, doch musste Schumann den Gedanken an eine Karriere wegen eines Handleidens bald aufgeben. Seitdem konzentrierte er sich ganz und gar auf das Komponieren und die Musiktheorie. 1834 gründete er mit Freunden in Leipzig die „Neue Zeitschrift für Musik“, die er bis 1844 als Redakteur leitete und zum wichtigsten Organ des musikalischen Fortschritts in Deutschland machte.

Clara und Robert Schumann
Seit Mitte der 1830er Jahre hatte sich eine Liebesbeziehung zu Clara Wieck, der Tochter seines Lehrers entwickelt, die Schumann gegen den Willen des Vaters 1840 heiratete. An ihrer Seite begann sein Aufstieg als Komponist sowohl von Klavierwerken, als auch von Vertonungen zeitgenössischer Dichtung sowie von Orchester- und Kammermusikwerken.

Die 1819 in Leipzig geborene Clara Wieck hatte bereits mit fünf Jahren eine exzellente musikalische Ausbildung durch ihren Vater und Kompositionsunterricht durch den damaligen Thomaskantor Theodor Weinlig erhalten und galt, als Robert sie heiratete, bereits als bedeutendste Pianistin Europas. Sie hatte 1830 sogar in Weimar vor Goethe gespielt, der ihr mit seinem Gedicht „Clara Wieck und Beethoven“ ein bleibendes Denkmal setzte. Trotz ihrer zehn (!) Schwangerschaften und acht Kindern, die sie im Laufe ihrer Ehe gebar, absolvierte sie große Tourneen (1842 Norddeutschland, 1844 Russland, 1846 Wien, 1853 Holland) und organisierte den Haushalt. Robert begleitete seine Frau 1844 auf ihrer Russland-Tournee, bei der er in St. Petersburg seine erste Sinfonie dirigierte. Noch im selben Jahr ließ sich das Paar in Dresden nieder, wo es Schumann während des sechsjährigen Aufenthalts nicht gelang, eine öffentliche Anstellung zu erlangen. Schon diese Zeit war geprägt von häufigen Krankheiten Schumanns, der immer wieder über Nervenschwäche, Angstzustände, Schwindelanfälle und Depressionen klagte. In Schumanns Tagebuch und in seinen Rechnungsbüchern ist jetzt häufig von schrecklichen nervösen Leiden und einem „Zustand völliger nervöser Erschöpfung“ die Rede. Heute nimmt man an, dass er bereits da an einer sogenannten bipolaren Störung, (auch manisch-depressive Erkrankung genannt) litt, die möglicherweise durch eine seit spätestens 1831 bestehende Syphilis verstärkt wurde.

1850 nahm Schumann eine von Ferdinand Hiller vermittelte Stelle als städtischer Musikdirektor in Düsseldorf an, die er mit großer Freude antrat. Wie besessen komponierte er nun in kürzester Zeit seine dritte Sinfonie, die „Rheinische“, in der er seine Eindrücke von dem ihm bis dahin unbekannten Landstrich verarbeitete. Im Verlauf der nächsten drei Jahre komponierte Schumann fast ein Drittel seines gesamten Œuvres.

Oberkasseler Pontonbrücke
Seine Arbeit als Orchesterchef war jedoch zugleich von Misserfolgen geprägt, so dass er nach mehreren Rücktritts-Forderungen sein Amt 1853 tief gedemütigt niederlegte. Auch Schumanns körperliche Beschwerden hatten stark zugenommen und sein Zustand verschlechterte sich derart, dass er von schweren Depressionen heimgesucht wurde. Am 10. Februar 1854 klagte er plötzlich über „Gehöraffektionen“ und Halluzinationen, wie etwa „Dämonenstimmen mit gräßlicher Musik“. In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar glaubte er, Engelsstimmen zu hören, die ihm ein choralartiges Thema vorsangen. Am 27. Februar, einem Rosenmontag, gelang es dem nur spärlich bekleideten Komponisten, sich aus dem Haus zu schleichen und zum Rhein zu laufen. Dort stieg er über das Geländer der Oberkasseler Pontonbrücke und stürzte sich in suizidaler Absicht in den Rhein, nachdem er noch zuvor seinen Ehering im Fluss versenkt hatte. Die Brückenwärter hatten sein Treiben glücklicherweise beobachtet und konnten ihn aus den Fluten retten.

Am 4. März 1854 wurde Schumann auf eigenen Wunsch in die private Heilanstalt von Dr. Franz Richarz nach Endenich bei Bonn verbracht, die er bis zu seinem Tod nicht mehr verließ.

Schumannhaus in Endenich, ehemals Heilanstalt
Foto: Wiki-User Sir James

Franz Richarz,
Medaillon von Albert Küppers
Foto: Wiki-User Jotquadrat
Der Bonner Sanitätsrat Franz Richarz (1812–1887) war 1834 an der Bonner Universität in Medizin promoviert worden, wirkte 1836–1844 an der Siegburger Heilanstalt und gründete anschließend in Endenich die erste private Heil- und Pflegeanstalt für Gemüts- und Nervenkranke im Rheinland, die sich in den Folgejahren einen hervorragenden Ruf auch im Ausland erwarb. Als Anhänger einer Psychiatrie-Reform sah er die zeitgenössische Lehre durchaus kritisch und wandte fortschrittliche und teils wegweisende Methoden in der Behandlung von psychisch Kranken an, so auch an seinem berühmtesten Patienten, Robert Schumann.

Vor allem verordnete er ihm viel Ruhe und ein striktes Besuchsverbot. Dennoch durften ihn gelegentlich seine Freunde Bettina von Arnim, Joseph Joachim und Johannes Brahms aufsuchen. Seine Frau Clara jedoch, die am 14. und 23. Juli 1856 versuchte zu ihm zu gelangen, ließ man zunächst nicht ein. Erst zwei Tage vor seinem Tod, am 27. und 28. Juli, durfte sie ihn sehen.

Am 29. Juli 1856 verstarb Schumann nach langer fortgesetzter Nahrungsverweigerung in der Endenicher Heilanstalt. Am Abend des 31. Juli wurde er auf dem Alten Friedhof in einem Ehrengrab bestattet.

Schumann-Grab,
Alter Friedhof
Am 2. Mai 1880 wurde das bedeutende von Adolf von Donndorf geschaffene Grabmal eingeweiht. Bei der Enthüllungsfeier waren neben einer großen Anzahl hochstehender fremder und Bonner Gäste Clara Schumann mit ihren Kindern Marie, Eugenie und Ferdinand sowie Joseph Joachim und Johannes Brahms anwesend. Unter den zahlreichen abgelegten Kränzen befanden sich sogar zwei aus Hongkong und Kanton. 1875 wurde eine Straße in der Bonner Südstadt nach Schumann benannt.

Clara Schumann überlebte ihren Mann um 40 Jahre. In dieser Zeit besuchte sie häufig Bonn und war regelmäßiger Gast im Hause des Textilfabrikanten Carl Gottlieb Kyllmann. 1873 und 1880 nahm sie an den Bonner Schumannfeiern teil; am 3. Mai 1880 führte sie Schumanns „Ungarischen Tänze für Klavier zu vier Händen“ gemeinsam mit Johannes Brahms in der Villa Deichmann als Uraufführung auf. Nach ihrem Tod am 20. Mai 1896 wurde Clara Schumann ihrem Wunsch gemäß ebenfalls im Grab ihres Mannes beigesetzt.

1978 wurde die seit 1955 bestehende Schumannstraße in Rüngsdorf in Clara-Wieck-Straße umbenannt; 2006 folgte in Vilich-Müldorf der Clara-Schumann-Weg.

Das klassizistische Gebäude der ehemalige Nervenheilanstalt beherbergt heute die Schumann-Gedenkstätte und die Musikbibliothek der Stadt Bonn.

Das Beethoven-Denkmal von 1845

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Am 12.8.1845 – vor 170 Jahren – wurde das Beethoven-Denkmal auf dem Münsterplatz eingeweiht. Geschaffen worden war es von dem damals noch jungen Bildhauer Ernst Julius Hähnel als erstes Personendenkmal des Rheinlands.

Hähnels Biografie, die genau Vorgeschichte zum Denkmal, der Transport durch halb Deutschland und die Geschehnisse der drei Tage dauernden Inaugurationsfeier habe ich ausführlich in meinem Buch „Bonner Denkmäler und ihre Erbauer“ (Edition Lempertz, Königswinter 2013, ISBN 978-3943883527) beschrieben. Auch die nachfolgenden Ausführungen zur Ikonographie des Denkmals stammen teils wörtlich aus diesem Buch:

Beethoven-Denkmal, Münsterplatz
Foto: Josef Niesen, 2012.



Das Beethoven-Denkmal besteht aus einem schlichten gestuften Sockel, über dem sich ein hohes, aus Fußgesims, langem Schaft und Kranzgesims bestehendes Postament als Träger der überlebensgroßen Beethoven-Statue erhebt. Zwischen der oben umlaufenden Schmuckleiste und der unteren Profilkante befinden sich an allen vier Seiten erhaben aufgesetzte Reliefs mit allegorischen Darstellungen, die einen thematischen Bezug zu Beethovens kompositorisches Schaffen aufweisen. Die Bildnisse an der Ost- und Westseite sind als Flachreliefs, die an der Nord- und Südseite als Hochreliefs gestaltet.








Die Phantasie
1. Die Phantasie

Dem Münsterplatz zugewandt ist die Darstellung der Phantasie (oder auch Poesie) in Frauengestalt. Als kleinstes Relief zeigt sie in einem schlichten rechteckigen Rahmen eine auf einer nach links springenden Sphinx sitzende, halbnackte, lyraspielende weibliche Figur, das Gewand faltenreich um die Hüfte geschwungen und die Beine bis auf die linke Fußspitze bedeckend. Ein vom Hals herabhängendes Tuch flattert mit den Haaren dekorativ im Wind. Auf dem Haupt trägt die personifizierte Phantasie einen Blätterkranz. Mit ihrer linken Hand hält sie die Lyra, die sie mit der rechten Hand schlägt. Dramatisch haben sich ihre Haare in den Saiten verfangen, ihr Blick ist in den Himmel gerichtet. Unter dem Bild prangt in erhabenen Lettern die Inschrift: Ludwig van Beethoven / geb. zu Bonn MDCCLXX.

Die Allegrorie der Phantasie weist ganz allgemein auf Beethovens schöpferische und speziell kompositorische Kraft hin.


