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Channel: Historisches Bonn
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Bonner Originale: Schiefgens Kapelle

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Im 19. Jahrhundert gab es in Bonn eine aus drei Musikern bestehenden Kapelle, die nach ihrem Gründer Bernhard Schiefgen (auch Schieffer) „Schiefjens Kapell“ genannt wurde. Schiefgen selbst spielte Querflöte, „Bem“, über den leider weiter nichts bekannt ist, Gitarre und „Lutscher“, von dem man nur noch weiß, dass er seinen Spitznamen der Form seiner Nase verdankte, die angeblich einem Kinderflaschensauger geglichen haben soll, spielte Geige. Diese Drei musizierten vorwiegend auf Familienfesten, Hochzeiten, Studentenkneipen und Kirmessen. Bei Namenstagen oder runden Geburtstagen tauchte die Gruppe meist ungefragt auf, überreichte dem Jubilar einen Blumentopf und spielte ein Ständchen. Anschließend sammelte man Geld im Hut ein, nahm den Blumentopf wieder an sich – er wurde ja noch für weitere Jubiläen gebraucht – und zog weiter. Es ist überliefert, dass ihre Konzerte in der Regel von starken Misstönen begleitet waren, was oft die Heiterkeit des Publikums erregte.

Von links: Schiefgen, Bem, Lutscher, Ansichtskarte, eigene Sammlung.

Die wahre Geschichte jenseits der sozialromantischen Anekdoten-Seligkeit sieht etwas anders aus. Diese drei Männer waren arm, ohne Beruf und Schulbildung. Nur ihre Fähigkeit, ein Instrument (schlecht) spielen zu können, brachte sie aus Not zusammen. Sie waren gezwungen, für ein paar Pfennig um ihr nacktes Überleben zu spielen, auch wenn sie ausgelacht wurden. Ihrer musikalischen Unzulänglichkeit bewusst, mussten sie ihren Stolz unterdrücken. So lebten sie ihr entbehrungsreiches Leben auf den Bonner Straßen und in den Armenhäusern. Die Tragik eines solchen Lebens zeigt die Biografie Bernhard Schiefgens, die ich einmal recherchiert habe:

Bernhard Schiefgen
1820 in Danzig geboren, wuchs Schiefgen gemeinsam mit 15 Geschwistern in äußerst beengten Verhältnissen in einer armen rheinischen Familie auf. Der Vater unterrichtete ihn schon früh (mehr schlecht als recht) auf verschiedenen Instrumenten, damit der Junge als Straßenmusikant Geld zum Unterhalt hinzuverdienen konnte. Eine Schul- oder Berufsausbildung erhielt er nicht. Nach der Übersiedlung der Familie nach Bonn spielte Schiefgen als Straßenmusiker zunächst in wechselnder Besetzung, bis er eine feste Kapelle gründete, mit der er zum Bestandteil des Bonner Lebens zur Kaiserzeit wurde. Nach dem Tod seiner beiden Kollegen „Lutscher“ und „Bem“, zog Schiefgen noch eine Weile mit einem Triangel spielenden Jungen durch die Straßen, bis er selbst zu alt wurde. Ohne eigene Wohnung und Besitz, zog er in das Männerasyl „Wilhelm-Augusta-Stift“, wo er am 25.6.1907 völlig verarmt verstarb. Seine Querflöte, das Einzige was ihm geblieben war, vermachte er einer unbekannt gebliebenen Gönnerin, die sie später dem Verein Alt-Bonn (heute Bonner Heimat- und Geschichtsverein) überließ.

28.6.1911: Todestag von Johann Bachem, Gründer des weltweit ersten Opel-Hauses in Bonn

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28.6.2014: Heute vor 103 Jahren starb Johann Bachem, der Gründer des weltweit ersten Opel-Hauses in Bonn.

Der 1847 in Bonn geborene Johann Bachem gründete 1872 am Bonner Viehmarkt (heute Friedensplatz) im Haus Nr. 2 b eine Klempnerei für Gas- und Wasserleitungen, Zinkbedachungen und Badeeinrichtungen sowie für die Vermietung von Badewannen. Zudem betrieb er dort ein Geschäft für Haushalts- und Küchengeräten, Lampen, Tabak und Zigaretten. Im Laufe der Zeit beschränkte er sein Angebot auf  Fahrräder und Nähmaschinen der Marken „Gritzinger“ und „Phönix“. Ab 1886 vertrieb er ausschließlich Opel-Fabrikate; Sophie Opel führte hier ihre neuesten Nähmaschinenmodelle selbst vor.
Opel-Nähmaschine

 
Sophie Opel
Bachem wollte vor allem das Fahrradgeschäft ausbauen und eine eigene Fahrschule für Hochräder gründen. Der Viehmarkt mit seinem Kopfsteinpflaster stellte sich dazu aber als ungeeignet heraus. Außerdem wurde dort die Endhaltestelle der neugebauten Strecke des „Feurigen Elias“, einer zwischen Bonn und dem Vorgebirge verkehrenden Dampflokbahn errichtet. Die quer über den Platz laufenden Schienen dieser Bahn störten zusätzlich. Also verlegte Bachem 1897 sein Geschäft in die Coblenzerstraße 6a (heute Adenauerallee), gründete dort die erste „Bonner Rad-Fahrschule“ und ließ ein Velodrom errichten, wo die vornehme Bonner Gesellschaft die Kunst des Hochradfahrens erlernen konnte. 1898 gab Bachem dem Drängen seines Sohnes Jacob nach und kaufte dem damals 23-Jährigen einen „Benz Velo-Comfortable“.
Opel System Lutzmann
Benz Velo-Comfortable, das erste Auto in Bonn
Dieses Fahrzeug war das erste Automobil in Bonn und wurde von der Bevölkerung mit großer Neugier bestaunt. Als die Firma Opel ein Jahr später mit der Herstellung des Patent-Motorwagens System Lutzmann begann, wurde Bachem noch im selben Jahr Großhändler für den Vertrieb von Opel-Automobilen in Deutschland. Zudem richtete er im Februar 1906 in seinem Veledrom eine Reparaturwerkstatt ein, wo die Fahrzeuge repariert werden konnten. Zu seinen Kunden zählte auch Kaiser Wilhelm II., der in Bonn studiert hatte und noch als Regent häufig seine Schwester Viktoria zu Schaumburg-Lippe besuchte. Bei diesen Gelegenheiten ließ er seine beiden Opel Phaeton-5-Automobile bei Bachem warten. Am 28.6.1911 starb Johann Bachem in Bonn und seine Firma ging an den Sohn über. Noch heute besteht das Bonner Familienunternehmen in der vierten Generation. Opel Bachem ist der älteste Kfz-Betrieb in Bonn und das älteste Opel-Haus der Welt!


Opel Phaeton

Bedeutende Ereignisse: Wahl des nationalsozialistischen OBs in Bonn

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30.6.2014: Heute vor 81 Jahren wurde der Nationalsozialist Ludwig Rickert zum Bonner Oberbürgermeister gewählt.

Oberbürgermeister Rickert
Rickert, am 20.7.1897 in Schelze bei Posen geboren, hatte zunächst eine Ausbildung zum Handelslehrer absolviert, bevor er 1927 als Lehrer an die Bonner Berufs- und Handelsschule gelangte. Früh trat er in die NSDAP ein und stieg 1931 zum Ortsgruppenleiter in Beuel auf. Daneben war er 1932–1934 NSDAP-Kreisleiter von Bonn-Land. Durch dutzende von Auftritten bald als scharfer Gauredner bekannt, nahm Rickert sich besonders oft den bei der Bevölkerung sehr beliebten Bonner Oberbürgermeister Johannes Falk vor, der aus seiner nationalsozialistischen Gegnerschaft kein Hehl machte. Mehrfach hatte Falk öffentlich die NS-Zeitschrift „Der Stürmer“ als „Revolverblatt“ bezeichnet, das „von Verbrechern am deutschen Volk geschrieben und nur von beschränkten Menschen“ ernst genommen werde. Rickert trat nun in seinen Reden mit üblen Verunglimpfungen Falks hervor, der sich zunächst noch mit einem Disziplinarverfahren gegen Rickert zu wehren versuchte, dann aber, zermürbt von den vielen Angriffen der Nazis, am 1.12.1931 von seinem Amt zurücktrat. Dies verhinderte jedoch nicht, dass er nach der „Machtübernahme“ Anfang 1933 in „Schutzhaft“ genommen wurde.
Johannes Nepomuk Maria Falk