2. Die Sinfonie

Gegenüber, an der Westseite zur Post hin, zeigt sich die schwebende „Sinfonie“, aufrecht mit leicht angewinkeltem linken Bein, von der Hüfte abwärts mit einem die Beine bis auf die Füße bedeckenden Tuch umschlungen. Vor dem nackten Oberkörper greift in Höhe der Brust der rechte Arm zu der mit links gehaltenen Kithara, um mit den Händen die Seiten anzuschlagen. Hinter dem lorbeerbekränzten Haupt wehen, umrahmt vom flatternden Mantel, die lockigen Haare wild im Wind. Verzückt schaut die Muse in den Himmel. Umgeben ist sie dabei von einem Reigen schwebender Putti, die mit ihren Attributen die vier kompositorischen Teile einer Sinfonie verkörpern sollen. Zwei fast nackte Putti im Vordergrund sind vollständig sichtbar, die beiden anderen, im Dreiviertelprofil dargestellten, sind teilweise verdeckt.

Die Sinfonie
Der links neben der Gestalt der Sinfonie schwebende Putto hält mit beiden Händen ein in der Scheide steckendes Schwert, Sinnbild des ersten sinfonischen Satzes (Allegro).
Schräg hinter und unter ihm hält der zweite Putto eine zu Boden zeigende brennende Fackel mit seiner linken Hand. Um den rechten Arm windet sich eine zum tödlichen Biss bereite Schlange. Beides versinnbildlicht den zweiten Satz (Adagio/Trauermarsch).
Rechts neben der Muse erstrahlt als Symbol des dritten Satzes (Scherzo) in lachender Fröhlichkeit der dritte Putto, der mit der rechten Hand Kastagnetten und mit der linken einen Thyrsosstab mit Pinienzapfen-Knauf als Zeichen bacchantischer Freude hält.
Der den vierten Satz (Allegro/Vivace) bezeichnende Putto bewegt sich ganz im Vordergrund vor den Beinen der Muse nach rechts, eine Triangel als Symbol der unbeschwerten Freude schlagend.

Die Allegorie der Sinfonie zeigt Beethovens sinfonisches Schaffen mit den Sinfonien 1-9 und deren klassische Einteilung in die vier Sätze Allegro, Adagio, Scherzo und Allegro (Vivace).


Die geistliche Musik
3. Die geistliche Musik

An der südlichen, zur Münsterkirche weisenden Seite des Postaments befindet sich die nach rechts an einer Orgel sitzende Personifikation der geistlichen Musik in aufwändig drapiertem Gewand, den Fuß auf einer kleinen Bank aufgestellt, die Hände auf der Tastatur aufliegend mit geschlossenen Augen und halb geöffnetem Mund innig ins Spiel versunken. Haare und Ohren sind von einem bis auf die Schultern herabhängenden Tuch verdeckt. Die Figur ragt mit dem Oberkörper in einen schön profilierten Tondo hinein. Die Zwickel des Bildnisses sind mit Lorbeerkränzen und geschwungenen Bändern ausgefüllt.

Auf einen weiteren wichtigen Teil in Beethovens Schaffen soll uns diese Allegorie hinweisen: die Messen in C-Dur und D-Dur (Missa solemns).




Die dramatische Musik
4. Die dramatische Musik

Als Gegenstück zur geistlichen Musik ist auf der Nordseite die dramatische Musik in Frauengestalt dargestellt. Auch hier ragt der Oberkörper in einen gleichermaßen wie auf der Südseite gestalteten Tondo hinein. Die nach links gewandte Figur sitzt neben einer sechsseitigen Kithara, die rechte, im Schoß liegende Hand hält ein kleines Blasinstrument, die andere ist mit auf dem Oberschenkel aufgestütztem Ellbogen zum Hals geführt. An der frontal sichtbaren Kithara lehnt eine bärtige männliche Maske, eine weitere Larve trägt die Muse hochgeschoben auf dem lockigen Haupt. Bekleidet ist sie mit einem weit fallenden Gewand, das am Oberkörper gegürtet ist. Das vordere, linke Bein hat sie lässig über das andere geschlagen.

Die Dramatik spielt im Ausdruck Beethovenscher Musik eine entscheidende Rolle. Darauf weist ganz allgemein diese Allegorie hin. Gemeint ist sowohl Beethovens Bühnenmusik als auch seine Oper, seine Klavierwerke und Lieder, seine Kammermusik und seine Orchesterwerke.


Über diesem Postament mit seinen allegorischen Darstellungen erhebt sich die überlebensgroße Statue Beethovens in Schrittstellung. Der rechte Fuß schiebt sich über die Plinthe hinaus – Vorbild für viele später errichteten Statuen –, die Hand des rechten, ausgestreckten Arms hält einen Bleistift mit der Geste des augenblicklichen Innehaltens beim Komponieren. Der linke Arm ist angewinkelt, die Hand hält einige Notenblätter vor der Brust. Der Kopf mit den langen, wirren Haaren ist aufgerichtet, der Blick schweift streng und konzentriert in die Ferne, der Mund wirkt verkniffen. Bekleidet ist die Figur Beethovens in zeittypischer Manier mit langer Hose, doppelreihig geknöpftem Gehrock, offenem Hemd und Halstuch. Ein darüber gezogener und vorne hochgehaltener Mantel lässt nur den unteren Teil des rechten Beins sowie den linken Fuß sichtbar werden. Vom Gehrock erscheinen nur das breite Revers und zwei Knopfreihen. Hinten fällt der Mantel bis auf den Boden herab.

Der noch junge Bildhauer Hähnel zeigt uns Beethoven nicht in dessen jugendlichem Alter, das er beim Verlassen Bonns hatte, sondern als gereifter und bereits berühmter Komponist der späten Wiener Jahre. Hähnels persönliche Verehrung für Beethoven drückt sich bereits in der Wahl des Standbilds als vornehmste Art des bürgerlichen Denkmals aus, das, einst Monarchen, Feldherren und Staatsmänner vorbehalten, bei Künstlern und Gelehrten im 19. Jahrhundert zum Ausdruck höchster Anerkennung wurde. Das Bonner Beethoven-Denkmal stellt das früheste und zugleich wichtigste Beispiel dieses Typs im Rheinland dar. Noch inspiriert vom „herben Klassizismus der Rauch-Schule“ (so Adolf Schmoll in seiner Beschreibung), wirkt die Statue durch den schweren bis zum Boden fallenden Mantel in sich geschlossen und wird zugleich zu einer etwas allgemeingültigeren, idealisierteren Erscheinung, die den Genius Beethovens in den Vordergrund rückt. Der Blick des Betrachters wird unwillkürlich auf den Kopf des Dargestellten gelenkt, in dessen ausdrucksvollem Gesicht sich die Konzentration auf den schöpferischen Gedanken spiegelt. Als zentrales Denkmal Bonns ist diese hervorragende Arbeit Hähnels schon längst zu einem der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt geworden und aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

Wenn Sie also das nächste Mal über den Münsterplatz gehen, nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie sich das Denkmal - und besonders seine Allegorien - einmal ganz genau an!

Geschichte der Bonner Selbstverwaltung und Schaffung des Oberbürgermeisteramtes

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Gerhard von Are
Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S. 163
Im frühen Mittelalter bestand die heutige Stadt Bonn aus zwei unabhängig voneinander agierenden Rechtsräumen, einmal dem vicus Bonnensis, einer Marktsiedlung rund um den heutigen Marktplatz auf dem Hofgut des Erzbischofs (Meerhauser Hof) und einmal der villa Basilika, der Stiftsstadt, die sich nördlich vor der Münsterkirche befand und spätestens im Jahre 1000 mit einer Mauer umgeben war. Verbunden waren beide Bezirke durch eine Brücke zwischen der Remigiusstraße und dem Markt, die sich heute noch in der Bezeichnung „Marktbrücke“ erhalten hat. In der Stiftsstadt oblag der größte Teil der Gemeindeaufgaben dem burdecanus, also dem grundherrlichen Beamten. Die Rechtsprechung lag in der Hand des Propstes. Noch 1145 ließ Propst Gerhard von Are durch König Konrad III. die bestehende sogenannte engere Immunität der Stiftsstadt auf alle propsteilichen Güter des Stifts auch außerhalb Bonns ausdehnen. Jetzt wurden sogar die Ministerialen, Stiftsdiener und Stiftshandwerker, sowie die zum Kirchenbau zugezogenen Bauhandwerker (aliorum officiorum artifices),

Prangersäule
Foto: Wiki-User Hagman
egal ob sie im Stift oder der Stadt wohnten, dem propsteilichen Gericht unterworfen. Dies bezog sich auf alle Strafen außer der sogenannten Blutgerichtsbarkeit (jus gladii = Recht des Schwertes), die vor allem bei Raub, Mord und schweren Sexualdelikten angewandt wurde, mit Verstümmelung oder Tod strafte und ausschließlich von weltlichen Richtern ausgeübt werden durfte. Die Prangersäule auf dem Münsterplatz zeugt noch heute von der einstigen pröpstlichen Gewalt.

Die Marktsiedlung unterstand einem eigenen grundherrlichen Recht, dessen Meerhauser Hofgericht, das dreimal jährlich auf dem Markt, unmittelbar vor dem Gasthaus „Zur Blomen“ (heute: Em Höttche) tagte. Dabei wurde im Beisein der Geschworenen das Weistum verlesen sowie unter Vorsitz des Meiers über rechtes Maß und Gewicht verhandelt. Die bei den Hoftagen festgesetzten Bußgelder fielen dem Erzbischof anheim. Erst 1794 erlosch mit dem Ende des Kurstaats auch dessen Rechtszuständigkeit. Oberaufsicht über die Marktsiedlung führte der Vogt.

Mit dem zusammenwachsen der Stadt und dem Privileg des Mauerbaus im Jahre 1244 erhielten die Bürger der „neuen“ Stadt Bonn ganz besondere Rechte, die sogenannten Bürgerrechte, die sie deutlich von der abhängigen Landbevölkerung unterschied. Nicht umsonst hieß der neue Leitspruch jetzt: „Stadtluft macht frei!“ Die selbstbewusste Bürgerschaft stellte nun Forderungen auf, die ihren Interessen entsprachen. Vor allem wollten sie die Stadt unter Führung eines Ausschusses von angesehenen Bürgern selbst verwalten. Der Spruch des Erzbischofs vom 28. März 1286 führte zur Schaffung eines Rates mit weitgehendem Selbstverwaltungsrecht. Den Bürgern wurde erlaubt zwölf Vertreter zu wählen, denen sogar ein eigenes Beurkundungsrecht zugestanden wurde. Diese „Rat“ stand nun neben dem älteren Schöffenkollegium mit ebenfalls zwölf Angehörigen, das aber dem Erzbischof unterstand und vorwiegend aus dem Erzbischof besonders treu ergebenen Rittern bestand. Beide Institutionen konkurrierten in ihren Aufgaben und Rechten. Sicherlich hat sich bereits damals im neuen Rat das Amt eines bzw. zweier Vorsitzender herausgebildet, doch haben wir erst 1331 die erste urkundliche Erwähnung von zwei „burgermeistere“.