Rickert gelang es im März 1933, auch Falks
Nachfolger Wilhelm Lürken zu stürzen und dessen Stelle als Oberbürgermeister kommissarisch einzunehmen. Um dem Ganzen einen legitimen Anstrich zu geben, ließ Rickert sich am 30.6.1933 formal vom Bonner Stadtparlament einstimmig zum Oberbürgermeister wählen, nachdem man den kommunistischen und sozialdemokratischen Stadtverordneten kurzerhand das Mandat entzogen hatte, und die Stadtverordneten des Zentrums und der DVP erst gar nicht zur Wahl erschienen waren. Von der Bonner Bevölkerung wurde Rickert mehrheitlich abgelehnt und musste sich sogar mehrfach gegen Gerüchte über Verfehlungen strafrechtlich zur Wehr setzen. In einem dieser Verfahren kam selbst der Regierungspräsident 1934 zu dem Schluss, „dass Oberbürgermeister Rickert sich in der Bevölkerung Bonns im allgemeinen offenbar nur geringer Beliebtheit erfreue. Der Grund hierfür dürfte in einem zu stark betonten Geltungsbedürfnis und in dem … herrischen
Wesen Rickerts liegen“.

L. Rickert (Mitte, ohne Uniform)

Während seiner Amtszeit (bis 1945) unterstütze Rickert ausdrücklich die Arbeit der Gestapo Außendienststelle im Kreuzbergweg sowie die Internierung der Bonner Juden. Nachdem er sich im März 1945, kurz vor der Sprengung der Bonner Rheinbrücke, auf die rechte Rheinseite abgesetzt hatte, wurde er gefasst und bis 1948 interniert. Aufgrund fehlender Akten kam er jedoch um ein Entnazifizierungsverfahren herum. Auch mehrere Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Dienstordnungsverfahren wurden nach über zehnjähriger Dauer eingestellt. Rickert fasste beruflich wieder als Lehrer Fuß und wurde 1956 stellvertretender Leiter einer privaten Handelsschule in Rahden/Westfalen. Am 4.10.1963 starb er in Wuppertal.

Johannes Falk ließ sich auch nach seiner Freilassung aus der „Schutzhaft“ durch die fortgesetzten Schikanen nicht einschüchtern und schrieb dem neuen OB Rickert einen sehr scharfen Brief, in dem er diesem „kleinliche Rachsucht“ vorwarf. Nach dem Krieg ging er nach Frankfurt, wo er seinen Lebensabend verbrachte und am 14.1.1964 verstarb.

Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011.

3.7.1952: Todestag des Bonner Dichters Wilhelm Schmidtbonn

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3.7.2014: Heute vor 62 Jahren starb der Bonner Schriftsteller Wilhelm Schmidtbonn.

Wilhelm Schmidtbonn
Wilhelm Schmidt (der später den Künstlernamen Schmidtbonn annahm) wurde am 6.2.1876 in Bonn am Marktplatz/Ecke Bonngasse – in dem Haus, in dem sich heute „Hut Weber“ befindet – als zweites Kind eines Pelzhändlers geboren. Seine Bonner Gymnasialzeit endete schon mit 15 Jahren, als er wegen eines „aufsässigen“ Aufsatzes von der Schule relegiert wurde. Auch eine Ausbildung auf dem Kölner Konservatorium scheiterte ebenso wie der Versuch, in Moers das Abitur nachzuholen. Danach folgte eine unglückliche Zeit als Buchhändlerlehrling, in der Schmidtbonn bereits anfing, selbst zu schreiben. Nachdem er das Manuskript zu einem Schauspiel an den Bonner Germanistikprofessor Berthold Litzmann gesandt hatte, erkannte dieser Schmidtbonns schriftstellerische Begabung und verhalf ihm dazu, ohne Abitur an den Universitäten Bonn, Zürich und Berlin zu studieren. 1901 begann Schmidtbonns Aufstieg mit der Uraufführung seines Bühnenwerks „Mutter Landstraße“ in Dresden.

Schmidtbonns Geburtshaus,
Foto: © Eckhard Henkel,
CC BY-SA 3.0 DE (Wikimedia Commons)

1904 wurde das Stück in Berlin durch Max Reinhardt aufgeführt, der sich in der Folgezeit erfolgreich für Aufführungen von Schmidtbonns Theaterstück „Der Graf von Gleichen“ einsetzte. Dieses Stück, auf zahlreichen Bühnen aufgeführt, wurde zu seinem größten Erfolg und gehörte zu den meistaufgeführten Theaterstücken Deutschlands. Seit 1905 mit Luise Treuer verheiratet, arbeitete er seit 1906 vorübergehend als Dramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus bei Louise Dumont, wo er auch mit seinen eigenen Stücken große Erfolge erzielte (Fritz Kortner spielte die Hauptrolle in „Der Zorn des Achilles“ und Emil Jannings in „Die Verwandlung des Diogenes“). In diese Zeit fiel auch seine innige Freundschaft mit August Macke bis zu dessen Tod im Jahre 1914. Sein Hundebuch „Die Flucht zu den Hilflosen“ von 1918 war für Stefan Zweig der Anlass, Schmidtbonn 1923 seine Novelle „Die Augen des ewigen Bruders“ zu widmen, woraus sich eine tiefergehende Freundschaft entwickelte. Nach ersten Preisen wurde Schmidtbonn im Herbst 1926 in die Preußische Dichterakademie berufen. Sein Aufstieg kam erst mit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten zum Erliegen, als durch den veränderten Zeitgeist keine Deutsche Bühne mehr seine Werke aufführen wollte.

Wilhelm Schmidtbonn
Zwar erhielt er 1936 die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn, 1941 den Rhein. Literaturpreis und 1943 die Beethoven-Medaille der Stadt Bonn, doch geriet er beim Publikum zunehmend in Vergessenheit. Nach dem Krieg lebte Schmidtbonn bescheiden und einsam, von seiner schweren Krankheit gezeichnet, in (Bonn-)Bad Godesberg, wo er am 3.7.1952 an einem Herzschlag verstarb. Beigesetzt wurde er in einem Ehrengrab auf dem Alten Friedhof. In Bonn und Düsseldorf wurden Straßen nach ihm benannt; im Bonner Stadtmuseum ist das Wohnzimmer des Schriftstellers ausgestellt.
Sein Werk umfasst insgesamt 16 Dramen und sieben Romane, dazu Gedichte und Novellen. Eine besondere Liebeserklärung an Bonn ist sein 1935 erschienener Roman „Der dreieckige Marktplatz“, der gemeinsam mit dem Buch „An einem Strom geboren“, Schmidtbonns Ruhm als Heimatdichter begründete.



Der Dreieckige Marktplatz,
Originalausgabe
Seine ältere Schwester Henriette Schmidt-Bonn wurde als Künstlerin eines reichen druckgrafischen Werks bekannt.

Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011.

Erste Deutsche Autobahn: Strecke Köln-Bonn

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Entgegen der von den Nationalsozialisten verbreiteten – und auch heute noch viel geglaubten und kolportierten – Propaganda, Adolf Hitler hätte die Autobahn „erdacht, entworfen und gestaltet“, begann der Bau kreuzungsfreier, mehrspuriger Schnellstraßen im Deutschen Reich bereits 1929, ausgehend von den Plänen der Rheinischen Provinzialverwaltung aus den frühen 1920er Jahren. Als erste öffentliche Autobahn Europas wurde die heute A 555 genannte linksrheinische Verbindung zwischen Bonn und Köln 1929–1932 erbaut und am 6.8.1932 nach fast dreijähriger Bauzeit vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer dem Verkehr übergeben.
Eröffnungsfeier am 6.8.1932
Bei der Übergabe der fast 20 km langen Strecke verkündete er voller Stolz: „So werden die Straßen der Zukunft aussehen. Ich hoffe, dass die nunmehr erzielte Zeitverkürzung und Fahrbequemlichkeit dem Rhein und den Schönheiten seiner Landschaft neue Freunde aus dem In- und Ausland zuführen möge. Jeben Se Jas!“. Zur Eröffnung reisten 2000 Autofahrer aus ganz Europa in einer „Sternfahrt“ an. Bereits 1917 hatte Adenauer die Zukunftsvision einer „Nur-Automobilstraße“, doch bis zur Planung vergingen noch Jahre. Den Begriff „Autobahn“ prägte der Bauingenieur Robert Otzen in Analogie zu „Eisenbahn“.