Bonner Schöffenurkunde
vom 13.6.1374
Diese Konstellation der unterschiedlichen Einrichtungen – Rat und Schöffenkollegium, Meerhauser Hofgericht und propsteiliches Gericht – mit ihren überlieferten alten Gewohnheiten und oft nicht genau abgegrenzten Rechten brachte im Laufe der Zeit vielfache Probleme. In einem dieser bekannt gewordenen Streits steht der Schultheiß des Meerhauser Hofgerichts im Fokus, der die Aufsicht über die am Markt gebräuchlichen Maße und Gewichte führte und diese nach belieben ändern konnte. Auch zwischen Stadt und Stift brachen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts heftige Streitigkeiten aus über die Frage, wer die Kosten zum Unterhalt der alten Stiftsmauer zu tragen hatte. Große Konflikte gab es auch immer wieder zwischen Landesherr und Bürgerschaft. Einerseits erlangte die Stadt immer wieder Freiheitsrechte wie die Zollfreiheit, aber andererseits wurden immer wieder auch Rechte durch den Landesherrn eingeschränkt, beispielsweise als Erzbischof Walram von Jülich (Amtszeit 1332-1349) die Zahl der Wollweber auf zwölf Familien begrenzte, angeblich da es an Weinbergsarbeitern mangele, in Wirklichkeit aber wohl aus Angst vor der radikal denkenden Handwerkerschaft, die in Köln schon allergrößte Schwierigkeiten machte.

Im 16. Jahrhundert tritt neben den Stadtrat und die Schöffen jetzt ein weiteres Gremium, die „Zwölfter“ als Vertreter der gemeinen Bürgerschaft (populus Bonnensis). In wieweit sie aus der auch in anderen Städten ausgebrochenen Bewegung radikaler und unzufriedener Kräfte entstanden ist, oder ob der Kurfürst selbst zu ihrer Entstehung beitrug, weiß man (noch) nicht. Jedenfalls bildeten sie ein Gegengewicht zum selbstbewussten Stadtrat und kontrollierten diesen bei der rätlichen Finanzführung. Erstmals erwähnt werden sie in einer Urkunde vom 24.7.1550; in einer späteren Urkunde vom 26.9.1566 treten sie als die „Zwoelffmenner, so die Zwoelffter genendt werden“ auf. Wenn sie auch vielleicht zunächst aus der Bürgerschaft entstanden sind, so hatten die Bürger langfristig jedoch keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung. Bei Ausscheiden eines der Mitglieder (z.B. Absetzung wegen Unfähigkeit) hatten die übrigen Zwölfter das Vorschlagsrecht für die Kandidaten, aus denen dann der Rat jemanden aussuchte – eine Wahl fand nicht statt. Wurden früher seit jeher die Mitglieder des Rats, die sogenannten „Ratsverwandten“, aus der bürgerlichen Oberschicht (opidani maiores universitatis), der sozial und wirtschaftlich stärksten Macht in der Stadt, gewählt, so erfolgte nun die Zusammensetzung des Rats häufig durch Kooptation aus den Zwölftern. Die Bürgermeister wiederum wurden aus der Mitte des Rats gewählt. Zu den Aufgaben der Zwölfter – sie wurden auch zweiter oder junger Rat genannt – gehörte nicht nur die Überprüfung der städtischen Rechnungen, sie wurden auch zu wichtigen Beratungen hinzugezogen und bei Entscheidungen gefragt.


Kurfürst Salentin von Isenburg
Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S. 409
Am 4. Februar 1569 legte Kurfürst Salentin von Isenburg (Amtszeit 1567-1610) im sogenannten Salentinischen Vertrag fest, dass die Stadt von zwei aus dem Rat gewählten Bürgermeistern und zwei dem Schöffenkolleg angehörenden Schöffenbürgermeistern verwaltet werden sollte. Ihre Wahl auf Lebenszeit fand am Vorabend des Dreikönigstages statt. Jeweils ein Ratsbürgermeister und ein Schöffenbürgermeister führten die Geschäfte für ein Jahr als „regierende Bürgermeister“. Die Ratssitzungen fanden regelmäßig am Dienstag statt. Für die Anwesenheit wurde ein Präsenzgeld fällig, unentschuldigtes Fehlen wurde mit Geldbuße bestraft. Bei allen Sitzungen, in denen Hoheitsrechte des Kurfürsten verhandelt wurden, musste der Vogt anwesend sein. Den Bürgermeistern standen verschiedene „Stadtofficianten“ zur Seite, etwa Rentmeister, Provisoren, Geschoßmeister (Steuereinnehmer) und Wachtmeister, die nebenamtlich die ihnen anvertrauten Aufgaben verwalteten.
Um dem leichtsinnigen Schuldenmachen der Stadt vorzubeugen, wurde bestimmt, dass von den Bürgermeistern oder dem Rat kein Kapital ohne Wissen und Zustimmung des Amtmanns, des Vogtes und der Zwölfter aufgenommen werden durfte. Das zur Besiegelung der Schuldbriefe verwendete Schuldsiegel (sigillum ad causas) wurde unter fünffachem Verschluss gehalten. Die Schlüssel wurden unter den Bürgermeistern, dem Rentmeister und dem Obmann der Zwölfter aufgeteilt.

Errichtung des Freiheitsbaums auf dem Bonner
Markt durch die Franzosen,
Gemälde von Franz Rousseau, 1794
Diese oben aufgeführte Konstellation der Stadtverwaltung änderte sich erst mit der Besetzung der Stadt durch französischen Truppen im Jahre 1794. Die Eingliederung in den französischen Staatsverband brachte für Bonn gravierende Veränderungen in der Verwaltung mit sich. Am 8. Oktober 1794 kamen die ersten französischen Dragoner in Bonn an, und schon vier Tage später wurden alle Bürgermeister und Ratsherren sowie die kurfürstlichen Beamten von General Marceau ins Rathaus befohlen. Von da an mussten sie sich täglich einfinden, um der neuen Verwaltung mit Rat und Tat zur Hand zu gehen. Am 14. November wurde das neue Verwaltungssystem offiziell eingeführt: die Zentralverwaltung nahm ihren Sitz in Aachen, sieben Bezirksverwaltungen wurden eingeführt (administrations d'arrondissement), die Bezirksverwaltung für die Stadt und das ehemalige Kurfürstentum wurde in Bonn eingerichtet; die ehemalige freie Reichsstadt Köln wurde ganz gegen ihren Willen dem Bezirk Bonn eingegliedert. Am 4. April 1798 erhielt Bonn durch Verfügung der Zentraladministration des Rhein- und Mosel-Departements die Munizipalität für die Stadt Bonn, die seitdem keine eigene Verfassung mehr hatte, sondern der Gemeindegesetzgebung des französischen Staates unterstand. Die neue Munizipalität setzte sich aus 18 Mitgliedern und einem Präsidenten zusammen, der als Maire (Bürgermeister) die Verwaltung in Abhängigkeit zum Präfekten führte. Zwei weisungsgebundene Adjunkten standen ihm zur Seite. Ernannt wurden Maire und Adjunkte von der Staatsregierung. Die Mitglieder des Munizipalrats wurden durch den Präfekten ernannt, der seine Wahl aus der Liste der 100 am höchsten besteuerten Bürger traf. Alljährlich trat die Hälfte der Munizipalräte ab und wurde durch neue ersetzt.


Anton Graf von Belderbusch
Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S.45
Erster Maire von Bonn war Peter Joseph Boosfeld, ihm folgte Johann Joseph Eichhoff. Als am 17. Februar 1800 die neue französische Gemeindeordnung eingeführt wurde, wurde der Maire auch zum Vorsitzenden der Stadt- und Gemeindeverordneten-Versammlung bestimmt, womit er erstmals Oberbürgermeisterbefugnisse erlangte. Damit war Eichhoff der erste de facto Oberbürgermeister von Bonn. Den Titel erhielt allerdings erst Anton Maria Karl Graf von Belderbusch nach Abzug der Franzosen mit Verordnung vom 25. Februar 1814, in der die französische Bezeichnung „Maire“ durch den deutschen Titel „Oberbürgermeister“ ersetzt wurde. Somit war Belderbusch ab 1814 erster titelführender Oberbürgermeister der Stadt Bonn.

Nachdem die Franzosen aus Bonn abgerückt waren, kam es am 21. Oktober 1813 zunächst zu einer Übergangsregierung mit der Errichtung eines Zentralverwaltungsrates für die besetzten Gebiete. Die bisherigen Unterinstanzen blieben zwar bestehen, doch erhielten sie deutsche Bezeichnungen. Erst nach dem Übergang an Preußen gehörte Bonn ab 1815 zum ersten Mal einem Staat an, der nun das ihm zugefallene Land bis 1816 verwaltungstechnisch neu organisierte. Die Provinz, für die sich ab etwa 1830 die Bezeichnung „Rheinprovinz“ durchsetzte, wurde in Regierungsbezirke eingeteilt und diese in preußische Kreise. Auf kommunaler Ebene wurden durch Zusammenfassung mehrerer selbständiger Gemeinden sogenannte Bürgermeistereien geschaffen. Die Stadt Bonn bildete mit den Gemeinden Dransdorf und Graurheindorf die Oberbürgermeisterei Bonn. Die Gemeindebeamten wie Oberbürgermeister und Beigeordnete wurden vom Staat auf Zeit ernannt und waren den staatlichen Stellen untergeordnet. Speziell der Bonner Oberbürgermeister Johann Joseph Windeck lieferte sich zwischen 1816 und 1839 harte Kämpfe mit seinem Vorgesetzten, dem Landrat Eberhard von Hymmen.