Autobahn bei Wesseling
im Hintergrund überquert eine Bahn
der KBE die Brücke.

Als 1933 die Nationalsozialisten die Regierung übernahmen, stuften sie als eine der ersten Handlungen – noch im Februar 1933 – die neue Reichsautobahn zur Landstraße L 185 herab, um den nachfolgenden Bau der Strecke Frankfurt–Heidelberg als ersten Autobahnbau des Reiches für sich reklamieren zu können. Erst 1959 wurde die Schnellstraße Köln-Bonn wieder zur Bundesautobahn aufgestuft. Der sechsspurige Ausbau erfolgte in den Jahren 1965–1967 durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR). 2008 installierte der Künstler L. Fritsch an den beiden Endpunkten der Autobahn – den Verteilerkreisen Köln und Bonn (Potsdamer Platz) – jeweils eine 50 m hohe rote Stahl-Stele, um die beiden Städte in einen künstlerischen Dialog zu bringen.

Anschlussstelle Wesseling, 1932
A 555 um 1973









Autofreier Sonntag während der Ölkrise

WM 1954: Sepp Herberger feierte in Bonn

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Nach dem sensationellen Finalspiel vom 4.7.1954 zwischen Deutschland und Ungarn in Bern (das „Wunder von Bern“) feierte Sepp Herberger mit seiner Nationalmannschaft den frisch errungenen WM-Sieg im Bonner Weinhaus Streng im Mauspfad Nr. 6 (später „Weinkrüger“, heute „James Joyce“).

Weinhaus Streng, AK eigene Sammlung
Die alte Bonner Weinstube mit angegliederter Weinhandlung war 1880 von den Brüdern Peter und Joseph Streng gegründet worden. Als Weinlager mit Probierstube benutzen sie den Gewölbekeller unter dem Hauptgebäude der Universität. Lange Zeit war das Weinhaus die bevorzugte Gastronomie der Bonner Professoren.

 

Weinhaus Streng, um 1930

Was die Nationalmannschaft angeht, so erhielt Spielführer Fritz Walter am 19.7.1954 bei einem offiziellen Empfang der Bundesregierung in Bonn den Silbernen Lorbeer, die höchste sportliche Auszeichnung Deutschlands, durch Bundesinnenminister Gerhard Schröder verliehen. 

Weinhaus heute

Bedeutende Bonner Studentinnen

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Maria Gräfin von Linden
Maria Gräfin von Linden wurde am 18.7.1869 in Heidenheim geboren, durfte mit königlicher Einwilligung und einer Sondergenehmigung seit 1892 an der Tübinger Universität Naturwissenschaften studieren, wurde 1895 in Zoologie promoviert und wirkte seit 1899 als erste Frau an der Bonner Universität als Assistentin. Seit 1906 Assistentin an der Medizinischen Fakultät, bat sie noch im selben Jahr um ihre Habilitation. Der zuständige Minister entschied sich jedoch dagegen und sprach Frauen im allgemeinen das Recht ab, sich zu habilitieren. 1910 wurde von Linden vom Kultusminister als erste Frau in Preußen zur Professorin ernannt, allerdings ohne Lehrbefugnis. Maria von Linden blieb an der Bonner Universität, arbeitete wissenschaftlich in der Parasitologie und veröffentlichte wichtige Werke zur Parasitologie und zur Chemotherapie bei Infektionskrankheiten. 1933 wurde sie von den Nationalsozialisten ihres Amtes enthoben und ging nach Liechtenstein, wo sie am 26.8.1936einer Lungenentzündung erlag.

Adeline Rittershaus-Bjarnasons (1867–1924) Habilitationsgesuch wurde kurz zuvor (1901) noch von der Philosophischen Fakultät in Bonn wegen grundsätzlicher Erwägungen abgelehnt.

M. v. Wrangel
Auch die erste ordentliche Professorin Deutschlands, Margarethe von Wrangell (1877–1932), absolvierte 1911 an der Bonner Universität ein weiterführendes Studium der Landwirtschaft, bevor sie 1912 nach Paris zu Marie Curie ging. 1920 konnte sie sich dann endlich, nachdem das Verbot zur Habilitation für Frauen gefallen war, an der Universität Hohenheim in Botanik und Chemie habilitieren.

Die erste Deutsche Frauenärztin, Hermine Edenhuizen (1872–1955), war die Tochter eines ostfriesischen Arztes. Gemeinsam mit ihrer Bonner Freundin Frida Busch besuchte sie in Berlin die Gymnasialkurse von Helene Lange und legte 1898, als eine der ersten Frauen Deutschlands, das Abitur ab. Zunächst noch ohne Immatrikulationsrecht, studierte sie Medizin in Berlin, Zürich, Halle und an der Universität Bonn, wo sie 1903 gemeinsam mit Frida Busch promoviert wurde. 1909 absolvierte Edenhuizen als erste Frau Deutschlands die Facharztausbildung zur „Spezialärztin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe“ an der Bonner Frauenklinik. Anschließend ging sie nach Köln, eröffnete eine gynäkologische Praxis und wechselte bald darauf nach Berlin an die berühmte „Klinik weiblicher Ärzte“. 1924–1928 Gründungsvorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes, trat sie entschieden für die Abschaffung des Paragraphen 218 ein. Bis 1945 praktizierte sie in Berlin, dann kehrte sie in ihre ostfriesische Heimat zurück.

Grabmal der Familie Busch
Ähnlich schwierig war es für die obengenannte Frida Busch (1868–1961), Tochter des bedeutenden Bonner Chirurgen Wilhelm Busch (1826–1981), dessen prachtvolle Grabstätte sich auf dem Alten Friedhof befindet. Frida erhielt ihre früheste Ausbildung durch Privatlehrer, bevor sie in Bonn die Höhere Töchterschule von Anna Schubring besuchte. Da eine Vorbereitung auf die Reifeprüfung in Bonn nicht möglich war, ging sie mit ihrer Freundin Hermine Edenhuizen nach Berlin, wo sie 1895–1898 die Gymnasialkurse von Helene Lange besuchte. Den beiden Frauen wurde jedoch seitens der Behörden die Zulassung zum Abitur verwehrt. Erst nach einer Reihe von Petitionen durften sie 1898 als Externe am Luisenstädt. Gymnasium Berlin das Abitur ablegen. Da es in Deutschland für Frauen noch unmöglich war, zu studieren, ging Busch nach Zürich, wo Frauen bereits zum Studium zugelassen waren. Doch schon nach zwei Semestern musste sie nach Deutschland zurückkehren, weil nur eine begrenzte Zahl von Auslandssemestern anerkannt wurde. Busch wechselte mit ihrer Freundin Hermine zunächst nach Halle und 1900 an die Universität Bonn, wo sie sich durch den Bekanntheitsgrad ihres mittlerweile Verstorbenen Vaters ein größeres Entgegenkommen erhoffte. Tatsächlich bekam sie nun zum ersten Mal eine generelle Hörerlaubnis und musste nicht mehr, wie zuvor, jeden Professor einzeln um Erlaubnis zur Teilnahme an seinen Vorlesungen bitten. 1903 schloss Busch, gemeinsam mit H. Edenhuizen, als erste Bonner Medizinerin mit der Promotion ab. Danach ging sie nach Dresden, heiratete ihren früheren Lehrer, Prof. Dr. Corrsen, und war nicht mehr berufstätig.

Helene Weber
Auch Helene Weber (1881–1962), eine der Mütter des Grundgesetzes und erste Frau in Deutschland, die Ministerialrätin wurde (1920), hat an der Bonner Universität studiert. 1919 wurde sie als eine der jüngsten Abgeordneten für die Zentrumspartei in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Sie war 1924 Mitglied des Preuß. Landtags und 1924–1933 Abgeordnete des Dt. Reichstags. Seit 1925 stellv. Vorsitzende der Zentrumspartei, wurde sie 1927 zum Vorstandsmitglied der Reichstagsfraktion und Vorsitzenden des Reichsfrauenbeirats gewählt. Als entschiedene Gegnerin der Nationalsozialisten wurde sie am 30.6.1933 von allen Ämtern suspendiert. 1945 schloss sie sich der neugegründeten CDU an, wurde Mitglied des Zonenbeirats und war 1946–1947 Mitglied des Landtags von NRW. 1948/49 war sie als Schriftführerin des Parlamentarischen Rats an der Erstellung des Grundgesetzes beteiligt und wurde 1949 in den Dt. Bundestag gewählt, dem sie bis zu ihrem Tod angehörte. 1949–1958 war sie Vorsitzende der Frauenvereinigung der CDU und seit 1952 erste Vorsitzende des Dt. Müttergenesungswerks. In der Politik galt sie zeitweise als eine der einflussreichsten Frauen Deutschlands. 1956 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz und 1961 das Schulterband zum Großen Verdienstkreuz. Am 25.7.1962 verstarb sie in Bonn.


Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage 2011.

Das war in Bonn am Rhein - ein Schlager von 1928.

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Dies ist ein gekürzter Auszug aus meinem neuen Aufsatz „Bonn im Spiegel der Musik“, der Ende des Jahres in den „Bonner Geschichtsblättern“, Band 64, erscheinen wird. Dort ist auch der Originaltext des hier vorgestellten Lieds abgedruckt:

Aus dem Jahre 1928 stammt der Schlager Das war in Bonn am Rhein, der von dem bekannten Operetten-Librettisten Fritz Löhner-Beda geschrieben wurde. Die Melodie stammte von Ferry Stipschitz, über den leider nichts weiter bekannt ist. Erschienen ist es im Wiener Boheme-Verlag. In Hofmeisters musikalisch-literarischem Monatsbericht vom Januar 1929 wird es als „Lied für Gesang und Pianoforte“ erwähnt. Das Copyright ist im „Renewal Registrations-Music“ für den 10.11.1928 unter der Nummer EF1436 eingetragen. Am 10.4.1956 ging es an Bruno Löhner, den Sohn des Librettisten, über.
FritzLöhner-Beda wurde am 24.6.1883 in Wildenschwert/Böhmen geboren und studierte zunächst Rechtswissenschaften an der Wiener Universität, doch gab er 1910 seine Anstellung in einer Anwaltskanzlei auf und wurde freier Schriftsteller. Seit er 1916 für Franz Lehár das Libretto zur Operette Der Sterngucker geschrieben hatte, stieg er in den 1920er Jahren zu einem der meistgefragten Librettisten Österreichs auf. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen die Libretti zu den Operetten Land des Lächelns, Schön ist die Welt und Die Blume von Hawaii. Außerdem schrieb er eine Reihe Erfolgsschlager wie In der Bar zum Krokodil, Ausgerechnet Bananen, Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren, Oh, Donna Clara und Dein ist mein ganzes Herz. Am 13.3.1938, einen Tag nach der Annexion Österreichs, wurde Löhner-Beda wegen seiner jüdischen Herkunft verhaftet und zunächst ins KZ Dachau und dann nach Buchenwald verschleppt, wo er Ende 1938 den Text für das Buchenwald-Liedverfasste. 1942 folgte sein Transport in das Vernichtungslager Auschwitz, wo er am 4. Dezember verstarb.

Das Lied wäre heute sicherlich ganz vergessen, hätte es nicht in den Jahren 1967–1972 eine von der ARD in zehn Folgen ausgestrahlte Koproduktion von WDR und RIAS mit dem Titel „Opas Schlagerfestival“ gegeben, in der auch dieses Stück aufgeführt wurde. Die Leitung der Produktion lag in den Händen von Ernst Kalthoff und Hans Rosenthal, der auch als Conferencier durch die Sendung führte. Aufgezeichnet wurde vor Saalpublikum in Berlin, Bad Salzuflen, Stuttgart, Leverkusen, Lünen und Bad Godesberg (damals noch eigenständig). In jeder Sendung wurden Schlager und Operettenmelodien eines bestimmten Jahrgangs (1926–1932) von unterschiedlichen Interpreten – darunter so bekannte Größen wie Loni Heuser, Fred Bertelmann, Bill Ramsey, Willy Schneider, das Medium-Terzett und René Kollo – vorgestellt. Am Ende kürte eine Jury durch Punktevergabe den Siegerschlager. Die musikalische Leitung hatte Heinrich Riethmüller.

Am 24. Oktober 1968 wurde die 3. Folge dieser Sendung, die sich auf das Jahr 1928 bezog, in der Godesberger Stadthalle aufgenommen. Mitwirkende waren: Dorothea Chryst, Undine von Medvey, Rita Paul, Tatjana Sais, Edith Schollwer, Fred Bertelmann, Ekkehard Fritsch, Bruno Fritz, Werner Hass, Andreas Mannkopff, Willy Schneider, Günther Schwerkolt und die Rosy-Singers. Es spielte das RIAS-Tanzorchester unter Dave Hildinger; an zwei Flügeln saßen Günter Neumann und Heinrich Riethmüller. Als Besonderheit sang Willy Schneider das hier vorgestellte Lied Das war in Bonn am Rhein, allerdings mit einem stark veränderten Text. Auf einer sehr seltenen Aufnahme eines privaten Mitschnitts hört man noch die Begeisterung des Publikums, das den Vortrag mehrmals durch Klatschen und Lachen begleitet. Die Aufnahme wurde mir freundlicherweise von Dr. Burkhard Fehse (http://www.fehse-online.de/) zum Posten überlassen. Herzlichen Dank dafür!




Das war in Bonn am Rhein (mit verändertem Text für die RIAS-Aufnahme)


Ich weiß ein kleines Städtchen im schönen deutschen Land,
so manches hübsche Mädchen hab ich dort gut gekannt.
Die kleinen alten Gassen, die waren mir nicht gram,
wenn ich mal ausgelassen des Nachts nach Hause kam.
Man sang und populierte, man machte manchen Streich,
man liebte und studierte. Wie hieß das Städtchen gleich?

Das war in Bonn am Rhein, in Bonn am Rhein zur Frühlingszeit.
Es schien die Sonn’ am Rhein, die Sonn’ am Rhein voll Herrlichkeit.
Ich mag die Großstadt nicht, die lärmend schrille laute Welt.
Viel schöner ist doch die verträumte stille traute Welt.

Da lob’ ich Bonn am Rhein, das Städtchen klein mit gold’nem Wein.
Da blieb die Zeit noch sten’n, da kann man so romantisch sein.
Und wünscht man sich mit der Vergangenheit ein Stelldichein,
da gibt’s ein Städtchen nur und das ist Bonn am Rhein.

Das war vor 30 Jahren, ich stand grad am Beginn,
und nun mit weißen Haaren fuhr ich noch einmal hin.
Und als ich kam geschlendert, da wurde mir bald klar:
Bonn hat sich nicht verändert, es blieb so wie es war.
Die Häuser klein und niedlich, die Menschen ohne Streit
und alles so gemütlich wie in der Jugendzeit.

Das war in Bonn am Rhein, in Bonn am Rhein zur Frühlingszeit.
Es schien die Sonn’ am Rhein, die Sonn’ am Rhein voll Herrlichkeit.
Ich mag die Großstadt nicht, die lärmend schrille laute Welt.
Viel schöner ist doch die verträumte stille traute Welt.

Da lob’ ich Bonn am Rhein, das Städtchen klein mit gold’nem Wein.
hier blieb die Zeit noch sten’n, hier kann man so romantisch sein.
Oh, bleib in aller Zukunft immer unser Sonnenschein,
du wunderschönes kleines Städtchen Bonn am Rhein!