Oberbürgermeister Windeck
Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S.501

Landrat von Hymmen
Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S. 223

Die Abhängigkeit der städtischen Verwaltung von ihren Vorgesetzten änderte sich erst mit der Gemeindeordnung von 1850, die im Zuge der – gescheiterten – Revolution von 1848/49 mehr demokratische Rechte brachte und erstmals den Städten das Recht einräumte, das Stadtoberhaupt und den Stadtrat selbst zu wählen – und zwar nach dem preußischen Dreiklassenwahlrecht. Zudem führte sie die Magistratsverfassung ein, was in Bonn zu einem Wechsel des Stadtoberhauptes führte. Der amtierende Oberbürgermeister Karl Edmund Oppenhoff war bereits seit 1840 vom preußischen Staat eingesetzt – übrigens der erste hauptamtliche Bonner OB mit festem Jahresgehalt – als ihn 1850 die neue Gemeindeordnung traf. Zwar wurde er als Oberbürgermeister in sein altes Amt gewählt, doch lehnte er die Wahl wegen der neuen Beschränkungen des Amtes ab, denn von nun an sollte er nur noch „primus inter pares“ im neuen Magistratskollegium sein. Als sein Nachfolger wurde am 12. Oktober 1850 deshalb Leopold Kaufmann gewählt. Das Nebeneinander von Stadtrat und Magistrat erwies sich jedoch nicht als sehr zweckmäßig und schon 1856 wurde wieder die alte, traditionelle Bürgermeisterverfassung durch die Rheinische Städteordnung wiederhergestellt. Diese Städteordnung behielt ihre Gültigkeit – mit verändertem Wahlrecht ab 1919 – bis zum Jahre 1933. 1887 wurde das Bonner Oberbürgermeisteramt, bislang dem Landrat untergeordnet, mit der neuen Kreisordnung dem Landrat eines Kreises gleichgestellt und Bonn zur Kreisfreien Stadt erklärt.

Erste Stadtverordnetenversammlung in Bonn
am 31.3.1933, im Vordergrund SA-Truppen
Bildquelle: Ennen/Höroldt, Vom Römerkastell
zur Bundeshauptstadt, 4. Aufl., Bild 107
Eine dramatische Veränderung in der Bonner Verwaltung brachte das Jahr 1933. Zwar fanden noch am 12. März 1933 Kommunalwahlen statt, doch wurden viele der gewählten Vertreter an der Ausübung ihres Amtes gehindert. Am Vormittag des 13. März versammelten sich uniformierte SA-Truppen und Parteimitglieder der NSDAP vor dem Stadthaus und zwangen den gewählten Oberbürgermeister Dr. Lürken zum „freiwilligen“ Rücktritt. An seiner statt setzten die Nationalsozialisten den linientreuen Ludwig Rickert ein, der das Amt bis 1945 bekleidete. Kurz nach der Kommunalwahl wurden im Rahmen einer „Schutzhaftaktion“ in Bonn mehr als 200 Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten und Zentrumsangehörige verhaftet. Am 31. März wurde die feierliche Eröffnungssitzung der Stadtverordnetenversammlung unter Teilnahme von Formationen von SA, SS und Stahlhelm öffentlichkeitswirksam in der Beethovenhalle inszeniert. KPD und SPD waren von vornherein von der Versammlung ausgeschlossen, eine große Gruppe der Zentrumsabgeordneten verzichteten auf ihre Mandate und waren nicht erschienen oder verhaftet, der geringe, verbliebene Teil erhielt nur Hospitantenstatus. Von nun an wurden die Ratsherren von der Partei ernannt.

Erste Stadtverordnetenversammlung
in Bonn am 31.3.1933
Bildquelle: Höroldt, Geschichte
der Stadt Bonn, Band 4, S. 521
Der von den Nazis ermordete KPD-
Stadtverordnete Otto Renois
Bildquelle: Höroldt, Geschichte
der Stadt Bonn, Band 4, S. 528

Die nächste Veränderung der Bonner Verwaltung fand am 31.3.1945 durch amerikanischen Kommandanten statt, die nun den amtierenden – aber bereits geflohenen – Oberbürgermeister absetzten und durch den früheren Beigeordneten Eduard Spoelgen, der von den Nationalsozialisten zwangspensioniert worden war, ersetzten. Für seine enormen Leistungen beim Wiederaufbau der Stadt wurde Spoelgen 1949 zum Ehrenbürger von Bonn ernannt.

Mit Spoelgen an der Spitze schufen die Amerikaner einen Fünferrat, dem außerdem zwei Universitätsprofessoren, Dr, Closs und Dr. Celen, der im Dritten Reich verfolgte Gewerkschaftsführer Sebastian Dani und Dr. Kluth von den Didierwerken angehörten. Dieser Rat bildete nun das oberste Organ der Stadtverwaltung. Am 24. Mai 1945 wurde als Ersatz für die frühere Stadtverordnetenversammlung von der nun britischen Besatzung ein sogenannter Zwölferrat eingesetzt. Nachdem am 15. September 1945 die Bildung von Parteien auf Kreisebene zugelassen wurde, kam es in kürzester Zeit zur lokalen Gründung von CDU und FDP sowie Neuorganisation von SPD und KPD. Im Dezember 1945 forderten CDU, SPD und KPD die Ablösung des Zwölferrats durch die Besetzung der Posten durch Parteivertreter, was ihnen auch zugestanden wurde. Am 8.2.1946 nahm die neue Stadtvertretung ihre Arbeit auf. Da der britischen Militärregierung die Machtfülle rheinischer Oberbürgermeister früheren Zuschnitts aber nicht geheuer war, beschnitt sie durch Änderung der Gemeindeordnung die Kompetenzen des OBs drastisch. Als Gegengewicht wurde für die Verwaltungsleitung das Amt eines Oberstadtdirektors geschaffen, dessen erster Amtsinhaber 1947–1956 Johannes Langendörfer war.

Eduard Spoelgen, erster Bonner
Nachkriegs-Oberbürgermeister

Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S. 453
Johannes Langendörfer, erster
Oberstadtdirektor von Bonn

Bildquelle: J. Niesen,
Bonner Personenlexikon,
3. Aufl., S. 267


Diese kommunale Doppelspitze blieb für viele Jahrzehnte maßgeblich, bis sie 1994 durch eine Reform der Gemeindeordnung NRW – mit einer Übergangsfrist bis 1999 – wieder abgeschafft wurde. Da 1995 die Amtszeit des damaligen Oberstadtdirektors geendet hatte, übernahm die amtierende OB Bärbel Dieckmann das Amt des Oberbürgermeisters in seiner jetzigen Form mit erweiterten Kompetenzen. Seit 1999 wird der Oberbürgermeister in Bonn unabhängig vom Stadtrat in direkter Wahl für sechs Jahre gewählt. Bei der diesjährigen Wahl wird die Amtszeit auf fünf Jahre gekürzt, damit ab 2020 die Rats- und Oberbürgermeisterwahlen wieder gleichzeitig stattfinden können.

Hier finden Sie eine Liste der Bonner Oberbürgermeister: Link
Hier geht es zu den genauen Ereignissen der Wahl des Nationalsozialistischen OBs: Link

Geschichte der Bonner Straßenbeleuchtung (Gaslaternen)

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F. Leizel, Guckkastenbild,
um 1777 (Ausschnitt),
abgebildet in: I. Riemer,
Altes Bonn, S. 36.
Vergrößerter Ausschnitt
Die mittelalterlichen Straßen Bonns waren noch vollkommen unbeleuchtet. Aus anderen Städten weiß man, dass Jungen mit Fackeln die späten Zecher der Gaststuben gegen Geld nach Hause begleiteten, ihnen „heimleuchteten“. Aus Bonn gibt es zwar mangels Quellen keine solche Überlieferung, doch darf man annehmen, dass es hier genauso war. Erst der Barock wollte diesen Umstand beseitigen und es war der noch junge Kurfürst Clemens August, auf dessen Befehl hin der Bonner Magistrat den Bedarf für eine ausreichende Straßenbe-leuchtung errechnen sollte. Am 2. März 1736 legte man dem Kurfürsten eine Rechnung vor, die besagte, dass man dazu 300 Laternen benötige und jede von ihnen in der Anschaffung sieben Reichstaler kosten werde. Wegen der hohen Kosten ließ der Kurfürst daraufhin von seinem Plan ab. Dennoch scheint er einzelne Stellen der Stadt mit Licht ausgestattet zu haben. Die älteste Abbildung, die ich dazu finden konnte, stammt aus dem Jahr 1777 und zeigt mehrere Laternen am Marktbrunnen (siehe Bild oben, die Laternen sind unmittelbar auf das Gitter aufgesetzt).

Laternenanzünder
(unbekannte Stadt)
Doch waren es erst die französischen Behörden, die ein Jahr nach der Besetzung Bonns am 7. November 1795 die flächendeckende Beleuchtung der Stadt durch Laternen verordneten. Bis zur tatsächlichen Anschaffung der ersten 50 Stück dauerte es allerdings nochmals dreizehn lange Jahre. Erst am 23. Dezember 1808 wurde der Kauf beschlossen. Mit der neuen Beleuchtung wurde auch ein neuer Beruf geschaffen: der Laternenanzünder. Jeden Abend ging er mit seiner langen Zündstange durch die Straßen, um die Kerzen zu entflammen. Ebenso, wie er jeden Morgen die Kerzen wieder löschen musste. Mittels einer Leiter mussten die Laternen neu bestückt oder der Docht beschnitten werden. Dieser Aufwand ließ die Beleuchtungskosten bereits im Jahr 1839 auf jährlich 1780 Taler steigen. Die ersten Kerzen, sogenannte Unschlittkerzen, bestanden noch aus minderwertigem Talg und wurden im Laufe der Zeit durch die kostengünstigeren Rüböl-Lampen ersetzt, deren Öl aus Raps- und Rübensamen gewonnen wurde.

Das 1845 niedergelegte Josefstor,
abgebildet in: N. Schloßmacher,
Matthias Frickel. Bonner Stadtansichten, S. 108
Um 1840 baumelten bereits etwa 100 solcher Lampen an langen Zugketten über den Straßen (siehe Bild links). Keine zehn Jahre später konnte jedoch auch dieses stinkende und qualmende Brennmaterial durch das qualitativ wesentlich bessere Mineralöl ersetzt werden. In einer Anzeige der Bonner Zeitung vom 6. Februar 1851 preist ein Herr H. A. Leduc aus der Wenzelgasse das „neue Beleuchtungs-Material“ an, das mit „einer weißen, hellleuchtenden, ruhigen Flamme“ brenne. Allerdings wurden für das Mineralöl eigens konstruierte Lampen benötigt.
 
Anzeige in der Bonner Zeitung
vom 6.2.1851
1850 gab es 145 solcher neuen Öllaternen in der Stadt, die etwa 1800 Taler pro Jahr kosteten, nicht eingerechnet die hohen Kosten für die vielen mutwilligen Zerstörungen der Lampen. Die Reparaturkosten für das Jahr 1850 betrugen 88 Taler und 19 Silbergroschen, womit man laut Stadtrat sieben weitere Laternen hätte betreiben können. Mutwillig herbeigeführter Sachschaden an den Laternen gab es aber schon von Anfang an.

Haus am Giertor mit Laterne,
Zeichnung von 1856,
gut zu erkennen die Zugkette,
mit der die Höhe verstellt
werden konnte
abgebildet in: I. Riemer,
Altbonner Bilderbuch, S. 54
Im Januar 1840 kam es deswegen sogar zu einem handfesten Skandal. Nachts hatten sich grölende Studenten auf dem Markt versammelt und unter dem Ruf „Die Laternen müssen herunter“ damit begonnen, Steine auf die Laternen an der Marktfontäne zu werfen. Herbeieilende Nachtwächter als Vertreter der städtischen Gewalt versuchten, das zu verhindern und die Studenten abzuführen. Doch damit übertraten sie ihre Befugnisse, denn damals standen die Studenten unter der alleinigen Gewalt des Universitätsrichters und seiner Pedellen. Der Universitätskurator beschwerte sich deswegen bei der Stadt mit den Worten: „daß der Unfug an den städtischen Laternen nicht auf Rechnung der Studirenden allein geschrieben werden darf“, weil doch bekannt sei, dass auch die Bürger, wenn „sie des Abends das Wirtshaus verließen, ihren Mutwillen gleich an der nächsten Laterne“ auslassen würden. In der Folge mussten von nun an die Pedelle gemeinsam mit den städtischen Nachtwächtern die Bonner Straßen kontrollieren.


"Nachtskandal an der Pyramide", nachträglich gezeichnet 1855,
abgebildet in: I. Riemer, Altbonner Bilderbuch, S. 44.

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich in anderen Städten – zunächst in London, später auch in Hannover und Berlin – bereits die Beleuchtung mit Gas durchgesetzt. In Bonn dauerte es mal wieder – wie so oft – etwas länger, bis die moderne Zeit Einzug hielt. Und dass längst nicht jeder mit der neuen Zeit einverstanden war und es auch Widerstände gab, zeigt ein Zeitungsartikel aus der Kölnischen Zeitung vom 28. März 1819, in dem eindringlich vor der neuen Beleuchtung gewarnt wurde. Dort heißt es:

Jede Straßenbeleuchtung ist verwerflich
1.) aus theologischen Gründen: weil sie als Eingriff in die Ordnung Gottes erscheint. Noch tiefer ist die Macht zur Finsternis eingesetzt, die nur zu gewissen Zeiten vom Mondlicht unterbrochen wird. Dagegen dürfen wir uns nicht auflehnen, den Weltplan nicht hofmeistern, die Nacht nicht in Tag verkehren wollen -
2.) aus juristischen Gründen; weil die Kosten dieser Beleuchtung durch eine indirekte Steuer aufgebracht werden sollen. Warum soll dieser und jener für eine Einrichtung zahlen, die ihm gleichgültig ist, da sie ihm keinen Nutzen bringt, oder ihn gar in manchen Verrichtungen stört?-
3.) aus medizinischen Gründen; die Oel- und Gasausdünstung wirkt nachteilig auf die Gesundheit schwachleibiger oder zartherziger Personen, und legt auch dadurch zu vielen Krankheiten den Stoff, indem sie den Leuten das nächtliche Verweilen auf den Straßen leichter und bequemer macht, und ihnen Schnupfen, Husten und Erkältung auf den Hals zieht -
4.) aus philosophisch-moralischen Gründen; die Sittlichkeit wird durch Gassenbeleuchtung verschlimmert. Die künstliche Helle verscheucht in den Gemüthern das Grauen vor der Finsternis, das die Schwachen von mancher Sünde abhält. Diese Helle macht den Trinker sicher, daß er in Zechstuben bis in die Nacht hinein schwelgt, und sie verkuppelt verliebte Paare -
5.) aus polizeilichen Gründen; sie macht die Pferde scheu und die Diebe kühn -
6.) aus staatswirtschaftlichen Gründen; für den Leuchtstoff, Oel oder Steinkohlen, geht jährlich eine bedeutende Summe ins Ausland, wodurch der Nationalreichthum geschwächt wird -
7.) aus volksthümlichen Gründen; öffentliche Feste haben den Zweck, das Nationalgefühl zu erwecken. Illuminationen sind hierzu vorzüglich geschickt. Dieser Eindruck wird aber geschwächt, wenn derselbe durch allnächtliche Quasi-Illuminationen abgestumpft wird. Daher gafft sich der Landmann toller in dem Lichtglanz als der lichtgesättigte Großstädter.

Lithografie von 1847, Ausschnitt,
gut zu erkennen die Bogenlampen
abgebildet in: I. Riemer,
Altes Bonn, S. 63.
Erst 1847 schloss Bürgermeister Karl Edmund Joseph Oppenhoff (übrigens der erste hauptamtliche Oberbürgermeister der Stadt) mit der Aachener Firma Sabey & Cie. einen Vertrag, der der Stadt die Gasbeleuchtung auf 25 Jahre sichern sollte. Allerdings musste er wegen Nichterfüllung schon ein Jahr später auf dem Klageweg aufgelöst werden. 1850 wurde Leopold Kaufmann zu Oppenhoffs Nachfolger ernannt. Kaufmann zeigte besonders viel Initiative zur Verschönerung der Stadt; auf ihn geht beispielsweise die Sanierung der Rheinfront mit dem Bau der Rheinpromenade zurück. Auch für eine bessere Beleuchtung der nächtlichen Straßen setzte er sich ein. Am 11. November 1851 begab er sich mit einem Ausschuss des Magistrats nach Düsseldorf, um die dortige Beleuchtung durch Patentgas zu begutachten. Die Bonner Zeitung vom 16. November 1851 berichtete darüber: „Sowohl die Beleuchtung auf den Straßen als in öffentlichen Lokalen hat völligen Beifall gefunden und gedenkt man für Bonn eine ähnliche Beleuchtung in Bälde einzuführen“. Nun gab es seit den 1840er Jahren bereits in manchen Bonner Privathäusern Gasbeleuchtung. Dazu wurde das Gas vom Unternehmer Seibel in eisernen Ballons durch die Stadt gefahren und am entsprechenden Haus mittels eines Gummischlauchs in die dort befindlichen Gasbehälter gepumpt. Dies funktionierte zwar im Kleinen, war aber für eine komplette Straßenbeleuchtung natürlich nicht ausreichend. Deshalb schrieb die Stadt Bonn am 26. März 1852 die „Bedingungen aus, unter welchen das ausschließliche Recht der Beleuchtung der Straßen und Plätze mit laufendem Gas einem Unternehmer während eines Zeitraums von 25 nach einander folgenden Jahren übergeben werden soll“. Den Zuschlag erhielt Alexander Oster, der in der Breitestraße die erste Bonner Gasanstalt eröffnete. Am 20. November 1853 war es dann soweit: die ersten Öl-Lampen wurden durch moderne Gaslaternen ersetzt. Die Kosten waren mit insgesamt 3113 Taler veranschlagt (auch die Gaslaternen mussten zunächst von Hand angezündet werden, bis die Technik soweit voran schritt, dass man sie mit Druckstößen im Gasnetz anzünden konnte).


Ansichtskarte um 1920. Argelanderstraße mit
"moderner" Gaslaterne
Gaslaterne in Herne
(baugleiches Modell wie Bonn)
Foto: WikiUser: Stahlkocher
Am 14. Februar 1854 konnte mit der Gas-Lieferung begonnen werden. Übrigens rissen in der Folgezeit die Klagen der Bevölkerung über die schlechte Qualität in Verbindung mit zu hohen Gaspreisen nicht ab, so dass Oberbürgermeister Hermann Jakob Doetsch (seit 1875 im Amt) sich gezwungen sah, den Vertrag mit Oster am 1. April 1879 zu kündigen. Die Stadtverordnetenversammlung entschloss sich daraufhin, die städtische Beleuchtung in eigener Regie zu übernehmen. Noch im selben Jahr wurde das erste städtische Gaswerk in Betrieb genommen und die Stadt durch nunmehr 1120 Gaslaternen mit Schnittbrennern beleuchtet. 1899 waren es dann schon 1658 in Bonn, 134 in Poppelsdorf und 10 in Privatstraßen. Zudem brannten erstmals zwölf elektrische Bogenlampen in der Dunkelheit, womit eine neue Ära eingeleitet wurde.

Marktplatz mit Bogenlampe, Ansichtskarte von 1898,
eigene Sammlung
Dass der Unterhalt der Beleuchtung nicht gerade kostengünstig war, zeigt der Verwaltungsbericht der Stadt Bonn aus dem Jahr 1904. Nach diesem gab es im Rechnungsjahr (1.4.1903-31.3.1904) in Bonn 2140 mit Glühlichtbeleuchtung versehene Gaslaternen mit 2275 Flammen. Von diesen brannten 1363 die ganze Nacht durch. Zusätzlich gab es 22 elektrische Bogenlampen mit 15 Ampére und 12 separate elektrische Bogenlampen nur für die Beleuchtung an der Stadthalle. Die Jahreskosten beliefen sich auf ganze 49.000,48 Mark, davon alleine 28.758,80 Mark „Anzündelöhne“. Bis etwa 1920 stieg die Zahl der Leuchtkörper in Bonn auf stattliche 3200 Gaslaternen und 465 elektrische Lampen.

Bis in die heutige Zeit versahen die alten Bonner Gaslaternen stellenweise noch ihren Dienst. Im November 2015 konnte man im General-Anzeiger lesen, dass nun die letzten Gaslaternen, die noch in der Südstadt standen, endgültig ausgetauscht werden. Damit endet leider eine kulturgeschichtlich hochinteressante Epoche. Ich werde das wunderbar gelb-warme Licht ebenso vermissen, wie das leise Zischen unter den Laternen. Es war wie ein Gruß aus längst vergangenen Zeiten.

850 Jahre Erhebung der Gebeine von Cassius und Florentius

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Am 2. Mai jährt sich das Fest der Erhebung der Gebeine von Cassius und Florentius zum 850. Mal. 1166 war es der Bonner Propst Gerhard von Are, der die Gebeine der Heiligen in Anwesenheit des Kölner Erzbischofs Reinald von Dassel aus ihren Gräbern erhob, in einer feierlichen Prozession um die Kirche trug und auf dem Hochaltar in zwei prächtigen Schreinen aufbewahrte. Die Verehrung dieser Heiligen ist jedoch sehr viel älter als 850 Jahre und geht vielleicht sogar zurück auf den Beginn der christlichen Totenmemorie (also des Totengedenkens) aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts (nach anderer Meinung vielleicht auch erst Mitte des 4. Jahrhunderts), die sich unter der Krypta der heutigen Münsterkirche befand.