Bonner Stadtbefestigung

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Waren bereits das alte Römerlager und die villa Basilica mit Mauern und Gräben befestigt, so entstand die erste Befestigung der eigentlichen Stadt Bonn unmittelbar nachdem Konrad von Hochstaden 1244 die Stadtrechte mit dem Privileg zum Mauerbau verliehen hatte. Die Bauarbeiten an der Stadt- mauer mit ihren etwa vier Meter auseinander stehenden Pfeilern, die auf ihren Mauerbögen den Wehrgang trugen, zogen sich bis ins 15 Jahrhundert. Drei mächtige Torburgen (Köln-, Stocken- und Sterntor) bildeten das Rückgrat
Neues Sterntor mit originalem Halbrundturm
(rechts)
der Verteidigungsanlage, unterstützt durch etwa alle 50 Meter an der Mauer vorspringende halbrunde und eckige Wehrtürme. Der letzte dieser "Halbrundtürme" steht in der Vivatsgasse und bildet einen Teil des heutigen Sterntors, das eigentlich eine romantische Nachbildung aus dem 19. Jahrhundert ist - wenn auch unter Einbeziehung originaler Bauteile.

Um 1450 wurde die nördliche Ecke Bonns am Rhein durch den Bau des sogenannten„Neuen Turms“ gesichert, und später erhielten die Torburgen vorgeschobene Außenwerke. Erst im Kölnischen Krieg (1583–1588) musste die Wehranlage verstärkt und durch eine Schanze auf der Beueler Seite ergänzt werden. Doch schon 1588 zeigte sie sich der gesteigerten Wucht der Belagerungswaffen nicht mehr gewachsen. So wurde um 1600 zunächst die Schanze vor dem Sterntor zu einem Bollwerk vergrößert und eine Rheinbastion errichtet.

Zollbastion, heute Alter Zoll
Unter dem Eindruck des beginnenden 30jährigen Krieges begann Kurfürst Ferdinand von Bayern ab 1622 mit dem Bau der Bastions-befestigung nach dem „Münchner System“ mit Courtinen, Ravelins und Bastionen (1622 Stockentor-Bastion, bis 1642 Bastion Ferdinand, 1642 Zollbastion, ab 1642 Cassius-Bastion, 1644 Maximilian-Bastion, 1658–1664 Bastion Heinrich und Sterntor-Bastion). Der Holländische Krieg machte nach 1673 eine nochmalige Verstärkung der Festung
Florentiusgraben, Kartusche der Bastion Heinrich
notwendig. An der Nordseite Bonns


wurden die Bastionen Wilhelm und Camus errichtet (1674/75), am Rhein entstand eine zusätzliche „halbe Bastion“. Ein kompletter Umbau der gesamten Anlage fand noch einmal 1688/89 unter französischer Leitung statt, ebenso der Ausbau des Beueler Forts, doch konnte sie der Belagerung und dem Bombardement der feindlichen Truppen nicht standhalten. Eine letzte Festungsbauperiode, wiederum unter französischer Leitung, fiel in die Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs 1701–1703 und war gekennzeichnet durch Planlosigkeit mehrerer sich abwechselnder Ingenieure.

Karte der Bonner Stadtbefestigung, Nicolas de Fer, 1689
Nachdem im Utrechter Frieden die vollständige Schleifung Bonns beschlossen worden war, begann Kurfürst Joseph Clemens 1717 mit der Entfestigung und dem Ausbau Bonns zu einer offenen Barockstadt.

Heute sind an einigen Stellen Bonns noch Reste der alten Stadtbefestigung sichtbar, so am Alten Zoll, am Annagraben, im Keller der Cassius-Bastei, in der Kaiserpassage oder im Florentiusgraben. Neueste Ausgrabungen am Friedensplatz brachten Teile der Bastion Heinrich zutage.

Kartusche an der Ecke der Stadtbefestigung im Annagraben
(Sterntor-Bastion)

Bonner Stadtbefestigung: Heute noch sichtbare Reste

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Gerhard-v.-Are-Str., Stadtmauer
Noch heute kann man viele Reste der alten Stadtbefestigung im Bonner Stadtbild nachvollziehen. Im Südosten steht unmittelbar am Rhein der Alte Zoll, die letzte noch komplett erhaltene barocke Bastion. In südwestlicher Richtung bildet die Universität den Verlauf der ursprünglichen Mauer nach. Am heutigen Stockentor befand sich die Stockentor-Bastion, entlang des Hauptgebäudes, etwa dort, wo sich heute der Hofgarten befindet, der Bastionsgraben mit der „Katze“, einem vorgelagerten Erdwall. Geht man in die Kaiserpassage, so sieht man dort Teile der Courtine (= Mittelwall), die sich zwischen den Bastionen Ferdinand und Cassius befunden hat; eine Tafel erläutert den Aufbau der Stadtmauer.
Von dort sind es nur wenige Schritte zur Gerhard-von-Are-Straße, wo eine quer zur Gangolfstraße verlaufende Pflastermarkierung im Boden die mittelalterliche Stadtmauer von 1244 nachzeichnet. Am Ende der Markierung sieht man vor dem Haus Nr. 11 etwa gegenüber vom Puppenkönig – den Grundriss eines mittelalterlichen Wehrturms. Zu Beginn der Gangolfstraße gibt eine weitere Pflastermarkierungen den Verlauf einer Face (= Feldseite einer Bastion) der Cassius-Bastion aus dem 17. Jahrhundert wieder.

Gerhard-v.-Are-Str., Wehrturm

Gangolfstr., Stadtbefestigung
















Geht man von dort zur Cassiusbastei, steht man genau auf der ehemaligen Maximilian-Bastion, deren Kurtinenwinkel in der Galerie „Gallery 2000“, die man von der Maximilianstraße oder vom Bonner Loch betreten kann, sichtbar belassen wurde.

Kurtinenwinkel in der Gallery 2000
Nach Westen folgt die Maximilianstraße nun dem Verlauf der alten Bastion. Nach wenigen Metern stößt man auf den Cassiusgraben (heute aufgeschüttet) und in seiner Verlängerung auf den Florentiusgraben, der sich unmittelbar hinter der Stadtmauer befand. Folgt man ihm, geht man entlang der Mauer der Bastion Heinrich, von der größere Reste erhalten sind, die leider jedoch teilweise von den dortigen Häusern verdeckt sind und erst sichtbar werden, wenn man in dieDurchgänge zu den Hinterhöfen schaut, oder den Durchgang des Hauses Nr. 10 betritt.

Besonders schön ist eine von der Straße aus (kurz vor der Brücke) sichtbare, noch erhaltene Kartusche mit dem kurfürstlichen Wappen an der Mauerecke der Facen. Die selbe Mauer sieht man von oben, wenn man sich in dem kleinen Park hinter dem Alten Stadthaus befindet (Windeckstraße), also genau auf der ehemaligen Bastion Heinrich. Weitere Teile der Bastion kamen beim Bau der neuen Sparkasse am Friedensplatz zu Tage, die ebenfalls zu besichtigen sind.
 
Florentiusgraben, Befestigungsmauer
Kartusche


Befestigungsmauer vom Hinterhof
Haus Nr. 10 aus gesehen






 
Auf dem Friedensplatz selbst sieht man am Eingang zur Sternstraße im Pflaster den Grundriss der mittelalterlichen Torburg, also des echten Sterntors. In Sichtweite steht in der Vivatsgasse das heutige Sterntor (ein romantisierter Nachbau aus dem 19. Jahrhundert aus Teilen des alten Stadttors), dessen rechtsseitig befindlicher Halbrundturm ein Original der mittelalterlichen Wehranlage ist. Das kleine, über den Friedensplatz laufende Sitzmäuerchen ist Teil der alten Stützmauer des Festungsgrabens (Contrescarpe).



Sterntorbrücke



Die Straße „Sterntorbrücke“ war ursprünglich eine tatsächliche Brücke zum Außenwerk des Sterntors. Der Verlauf der Brücke ist sichtbar im Pflaster nachgezeichnet, querlaufende Pflastersteine zeigen, wo sich die Brückenbögen befinden. In den Kellern der Häuser (so in der Gaststätte „Himmel und Hölle“) erkennt man noch das alte, aus acht Tonnen bestehende Tonnengewölbe und Teile der Befestigungsmauer.

Den weiteren, nördlichen Verlauf der Stadtbefestigung kann man in der Oxford-Garage besichtigen, oder oberirdisch amNeubau des Landgerichts.Das neue Justizgebäude überspannt eine offene Treppenanlage, die zum Annagraben führt. Von dort geht man entlang der Mauern der Sterntor-Bastion. Auch dort befindet sich eine schöne Wappenkartusche an der Mauerspitze. 