Cella memoriae
Foto: Hans Weingartz
Archäologisch ist diese cella memoriae gut fassbar, doch sagt uns die Archäologie naturgemäß nichts darüber, wem dort gedacht wurde. Die erste schriftliche Erwähnung der Heiligen Cassius und Florentius findet sich im Martyrologium Hieronymianum aus dem frühen 7. Jahrhundert, ist jedoch noch ohne Bezugnahme auf Bonn. Als ausdrücklich „Bonner“ Heilige werden sie aber in einer Urkunde vom 28. Juli 691 genannt, denn dort heißt es „ad basilicam sanctorum Cassii et Florentii“ (bei der Kirche der Heiligen Cassius und Florentius), womit auch erstmals in diesem Zusammenhang eine Grabeskirche (heutige Münsterkirche) in Bonn erwähnt wird. Entstanden war sie an der Stelle der cella memoriae etwa Mitte des sechsten Jahrhunderts als kleine Saalkirche von 13,77 m x 8,88 m Seitenlänge. Um 780 entstand dann ein karolingischer Erweiterungsbau mit einem Chor. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts wurde der Bau niedergelegt und in genauer Ostrichtung durch einen großzügigen Kirchenneubau ersetzt; Grundsteinlegung war um 1040. Dabei wurden die überlieferten Steinsärge der Märtyrergräber als Angelpunkt mit einem Tonnengewölbe überfangen, das heute die Gruft unter der Krypta bildet. Die Kirche selbst wurde als flachgedeckte Kreuzbasilika von fast 70 Metern Länge mit Doppelchor errichtet. An der nördlichen Langhauswand befand sich vor dem Haupteingang eine Vorhalle.

Gräber der Märtyrer mit Tonnengewölbe
unter der Krypta
Foto: http://www.bonner-muenster.de
Lage der cella memoriae
unter dem heutigen Münster
Foto: http://www.bonner-muenster.de
Um 1140 setzte dann durch Propst Gerhard von Are nochmals eine umfassende und aufwendige Bautätigkeit an der Münsterkirche ein. Der alte Langchor und die darunter befindliche Krypta wurden um ein ganzes Geviert nach Osten hin erweitert und mit einer Apsis versehen, die sich in drei Etagen gliedert. Am heutigen, nur wenig veränderten Zustand, erkennen wir noch den ursprünglichen Bau. Über einem breiten Sockel mit drei Kryptafenstern wurde das erste Geschoss errichtet, das durch Halbrundsäulen und Blendbögen in sieben Felder geteilt ist. Das zweite Geschoss, bestehend aus sieben, von freistehenden Säulen getragenen Bögen, hatte drei große, wohl aus farbigem Glas bestehende Chorfenster. Darüber befindet sich noch heute die Zwerchgalerie mit 22 Rundbögen, die abwechselnd von Doppelsäulen und zwei Einzelsäulen getragen werden. Die Bonner Apsis mit ihrer besonders differenzierten Gestaltung – von der Kunstgeschichte „Rheinischer Etagenchor“ genannt – war die Erste ihres Typs am Niederrhein und prägte für nahezu einhundert Jahre das Erscheinungsbild anderer Kirchen im gesamten Raum durch Neu- und Umbauten. Viele Kirchen folgten ihrem Beispiel, wie St. Gereon in Köln, die Abteikirche in Maria Laach oder St. Servatius in Maastricht. Flankiert wurde der Bau durch zwei mächtige, stilistisch die Gliederung der Apsis weiterführende Türme mit je einem Freigeschoss. Das benötigte Steinmaterial kam vorwiegend aus dem Neuwieder Becken und vom Drachenfels.

Das Altmünster vor dem Umbau
Münsterkriche vor und nach dem Umbau

Parallel zum mächtigen Ostbau ließ Gerhard von Are neue Stiftsgebäude an der Südseite der Kirche errichten und einen Kreuzgang anlegen, der in seiner geschlossenen Erhaltung heute einmalig im Rheinland ist. Die Arkaden der Kreuzgangsflügel zeichnen sich durch einfallsreiche Ornamentik aus. Besonders ausgewogen erscheint der Südflügel, dessen vorkragende Obergeschossgalerie auf fünf säulengetragenen Blendbögen ruht. Innerhalb des neugebauten Kapitelhauses am Ostflügel befand sich die Cyriacuskapelle, die Gerhard zu seiner Begräbnisstelle bestimmt hatte.

Gerhards Zeitgenossen zeigten sich von der Anlage außerordentlich beeindruckt. In einer Urkunde des Kölner Erzbischofs Friedrich II. von 1158 heißt es: „Praeterea quam diligens circa edificia ecclesia exstiterit, tocius sanctuarii et claustri interioris structura declarat, que eius studio a fundamentis erecta et, ut cernitur magnificata est“ (Wie sorglich er sich für den Kirchenbau einsetzte, das beweist der Bau des ganzen Heiligtums und des inneren Klosters, der durch seinen Eifer von Grund auf errichtet wurde und, wie man sieht, vergrößert worden ist).

Die neue Kirche können wir uns nun also vorstellen als einen großen, langgestreckten basilikalen Bau in Kreuzform, doppelchörig mit großer Schaufront im Osten, Kreuzgang an der Südseite, flachgedeckt und mit fünf Türmen bekrönt; zwei kleineren im Westen, zwei großen im Osten und einem eingeschossigen rechteckigen Vierungsturm. Die kurzen Querschiffe endeten noch mit einem rechteckigen Abschluss und wurden erst gegen 1200 polygonal erweitert. Der Abschluss des Westchors war, ähnlich dem des Ostchors, nach außen halb rund. Das Langhaus hatte oberhalb der Seitenschiffe romanische Rundbogenfenster und vor dem Eingang an der Nordseite eine große Vorhalle.
Diese gewaltige Kirche barg die Gräber der heiligen Cassius, Florentius und Mallusius. Am Vorabend des 14. September 1153 erfolgte die Einweihung des Neubaus. Über den Weiheakt sind wir unterrichtet durch die Aufzeichnungen der Visionen der hl. Elisabeth aus dem Kloster Schönau im Taunus, deren Bruder Ekbert Kanoniker des Bonner St. Cassiusstifts war. Ihre Visionen setzten zu Pfingsten 1152 ein und wurden sorgfältig in chronologischer Folge aufgeschrieben. Für 1153 findet sich eine an ihren Bruder gerichtete Schilderung, in der es (wörtlich) übersetzt heißt: „Ich habe auch etwas, das ich dir über die Weihe der Bonner Kirche, die kürzlich geschehen ist (de Bonnensis ecclesiae consecratione, que nuper facta est) berichten möchte“. Dann folgt die Schilderung ihrer Vision, deren historischer Kern darüber informiert, dass am Vorabend des Festes Kreuzerhöhung (14. September) des Jahres 1153 eine feierliche Weihehandlung im Bonner Münster stattgefunden hat.

Tumba Gerhards von Are
Zeichnung von 1788
Natürlich wissen wir heute nichts über die Beweggründe, die dazu führten, dass Propst Gerhard im Jahre 1166 die Gräber öffnen ließ und die Märtyrergebeine von Cassius, Florentius und Mallusius erhob. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es seine Intention war, damit seine Stellung gegenüber den anderen Stiften weiter zu behaupten, denn im Mittelalter waren Anzahl und Herkunft der Reliquien nicht unerheblich für den Einfluss einer Kirche. Zudem waren zwei Jahre zuvor in Köln die Gebeine der Heiligen Drei Könige ausgestellt worden und auch Aachen hatte bereits 1165 die Erhebung der Gebeine Karls des Großen gefeiert. Sicherlich wollte Propst Gerhard dabei keinesfalls zurückstehen, da mit der Reliquienerhöhung auch eindeutig wirtschaftliche Interessen verbunden waren, wie die Verleihung von Jahrmärkten in Aachen und Bonn bezeugt. Auffallend ist jedoch, dass nun plötzlich in Bonn der Name eine dritten Heiligen, Mallusius, ins Spiel kommt, der zuvor nie in diesem Zusammenhang genannt worden war. Wie es zur Verehrung dieses Heiligen kam, bleibt ungewiss, doch war es vielleicht wichtig, nachdem die Kölner Hauptkirche nun drei Heilige vorweisen konnte, die Zahl der Heiligen des Bonner St. Cassiusstifts (heute Münsterkirche) aus Prestigegründen zu erhöhen. Dabei wollte man vielleicht auch den Abstand zu den Konkurrenzstiften St. Gereon in Köln und St. Viktor in Xanten, die jeweils nur einen Heiligen aus der Thebäischen Legion vorweisen konnten, uneinholbar vergrößern.

Jedenfalls eröffnete Propst Gerhard am 2. Mai 1166 in Anwesenheit des Kölner Erzbischofs Reinalds von Dassel – dem berühmten Paladin Kaiser Barbarossas – und einer großen Menschenmenge die Gräber der heiligen Märtyrer in der Grabkammer der Münsterkirche. Um allen Zweifeln zu begegnen, ließ der Propst demonstrativ verkünden, man habe noch jetzt, 973 Jahre nach dem Martyrium, trockenes Blut in den Gräbern gefunden. Die Kölner Königschronik vermerkte dies mit den Worten: „Eodem anno Reinoldus archiepiscopus et Gerhardus praepositus Bunnensis beatissimos martyres Cassium, Florentium et Mallusium 6. Non. Maii cum inenarrabili cleri devotione et multitudine populi transtulerunt, invento sicco quidem, sed evidenti sanguine ipsorum, cum annis 973 passio ipsorum transacta fuerit“ (Im selben Jahr erhoben Erzbischof Reinald und Propst Gerhard von Bonn die heiligen Märtyrer Cassius, Florentius und Mallusius am 2. Mai mit unbeschreiblicher Hingabe des Klerus und einer zahlreichen Volksmenge und fanden zwar trockenes, aber deutlich erkennbares Blut, obgleich seit ihrer Leidenszeit 973 Jahre vergangen waren).

Für die Gebeine der drei Heiligen Cassius, Florentius und Mallusius hatte Gerhard vor der Erhebung kostbare goldene Schreine anfertigen lassen, in denen diese anschließend aufbewahrt wurden. Beschrieben werden diese Schreine in einem Reisebericht vom April 1537 als große Tumben von fast Menschenlänge. Im Schatzverzeichnis der Münsterkirche von 1588 heißt es, der Reliquienschrein von Cassius bestünde ganz aus Silber und Gold und sei mit kostbaren Edelsteinen besetzt. Hier wird auch eine ganz aus Silber und Gold gefertigte und mit Edelsteinen besetzte Büste des Cassius erwähnt, die das Haupt des Märtyrers barg. Im Kölnischen Krieg wurde dieser enorme Schatz leider geraubt und eingeschmolzen.