Annagraben
Wappenkartusche

Mauernachbau in der Wachsbleiche,
Bildnachweis: CC-BY-SA-3.0-DE
In Richtung Rhein gelangt man nun zur Beethovenhalle, die auf der nördlichsten Bastion, der Bastion St. Michael steht. Die Mauern am Fritz-Schröder-Ufer und an der Wachsbleiche bilden die alten Mauern nach, sind aber selbst erst im 19. Jahrhundert errichtet worden. Die eigentlichen Reste der Befestigungsanlage befinden sich unter der Beethovenhalle und den benachbarten Grundstücken.
Ganz im Norden der Stadt steht noch immerein alter Vorposten, eine kleine Schanze, die heute unter dem Namen „Schänzchen“ zu einem beliebten Auslugsziel mit Biergarten geworden ist. Ursprünglich noch aus der Römerzeit stammend, diente sie im Mittelalter zur Kontrolle des Rheins.


Schänzchen,
Bildnachweis: Wiki-User Sir James

Bonner Stadtbefestigung: Alter Zoll

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Alter Zoll ist die heutige Bezeichnung für die letzte noch vorhandene barocke Bastion Bonns, die ursprünglich einen Teil der Stadtbefestigung bildete. Neue Waffentechniken machten zu Beginn des 17. Jahrhunderts den Umbau und die Verstärkung der mittelalterlichen Stadtmauern, die zurückgeht auf das Mauerbauprivileg von 1244, durch aufwändigere Befestigungen notwendig. Im Zuge dessen wurde auch die Stadt Bonn ab 1622 mit ursprünglich drei, später auf 10 erweiterte Bastionen umgeben. Bis 1642 wurde dabei das südliche Ende der mittelalterlichen Rheinmauer mit dem aus der Renaissance stammenden Zollhaus zur sogenannten „Zollbastion“ ausgebaut.

Alter Zoll,
Bildnachweis: CC-BY-SA-2.0-de
Abraham Storck,
Bonner Rheinufer mit Zollhaus
Original: StadtMuseum Bonn
Das Zollhaus war ein prächtiger Renaissancebau, der unter Kurfürst Salentin von Isenburg nach 1567 errichtet worden ist, um den Rheinzoll zu erheben. Als es unter seinem Nachfolger Gebhard Truchseß von Waldburg zum Kölnischen Krieg kam, wurde die mittelalterliche Wehranlage verstärkt und – nach der Einnahme der Stadt durch Ernst von Bayern – 1584 neben dem Zollhaus eine sogenannte Katze, also ein vorgelagerter Erdwall, errichtet, auf dem 1586 die städtische Windmühle erbaut wurde (sehr gut zu erkennen auf dem Plan von Peter Pannensmit aus dem Jahr 1588).
 
Pannensmit-Plan,
Ausschnitt




Merian-Plan,
Ausschnitt


Die nächsten Jahrzehnte verliefen ruhig, bis im 30jährigen Krieg der Einmarsch Hessischer Truppen drohte, woraufhin General Hatzfeld auf Anordnung Kurfürst Ferdinands von Bayern ab 1642 am Zoll schanzen ließ. Die dazu benötigten Ziegel und Basaltquader ließ er per Schiff aus den Steinbrüchen an der Erpeler Ley und bei Unkel kommen. Auch Teile der südlichen Rheinmauer (der sogenannten Herrenmauer) wurden zum Bau der neuen Zollbastion verwandt. Das Bauland war eine Schenkung des St. Cassiusstifts. Der Merianplan von 1646 gibt die Situation mit den vollendeten Bollwerken wieder.

Festungstor mit Husarendenkmal
Bildnachweis: CC BY-SA 3.0
Alter Zoll, AK 1959,
eigene Sammlung













Die Zollbastion war in typisch italienischer Manier der älteren Schule als sogenannte halbe Bastion erbaut worden. Sie ist flächenmäßig klein, mit kurzen Flanken und 15 Meter aufragenden80° steilen Facen. Das Festungsterrain ist nach drei Seiten von einer Brustwehr umgeben. Die Mauern bestehen aus Ziegeln, Trachyt- und Basaltquadern. Um 1650 wurde am südlichen Aufgang ein wuchtiges Festungstor aus Sandsteinquadern eingelassen. Inwändig befindet sich ein 3 Meter breiter und hoher Gang, der für die Treidelzugtiere gedacht war. Später wurde er zugemauert und als Pulvermagazin benutzt. Heute ist der noch erhaltene Gang durch das Husarendenkmal von 1956 verschlossen.

Alter Zoll, AK um 1900,
eigene Sammlung



Alter Zoll, AK 1912,
eigene Sammlung
 














Der kaiserliche Ingenieur Gabriele Conte Vecchia ließ ab 1674 die Bonner Festungswerke noch einmal ganz erheblich verstärken. Dabei wurdenzwischen Zollbastion und Bastion Ferdinand ein sägezahnförmiger gedeckter Weg sowie zwischen Zollbastion und Stockentor ein Ravelin (Außenwerk) errichtet. An der Zollbastion diente eine Zugbrücke der Verbindung zum gedeckten Weg. 1688 erfolgte ein weiterer Ausbau der anderen Befestigungsanlagen, so dass bei Beginn des Pfälzer Erbfolgekriegs 1689 die kleine Zollbastion mittlerweile das schwächste Werk war.

Die letzte Festungsbauperiode fiel in den Spanischen Erbfolgekrieg und war eher durch Planlosigkeit gekennzeichnet. 1702 erhielten die Bastionen neue Namen, wobei die Zollbastion in Dreikönige-Bastion umbenannt wurde. Zu einem Aus- oder Umbau des Werks kam es jedoch nicht.

Als im Utrechter Frieden von 1713 beschlossen wurde, Bonn zu schleifen, kam es 1717/18 zur vollständigen Entfestigung der Stadt, bei der jedoch ausgerechnet das kleinste Werk, die Zollbastion, stehen blieb. Anschließend nutzlos geworden, wurde der Alte Zoll im 18. Jahrhundert als Schlossterrasse in die Anlage des Hofgartens integriert und fand im 19. Jahrhundert als romantischer Aussichtspunkt mit seinem überragenden Blick zum Siebengebirge Eingang in die Reiseliteratur. Auch Goethe stand hier am 27./28.7.1815 und lobte den wundervollen Rheinblick mit den Tagebuchsätzen: „Man vergnügt sich so sehr an dieser Ansicht, daß man sich eines Versuchs, sie mit Worten zu beschreiben, kaum enthalten kann.“ Um 1830 gab es Überlegungen, eine Sternwarte auf dem Alten Zoll zu errichten. Gebaut wurde sie später aber an der Poppelsdorfer Allee.


1865 wurde das Ernst-Moritz-Arndt-Denkmalauf der Terrasse der mittlerweile in den Besitz der Universität Bonn übergegangenen ehemaligen Bastion aufgestellt. Zwei aus Anlass des deutschen Siegs über Frankreich nach 1871 von Kaiser Wilhelm I. der Universität vermachten französischen Salutkanonen befinden sich ebenfalls dort. Heute ist der Alte Zoll Teil des Bonner Gartenensembles aus dem 18. Jahrhundert, neben dem Hofgarten, der Poppelsdorfer Allee mit dem Schloss, dem Botanischen Garten und dem Baumschulwäldchen.

13.8.1953: Todestag des Godesberger Filmschauspielers Paul Kemp

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Paul Kemp,
Autogrammkarte
Der bekannte Komiker und Filmschauspieler Peter Paul Kemp wurde am 20.5.1896 im damals noch eigenständigen Godesberg (den Zusatz „Bad“ bekam der Ort erst 1925) geboren.
Nach einer Ausbildung an der Baugewerbeschule in Köln begann der Sohn eines Musilklehrers im Ersten Weltkrieg in einem Soldaten-Ensemble zu schauspielern. Seit 1919 nahm er – übrigens gemeinsam mit Gustaf Gründgens – privaten Unterricht bei Louise Dumont in Düsseldorf und bekam, nach glänzend bestandener Schauspielschule, sein erstes Engagement an den Hamburger Kammerspielen, wo er als „Jugendlicher Komiker“ in den entsprechenden Shakespeare-Rollen brillierte. Seine Paraderolle wurde jedoch „Charleys Tante“, deren Titelrolle er über 180 Mal spielte. Anschließend folgte ein Engagement in Berlin am Theater Max Rheinhards, wo er neben Gründgens spielte.