Vor 850 Jahren also wurden diese Schreine nach einer feierlichen Prozession über den Münsterplatz auf dem Hauptaltar der Kirche aufgestellt und den Gläubigen zur Verehrung dargeboten. Anlässlich des Festes gewährte Erzbischof Reinald dem St. Cassiusstift einen dreitägigen zoll- und abgabefreien Markt auf dem Münsterplatz. Der Markt wurde von nun an jährlich als großes Kirchenfest unter Beteiligung der Bürgerschaft mit einer großen, feierlichen Prozession und der Umtragung der Reliquien begangen, eine Tradition, die bis heute (wenn auch am 10. Oktober, dem Gedenktag der Märtyrer) fortgeführt wird.

Am 6.10.1643 erhob Kurfürst-Erzbischof Ferdinand von Bayern die Märtyrer Cassius und Florentius zu Bonner Stadtpatronen. Seit 2008 ist die heilige Adelheid von Vilich die dritte Bonner Stadtpatronin.
 
Exkurs: Was ist mit Mallusius?

Wie seine Kameraden Cassius und Florentius stammte auch Mallusius aus der von Kaiser Maximianus befehligten thebäischen Legion. Nachdem Mitglieder der aus Christen bestehenden Einheit sich geweigert hatten, ihrem Kaiser göttliche Ehren zu erweisen, ließ dieser sie der Legende nach in rasender Wut hinrichten und alle übrigen Thebäer verfolgen. So sollen des Kaisers Schergen am Ende des 3. Jahrhunderts Cassius, Florentius und Mallusius am Fuß des Kreuzbergs enthauptet haben (heute Mordkapelle in Bonn-Endenich). Kaiserin Helena soll die Leichen gefunden und am Ort der heutigen Münsterkirche begraben haben.

Während Cassius und Florentius nun bereits seit dem 7. Jahrhundert als Patrone des Bonner Münsters bezeugt sind, bleibt die Herkunft Mallusius’ unklar. Zwar wird er mehrfach in Verbindung mit den Thebäern genannt, nicht aber im Zusammenhang mit der Münsterkirche. Im Bericht des Küsters Theoderich der Abtei Deutz erscheint er gemeinsam mit Florentius als Gefolgsmann des Kölner Märtyrers Gereon, wobei Cassius nicht erwähnt wird. Als dritter Märtyrer des Bonner St. Cassiusstifts (heute Münsterkirche) erscheint Mallusius erst 1166 bei der Erhebung der Gebeine durch Gerhard von Are. Allerdings ist er zusammen mit Cassius und Florentius an der Decke der nach 1156 ausgemalten Doppelkirche von Schwarzrheindorf abgebildet! Zudem gab es in der Abtei St. Thomas in Andernach im 12. Jahrhundert eine Krypta „sanctorum martyrum Cassii, Florentii, Mallusii“ (der heiligen Märtyrer Cassius, Florentius, Mallusius) – sie ist aber wahrscheinlich erst nach 1166 auf diesen Namen geweiht worden. Mallusius bleibt also fest mit dem 2. Mai 1166 verbunden. Wieso er aber immer im Schatten von Cassius und Florentius blieb und 1643, als die beiden Letztgenannten durch Ferdinand von Bayern zu Bonner Stadtpatronen erhoben wurden, sogar vergessen oder bewusst ausgelassen wurde, muss leider unbeantwortet bleiben und kann wohl nicht mehr geklärt werden.

Dieser Artikel beinhaltet in weiten Strecken wörtliche Auszüge aus: Josef Niesen, Gerhard von Are. Propst des Bonner St. Cassiusstifts von 1124 bis 1169, in: Bonner Geschichtsblätter, Band 57/58, Bonn 2008.

26.6.2016: 100. Geburtstag von Karlrobert Kreiten.

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Karlrobert Kreiten
Foto: Stadtarchiv Bonn

Karlrobert Kreiten gehört, trotz seines frühen Todes, zu den größten musikalischen Talenten des 20. Jahrhunderts. Man mag sich kaum vorstellen, was aus dem Ausnahme-Pianisten geworden wäre, hätten die Nazis ihn nicht mit nur 27 Jahren ermordet.

Geboren wurde er am 26. Juni 1916 in Bonn als Sohn des niederländischen Komponisten und Pianisten Theo Kreiten (1887–1960) und der deutschen Mezzosopranistin Emmy Liebergesell (1894–1985). Kreitens Eltern waren 1913 nach Bonn gezogen, wo der Vater als Konservatoriums-Lehrer tätig war, wie es in den Adressbüchern heißt. Dazu kam zu dieser Zeit eigentlich nur das bedeutende Ziskoven-Konservatorium auf der Coblenzer Straße (heute Adenauerallee) in Betracht, das einen hervorragenden Ruf in ganz Deutschland genoss. Mehrere Jahre bewohnte die Familie ein schönes Haus in der Endenicher Straße 40 – das Geburtshaus Karlroberts – , doch zog sie schon 1917 weiter nach Düsseldorf, wo Theo Kreiten eine Dozentenstelle am Buths-Neitzel-Konservatorium angenommen hatte und die Mutter als Kammersängerin auftrat. Die Eltern erkannten schnell die besondere Begabung des Jungen, der schon früh als Wunderkind galt und bei privaten Musikabenden illustren Gästen wie dem Dirigenten Wilhelm Furtwängler auf seinem Schiedmayer-Flügel vorspielte.

Foto: karlrobertkreiten.de
Foto: karlrobertkreiten.de


Bereits mit zehn Jahren trat er als Solist in Mozarts Klavierkonzert A-Dur in der Düsseldorfer Tonhalle auf und bestand mit nur zwölf Jahren glänzend seine Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Köln, wo er von Peter Dahm unterrichtet wurde. Seine Ausbildung zum Konzertpianisten beendete er 1934 mit Bravour. Danach setzte er seine Studien 1935 bei Hedwig Rosenthal-Kanner in Wien fort, bis er 1937 nach Berlin übersiedelte, wo er – durch Furtwängler gefördert, der ihn für den begabtesten Pianisten Deutschlands hielt – Meisterschüler des brillanten chilenischen Pianisten und hervorragenden Beethoveninterpreten Claudio Arrau wurde. Der war so begeistert von Kreiten, dass er noch 1983 in einem Interview über ihn sagte: „Kreiten war eines der größten Klaviertalente, die mir persönlich begegnet sind. Wäre er nicht durch das Nazi-Regime kurz vor Kriegsende hingerichtet worden, so hätte er ohne Zweifel seinen Platz als einer der größten deutschen Pianisten eingenommen. Er bildete die verlorene Generation, die fähig gewesen wäre, in der Reihe nach Wilhelm Kempff und Walter Gieseking zu folgen.

Kreiten, der schon in seiner Jugend bedeutende Wettbewerbe gewonnen hatte, eroberte bis 1943 die großen Konzerthäuser mit Werken der Romantik aber auch mit Werken der russischen Avantgarde wie Igor Strawinsky und Sergej Prokofieff. Zudem zeigen die wenigen noch vorhandenen Tondokumente, dass er trotz seiner Jugend bereits ein großer Beethoven-Interpret war. Schon 1933 hatte er sich in Berlin mit Beethovens „Waldstein-Sonate“ den Großen Mendelssohn-Preis erspielt. Doch 1943 war Schluss. Sein letztes Konzert gab der junge Pianist am 23. März 1943 im Berliner Beethovensaal. Für ein Liszt-Konzert in Florenz wurde dem Musiker überraschend die Ausreiseerlaubnis verweigert, so dass die Litfaßsäulen mit dem Namenszug „Carlo Roberto Kreiten“ überklebt werden mussten. Dann, kurz vor Beginn des für den 3. Mai 1943 in Heidelberg geplanten Konzerts wurde Karlrobert Kreiten von der Gestapo verhaftet.

Ausschlaggebend dafür waren seine im privaten Kreis, im Haus von Ellen Ott-Monecke, einer Jugendfreundin seiner Mutter, geäußerten Bemerkung, dass er sehr unter den Lügen des Regimes leide und überzeugt sei, „der praktisch verlorene Krieg“ werde „zum vollständigen Untergang Deutschlands und seiner Kultur“ führen. Ellen Ott-Monecke aber stand dem Nationalsozialismus nahe und informierte ihre Nachbarin Annemarie Windmöller, eine Schulungsleiterin der NS-Frauenschaft, die den „Fall“ gemeinsam mit Tiny von Passavent, einer Kreiten missgünstig gesinnten Sängerin, umgehend der Reichsmusikkammer meldete. Nach seiner Verhaftung in Heidelberg wurde Kreiten in die berüchtigte Berliner Gestapo-Zentrale in die Prinz-Albrecht-Straße gebracht, wo er sich bei einer Gegenüberstellung mit den beiden Frauen mit Ausreden zu verteidigen suchte. In seiner Verzweiflung gab er an, er habe nicht seine eigene Meinung dargelegt, sondern nur geäußert, was er „so auf der Bahnstation“ gehört habe. Die Denunziantinnen beharrten aber nicht nur auf ihrer Aussage, sondern gaben auch zu Protokoll, dass sie bei einem von ihnen angeblich arrangierten zweiten Gespräch mit Ellen Ott-Monecke hinter einem Vorhang mitangehört hätten, wie der Pianist seine „kriminellen Äußerungen“ nicht nur wiederholt, sondern nun sogar Adolf Hitler als „Wahnsinnigen“ bezeichnet habe.

Werner Höfer, Moderator des
"Internationalen Frühschoppens"
Foto: karlrobertkreiten.de
Nach zwei Monaten schwerer Haft und wohl auch Folterungen wurde Kreiten ins Untersuchungsgefängnis Moabit verlegt, wo er auch während der Fliegerangriffe gefesselt in seiner Zelle im oberen Stock verbleiben musste. Trotz der Fürsprache bekannter Persönlichkeiten wie Fritz von Borries‘ (Musikreferent des Propagandaministeriums) oder Furtwänglers wollte man an ihm ein Exempel statuieren und eröffnete den Prozess vor dem Volksgerichtshof. In einem Schauprozess unter dem Vorsitz Roland Freislers wurde Kreiten am 3. September 1943 wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und vier Tage später, am 7. September 1943, mit nur 27 Jahren und trotz Gnadengesuche, im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet. Den Eltern des toten Pianisten schickte die Gerichtskasse eine Rechnung für die Hinrichtungskosten über 639,20 Reichsmark, die binnen einer Woche gezahlt werden musste.

Als wäre das alles nicht schrecklich genug, erschien am 20. September 1943 im Berliner „12-Uhr Blatt“ in großer Aufmachung ein Artikel Werner Höfers, der die Hinrichtung Kreitens bejubelte.

1984 beschloss der Rat der Stadt Bonn, in Poppelsdorf eine Straße nach Karlrobert Kreiten zu benennen.

650 Jahre Pützchens Markt

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Gestern wurde in Beuel der 650. Pützchens Markt durch den Fassanstich des Oberbürgermeisters offiziell eröffnet. Der Ursprung des Volksfestes liegt jedoch schon mehr als 1000 Jahre zurück.

Heilige Adelheid von Vilich
auf einem Pilgerblatt von 1718

Seinen frühesten Anfang nahm Pützchens Markt im Jahre  976, als das Grafenpaar Gerberga und Megingoz von Geldern für ihren kurz zuvor im Böhmenkrieg gefallenen Sohn Gottfried in Vilich ein Frauenstift gründeten. Da die älteste Tochter Bertrada bereits Äbtissin des Kölner Klosters Maria im Kapitol war, überantworteten sie die Leitung des Stifts ihrer zweiten Tochter Adelheid, die es - nachdem sie im Kölner Stift St. Ursula eine umfassende Ausbildung genossen hatte - in ein Kloster umwandelte und deren erste Äbtissin sie wurde. Während der Hungerjahren im Rheinland um das Jahr 1.000 erlangte die später heilig gesprochene Adelheid als Helferin der Armen hohes Ansehen. Der Überlieferung nach hat sich bei einer Bittprozession ein Quellwunder ereignet, nachdem Adelheid ihren Äbtissinnenstab in die Erde gestoßen habe.

Überprüfen lässt sich diese Legende freilich nicht, doch spricht die Flurbezeichnung „Pützchen“ für ein hohes Alter, denn sie geht zurück auf das lateinische Wort „Puteus“ für Brunnen oder Quelle, das sich in seiner rheinischen Form zu Pütz (=Pfütze) gewandelt hat und später im Diminutiv zu Pützchen wurde. Auf das oben erwähnte Quellwunder soll der heutige Brunnen mit Heilwasser angeblich zurück gehen.

Tatsächlich setzte spätestens nach dem Tod Adelheids im Jahre 1015 ein Pilgerstrom von Heilung suchenden Wallfahrern ein, die nicht nur das Adelheidis-Grab besuchten, sondern auch Linderung am wundersamen Brunnen suchten. So entstand zunächst eine kleine, von einem Eremiten betreute Kapelle und später – wegen des immer größer werdenden Pilgerstroms – ein Kloster mit einer Kirche. Vermutlich schon damals etablierte sich auch ein jährlicher Markt, von dem wir aber erst in einer Urkunde vom 26. Januar 1367 Kenntnis erlangen. Dieses älteste Dokument, in dem der Adelheidisborn erwähnt wird, ist die Grundlage zur heutigen 650-Jahrsfeier!

Nachdem 1632, während des Dreißigjährigen Kriegs die Wallfahrtskirche in Vilich zerstört worden war, wurde die Adelheidis-Wallfahrt an die wundersame Quelle nach Pützchen verlagert, wo die Karmeliter 1706 ein Kloster errichteten, das die Pilger beherbergen konnte. 1724 entstand die Wallfahrtskirche.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fanden die Adelheidis-Wallfahrten zu ihrem Todestag am 5. Februar statt; erst danach wurde der Termin auf den 8. September verlegt. 1830 wurde er vom Tag Mariä Geburt (8. September) auf den zweiten Septembersonntag gelegt. Der an diesem Tag stattfindende Markt hatte zunächst den Charakter einer Warenmesse und bestand im Wesentlichen aus einem Kleidungsmarkt, dem sogenannten „Pluutemaat“, der heute jedoch nur noch rudimentär vorhanden ist, da jetzt die Fahrgeschäfte bei weitem überwiegen.


Adelheidis-Brunnen
von 1684
Der ursprünglich vorhandene Brunnen wurde 1684 durch die heute noch bestehende Brunnenanlage mit dem Steinkreuz ersetzt, 1864 wurde die Brunnenfassung neu gestaltet (siehe Artikel zum Adelheidisbrunnen). Da dem Brunnenwasser besondere Heilkräfte bei Augenerkrankungen zugeschrieben werden, waschen sich auch heute noch viele Besucher mit dem stark alaunhaltigen und dadurch desinfizierenden Wasser die Augen aus.

Bereits der mittelalterliche Markt zog viele Gläubige, Pilger, Händler und Kauflustige an, aber auch Gaukler, Schausteller und Schankwirte aus ganz Deutschland. Bereits damals kam auch viel „fahrendes Volk“ aus den östlichen Gebieten, darunter viele Roma, um auf Pützchen ihre Darbietungen zu zeigen. Noch bis in die 1980er Jahre bildete der traditionelle „Zigeunerball“ den Abschluss der rheinischen Großkirmes. So ist bis heute Pützchen ein Anziehungsort für etwa 200 Roma aus ganz Europa, die sich einmal jährlich dort treffen.


Grab von Ferko Czori
Viele von ihnen wählten den nahegelegenen Friedhof am Platanenweg zu ihrer letzten Ruhestätte, wo sich im Laufe der Zeit eine eigene Friedhofskultur entwickelte. Zu den außergewöhnlichsten Grabstätten gehört die des berühmten „Zigeunerkönigs“ Ferko Czori.

Pützchens Markt entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte von einem Warenmarkt zu einem großen Volksfest, auf dem schon in der Barockzeit Kuriositäten wie die „dickste Frau der Welt“ gezeigt wurden. Ab 1776 verband sich der „Krammarkt“ mit einem großen Viehmarkt, 1840 wurden erstmals in der Marktordnung Karussels erwähnt. In den Jahren 1821 bis 1850 wurden jeweils zwischen 509 und 1101 Buden gezählt, die durchschnittliche Anzahl lag meist zwischen 700 und 900. Bis zu 112 Wirte boten Speisen und Getränke an, und schon seinerzeit strömten mehr als 50.000 Besucher dorthin; immerhin das Vierfache der damaligen Bonner Einwohnerzahl, denn das zum Herzogtum Berg gehörende Beuel zählte keine 3000 Einwohner.

Pützchens Markt
Bildnachweis: Wiki user "Der Sascha"

Aber damals wie heute war jedes Volksfest auch Anziehungsort für Gauner, Diebe und Betrüger. So war Pützchens Markt bekanntermaßen ein beliebter Treffpunkt der Räuberbanden, die von dort in ganz Deutschland einfielen. Der seinerzeit bekannteste und gefürchtetste Räuberhauptmann Deutschlands, Johannes Bückler („Schinderhannes“ genannt) räumte um 1800 in Beuel ein ganzes Warenlager aus. 1802 wurde er auf Pützchens Markt aufgegriffen und nach Bonn ins Gefängnis überstellt. Die Nachricht von seiner Verhaftung verbreitete sich auf dem Markt wie ein Lauffeuer und schon in der darauffolgenden Nacht wurde der Räuber durch Komplizen befreit und konnte fliehen. Nur ein Jahr später landete er in Mainz auf dem Schafott und wurde öffentlich guillotiniert.


Der "Schinderhannes"
Der "Fetzer"


Mathias Weber, ein anderer berüchtigter Räuber und Mörder, der wegen seines wütendes Dreinschlagens und zerfetzens bei Handgemengen den Spitznamen „Fetzer“ trug, stahl in Pützchen einer Bäuerin in der Wallfahrtskirche einen großen Korb. Doch beim Verlassen der Kirche schrie plötzlich ein Baby daraus, so dass Weber den Korb erschrocken auf den Kirchenstufen stehen ließ und in der Volksmenge untertauchte. Im Jahre 1800 brach er ins Beueler Warenlager Beckers ein. Als er 1803 in Köln verhaftet wurde, gestand er 181 Einbrüche und die Ermordung seiner Ehefrau. Über Pützchen berichtete er, dass es allen Räubern besonders vertraut sei, und dass zwei Häuser mitten im Ort geheime Verstecke enthielten. Auch Mathias Weber starb 1803 auf dem Schafott durch die Guillotine. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung in Köln.

1892 musste Pützchens Markt wegen einer grassierenden Cholera-Epedemie ausfallen. Den nächsten Ausfall gab es 1939 wegen des kurz zuvor ausgebrochenen Kriegs, obwohl bereits alle Aufbauten beendet waren. Bis 1944 fand kein Jahrmarkt mehr statt, doch bereits 1945 führte man einen (wenn auch bescheidenen) Nachkriegsmarkt durch. Am 11.9.2001 fielen die Anschläge auf das World Trade Center in New York genau auf Pützchens Markt, der unmittelbar darauf abgebrochen wurde.

Hannelore Kohl mit dem damaligen OB Hans Daniels
bei einem Besuch auf Pützchens Markt

Heute hat sich Pützchens Markt mit rund 500 Fahrgeschäfte und andere Angebote auf ca. 80.000 Quadratmetern Veranstaltungsfläche zu einer modernen Kirmes entwickelt. Sie gilt als größter Jahrmarkt im ganzen Rheinland mit Besucherrekorden von rund 1,1 Millionen Besuchern. Der ursprünglich vier Tage dauernde Markt wurde erst nach der Eingemeindung Beuels 1969 auf fünf Tage erweitert. Ein 2010 versuchsweise eingeführter sechster Kirmestag wurde 2012 wieder zurückgenommen.

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Pünktlich zum Kirmesstart ist dieses Jahr das wundervolle Buch "Pützchens Markt 650 Jahre in Bonn am Rhein" erschienen, das von Karl-Heinz Erdmann und Michael Faber im Bouvier-Verlag herausgegeben wurde.
Absolut Lesenswert!
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Neuerscheinung

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Josef Niesen, "Historisches Bonn. Ein fotografischer Rundgang mit Bildern aus zwei Jahrhunderten", 128 Seiten, 118 s/w-Bilder, 24,50 €.

In den letzten 150 Jahren hat sich Bonns Sozialstruktur durch den gesellschaftlichen Wandel stark verändert, was sich nicht zuletzt in der städtischen Architektur widerspiegelt. Hinzu kamen massive Eingriffe ins Stadtbild durch Kriege, Modernisierungsbestrebungen, Abrisse und Neubauten. Und ebenso lange gibt es Menschen, die diese Veränderungen in ihren Fotografien festgehalten haben. Erleben Sie die Stadt von einst in mehr als einhundert Aufnahmen von den 1870er Jahren bis in die Nachkriegszeit. Alle Bilder, darunter viele bislang noch unveröffentlichte, stammen aus der privaten Sammlung des Autors.

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