Filmplakat zum Film
"Der Kleinstadtpoet"
1930 gelangte Kemp zum Film und gewann mit seinem leicht verschmitzten Humor schnell die Herzen des Publikums. Schon bald gehörte „Paulchen Kemp“, wie er nun liebevoll genannt wurde, zu den beliebtesten deutschen Filmkomikern. Gemeinsam mit den berühmtesten Schauspielern seiner Zeit, wie Heinz Rühmann, Willy Fritsch oder Peter Lorre, spielte er in vielen bekannten Filmen, darunter 1931 in Wilhelm Pabsts „Die Drei-Groschen-Oper“ (1931), im selben Jahr in Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ und 1936 an der Seite von Lilian Harvey in „Glückskinder“. 1940 spielte er die Titelrolle im Film „Der Kleinstadtpoet“.

Filmplakat zum Film "Kornblumenblau",
Kemp 3. v. links
Während der NS-Zeit gehörte er zu Hitlers Lieblingsschauspielern und kam – obgleich selbst kein Anhänger des Nationalsozialismus – auf die „Gottbegnadeten-Liste“. Nach dem Krieg spielte er vorwiegend Tourneetheater und war nur noch in wenigen Filmen präsent. Seine beiden letzten Rollen spielte er 1953 in Axel von Ambessers Film „Glück muss man haben“ und an der Seite von Karlheinz Böhm und Gert Fröbe in „Salto Mortale“.

"Dir zuliebe", 1944, mit Winnie Markus
und Hans Holt

Paul Kemp

Am 13.8.1953 starb er in der Bonner Universitätskliniken an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs. Sein Grab befindet sich auf dem Burgfriedhof in Bad-Godesberg. 1978 wurde die Straße, in der sein Geburtshaus stand, in Paul-Kemp-Straße umbenannt.
Durch seine betont rheinische Art, die er in über 100 Filmen zeigte, war Paulchen Kemp zu einem echten Volksschauspieler geworden.

Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011. 

Der Alte Friedhof

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Alter Friedhof
Foto: Hans Weingartz
Waren im Mittelalter Begräbnisstätten noch ein Mittelpunkt des öffentlichen Lebens (der Friedhof der alten St. Remigiuskirche lag beispielsweise am heutigen Remigiusplatz), so führte die zunehmende Angst vor einer gesundheitlichen Gefährdung durch die Toten, oft ausgelöst durch Verseuchungen des Brunnenwassers, im 18. Jahrhundert zu Neuanlagen von Friedhöfen außerhalb der Stadtmauern. Eine dieser Anlagen ist der sogenannte Alte Friedhof – heute im Zentrum der Stadt, damals weit vor dem Sterntor gelegen – dessen älteste Grabstätten auf das Jahr 1715 zurück gehen. In den überlieferten Quellen wird er erstmalig in einer von Kurfürst Clemens August erlassenen Trauerordnung vom 25.3.1725 als ein von seinem Vorgänger Joseph Clemens eingerichteter Begräbnisort für „Soldaten, arme Leuth (und) Fremde“ erwähnt. Durch Erlass vom 5.4.1787 wurde er nach der endgültigen Schließung der innerstädtischen Pfarrkirchhöfe zum allgemeinen Friedhof für alle Bürger. Aus dieser Zeit stammt auch die erste Einfriedung des Terrains mit einer Mauer.

Grab der Eheleute
Niebuhr
Grab August Mackes

Grab von Ch. Schiller
und ihrem Sohn Ernst


















Im 19. Jahrhundert musste das Areal mehrfach erweitert werden, bis es nach der letzten Erweiterung 1876 die heutige Größe von drei Hektar erreicht hatte. 1884, nach Eröffnung des Nordfriedhofs, wurde der Alte Friedhof offiziell geschlossen und steht seitdem nur noch in Einzelfällen für Begräbnisse zur Verfügung. In seiner fast 300jährigen Entwicklung wandelte der Ort sich vom Soldatenfriedhof zu einem der kulturhistorisch bedeutendsten Friedhöfe Europas. Neben den Grabstätten von Barthold Niebuhr und seiner Frau, August von Schlegel, Friedrich Dahlmann, Ernst Moritz Arndt, August Macke, Charlotte und Ernst von Schiller sowie Maria Magdalena van Beethoven, der Mutter des Komponisten, ist die herausragendste Grabstätte die des Komponisten-Ehepaars Clara und Robert Schumann. In der Sepulkralplastik, vertreten durch so maßgebliche Bildhauer wie Bernhard Afinger, Adolf Donndorf, Robert Cauer, Hermann Heidel und Christian Daniel Rauch, wurden Grabmale von zum Teil enormen künstlerischen Wert geschaffen.

Grab Argelanders
von R. Cauer
Schumann-Grab
von A. Donndorf
Grabmal Plückers
von A. H. Küppers














Ein kunsthistorisches Kleinod bildet zudem die aus dem 13. Jahrhundert stammende St. Georgskapelle, die 1844 von ihrem Ursprungsort (als Teil der Kommende Ramersdorf) zum Alten Friedhof transloziert wurde. Von hohem gestalterischem Wert ist auch die auf Peter Joseph Lenné zurückgehende Parkanlage mit ihrem mehr als 150 Jahre alten Baumbestand.

Georgskapelle
Foto: Hans Weingartz

Der Alte Friedhof – bedeutende Grabmäler

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Christian Daniel Rauch
Foto um 1855
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand neben den öffentlichen Denkmälern in der Sepulkralkunst das Grabmal als kleines Denkmal des gehobenen Bürgertums, das dessen Ansprüchen und finanziellen Mitteln entsprach. Im Mittelpunkt der Grabplastik stand die individuelle Würdigung des Verstorbenen und seines Lebenswerks, in Ausdruck und Form ganz der klassisch-humanistischen Bildung entsprechend. So knüpfte das Grabmal, zunächst noch geprägt vom Klassizismus, bald an die hochgeschätzte Epoche der griechischen Antike an, ließ deren architektonische Formensprache wiedererstehen und zeigte die Dargestellten gerne in antikisierendem Gewand oder idealer Nacktheit. Ein Beispiel dafür ist der bedeutende Bildhauer Christian Daniel Rauch, dem in seinen frühen Grab- und Denkmälern auf besondere Weise die Verschmelzung von Idealität und Realität gelang, womit er den sogenannten „Berliner Denkmalstil“ begründete. In Bonn ist er mit mehreren Werken vertreten, z. B. mit der Lenné-Büste am Alten Zoll, einer Porträtbüste von Friedrich Wilhelm III. in der Universität sowie auf dem Alten Friedhof mit den Grabmälern von der Familie Frank, von Sulpiz Boissereé und von dem Ehepaar Niebuhr, dessen Grabanlage ich hier ausführlich besprechen werde.

Barthold G. Niebuhr
Barthold Georg Niebuhr (1776–1831), gebürtiger Däne, war ein bedeutender Historiker und Hofhistoriograph der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1816–1823 Gesandter Preußens im Vatikan, lehrte er seit 1825 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, wo er die philologisch-kritische Methode in der Geschichtswissenschaft begründete. Er gilt als der wohl bedeutendste Gelehrte in der Geschichte der Bonner Universität. Nur neun Tage nach seinem Tod starb auch seine Frau Margarete, die bei ihm bestattet wurde.

Zunächst wurde den Eheleuten auf dem Alten Friedhof ein einfaches Grabmal vom Bonner Baumeister Ludwig Lunde errichtet, doch folgte man schon bald der Idee des schwärmerischen Kronprinzen Friedrich Wilhelms IV., ehemals Schüler Niebuhrs an der Bonner Universität, zu einer repräsentativen Neugestaltung des Grabs durch den Berliner Baumeister Carl Friedrich Schinkel. Da Niebuhr zu Lebzeiten in der Bibliothek des Domkapitels von Verona als Sensationsfund die „Institutionen des Gajus“ entdeckt hatte, stellte Schinkel in seiner Grundidee den Bezug zu Verona her, indem er auf den sogenannten veroneser Wandgrab-Typus des Trecento zurückgriff (Wandgräber sind typisch für Italien, in Deutschland waren sie aber eher unbekannt. Die Wandgräber von Verona zeichneten sich im „Trecento“, dem 14. Jahrhundert, vor allem durch eine über die Wandfläche herausragende Ädikula – einer Art kleinem Tempelchen – mit einem von Säulen getragenen Dreiecksgiebel aus).

Grabmal der Eheleute Niebuhr
Daran angelehnt schuf Schinkel nun ein antikisierendes, in drei Felder gegliedertes Wandgrab, wobei der mittlere Teil aus einer in der Höhe herausragenden Ädikula besteht, deren mit einem einfachen Dreiecksgiebel abgeschlossenen Rundbogen von zwei auf Engelskonsolen ruhenden Pilastern und Säulen mit korinthischen Kapitellen getragen wird. Die Decke des Tonnengewölbes ist mit Kassetten versehen. Auf der Plinthe (Grundplatte) der Ädikula ruht ein mit einem Bildnisrelief des Ehepaars Niebuhr versehener antikisierender Scheinsarkophag unter einem marmornen Christusmedaillon, das mit einer kreisförmigen Umschrift aus dem Johannesevangelium versehen ist. Über dem Rundbogen befindet sich halbkreisförmig der Bibelvers „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“, auf dem Scheitel bekrönt von dem Christusmonogramm mit den griechischen Buchstaben Α und Ω.


Eheleute Niebuhr, Bildnisrelief von
Christian Daniel Rauch
Christusmedaillon





Das halbfigurige Marmorrelief des Ehepaars Niebuhr – übrigens das früheste neuzeitliche Grabmal, auf dem ein Ehepaar thematisiert wurde – schuf der schon oben genannte Schadow-Schüler Christian Daniel Rauch. Zwar hatte er bereits 1838 mit dem Doppelbildnis begonnen, doch zogen sich die Arbeiten noch bis 1841 hin. Das Bildnisrelief gibt sich zwar durchaus „antik“, doch im Gegensatz zur echten Antike ist es, typisch für die sensible Romantik des 19. Jahrhunderts, im Ausdruck wesentlich tiefer empfunden. In griechische Gewänder gehüllt reicht sich das Ehepaar, sich zärtlich den Blick zuwendend, zum letzten Abschied still die Hände. Die Gesichtszüge gestaltete Rauch nach Schattenrissen, Ölbildern und Niebuhrs Totenmaske zwar realistisch aber nicht frei von Idealisierung.

Grabmal Niebuhrs, Aquarell von Christian Hohe, 1842

Diese ganz herausragende spätklassizistische Grabanlage, antike und christliche Stilformen vereinend und unter dem Zeichen des Erlösers stehend, umgeben von einem wunderbaren auf eine Zeichnung Schinkels zurückgehenden Eisengitter, gilt als das bedeutendste Kunstwerk des Alten Friedhofs. Kongenial vereinen sich hier die Architekturformen Schinkels mit der Bildhauerkunst Rauchs zu einem Werk von ausgemacht edler Schönheit.

Nachzulesen ist dieser Artikel ausführlicher in: Josef Niesen, Bonner Denkmäler und ihre Erbauer, Königswinter 2013. Dort finden Sie auch genaue Erläuterungen zu allen kunsthistorischen Begriffen sowie einen genauen Überblick über die Bonner Denkmäler.

24.9.1914: 100. Todestag des ehemaligen Godesberger Bürgermeisters Anton Dengler

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Anton Dengler
Anton Dengler wurde am 17.1.1852 in Osterhofen geboren und schlug zunächst die Offizierslaufbahn ein, die ihm den Roten Adlerordens IV. Klasse einbrachte. Nach seiner Entlassung wählte er die Verwaltungslaufbahn, die er in den 1870er Jahren als Volontär in der Gemeinde Poppelsdorf begann. 1880 übernahm Dengler das Amt des Bürgermeisters von Bornheim, bevor er am 26.9.1888 durch Erlass des Oberpräsidenten der Rheinprovinz zum Bürgermeister der Landbürgermeisterei Godesberg ernannt und kurz darauf zugleich zum Standesbeamten bestellt wurde. Denglers oberstes Anliegen war eine stärkere Zusammenfassung der noch recht zusammenhanglosen Einzelgemeinden. So konnte beispielsweise 1899 durch die Eingemeindung von Rüngsdorf und Plittersdorf der unmittelbare Zugang zum Rhein geschaffen werden, was für Godesberg eine wichtige verkehrstechnische Errungenschaft bedeutete und entschieden mehr Gäste in den Ort brachte. Mit dem Bau der neuen Landungsbrücke konnten erstmals Dampfer anlegen und Dengler ließ bis 1910 eine zweieinhalb Kilometer lange Rheinpromenade anlegen. Auch den Kurpark ließ er nach dem Erwerb privater Gärten anlegen. Sein eigenes, elegantes Wohnhaus lag ebenfalls an der Südseite des Parks (Eckhaus Koblenzer Str./Friedrich Ebert-Straße). In diese Zeit fiel auch der Bau des Jugendstil-Bahnhofs und die Verbindung Godesbergs mit Bonn durch die Dampfstraßenbahn (1891), die 1911 durch eine elektrische Bahn ersetzt wurde.

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Bahnhofsgebäude
Foto: Wiki-User CC BY-SA 3.0
Elektrische Straßenbahn, Godesberg

Ebenso trieb Dengler die Eingemeindungen Friesdorfs (1904) und Muffendorfs (1915) voran, was wiederum zum Ausbau des Straßennetzes und der Schaffung einer Kanalisation führte. Unter Denglers Aegide – seit 1912 war er auch Hafenkommissar für das Landungsgebiet der Gemeinde Godesberg – wurde zudem die Freiwillige Feuerwehr gegründet, ein gemeindeeigenes Elektrizitätswerk, das Wasserwerk sowie die Müllabfuhr geschaffen, eine Badeanstalt am Rhein eröffnet und der Schlachthof in Betrieb genommen. Für die Entwicklung Godesbergs war Denglers Arbeit von unschätzbarem Wert. In den 27 Jahren seiner Amtszeit wuchs die Bevölkerungszahl von 9.000 auf über 23.000 Einwohner an. Nahezu alle heute noch vorhandenen Versorgungseinrichtungen gehen auf Bürgermeister Dengler zurück, der das Amt bis zu seinem Tod inne hatte.

Ehrengrab Denglers
Am 24.9.1914 starb er, erst 62-jährig, nach langer Krankheit in Godesberg, nachdem er kurz zuvor seinen einzigen Sohn in den ersten Tagen des Ersten Weltkriegs verloren hatte. Noch ein Jahr zuvor hatten ihn die Godesberger Bürgerinnen und Bürger zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum mit einem Fackelzug und einem großem Fest geehrt. Bereits 1899 war – sehr ungewöhnlich zu Lebzeiten – eine Straße und ein Platz nach ihm benannt worden. Nun, nach seinem Tod, erhielt er ein Ehrengrab auf dem Burgfriedhof.

Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011.

26.9.1914: 100. Todestag von August Macke, dem bedeutenden Bonner Maler und begründer des Rheinischen Expressionismus'

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August Macke
Selbstporträt, 1909
August Macke, am 3.1.1887 in Meschede als drittes Kind eines Bauunternehmers geboren, wuchs die ersten Lebensjahre in Köln auf, bis die Familie im Jahr 1900 nach Bonn umsiedelte. Hier besuchte er das Realgymnasium, dass er 1904 gegen den Willen seines Vaters verließ, um auf Empfehlung des bereits damals überregional bekannten Kunsthistorikers Paul Clemen ein Kunststudium an der Düsseldorfer Kunstakademie zu beginnen. Der konservativen Lehrmethoden bald überdrüssig, besuchte er daneben Abendkurse bei Prof. Fritz Helmuth Ehmcke an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule, wo im Gegensatz zum akademistischen Zeichnen die Bewegungsstudie zentrales künstlerisches Thema war. Durch seinen engen Bonner Freund Wilhelm Schmidtbonn, zu dieser Zeit Dramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus, wurde Mackes Interesse für die Bühne geweckt, und er begann, Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen.

Mackes Wohnhaus mit Atelier
in der Bornheimer Straße
Foto: Wiki-User Tohma
Anlässlich seiner Parisreise im Jahre 1907 setzte Macke sich mit dem Impressionismus auseinander und nahm kurzzeitig in Berlin Unterricht bei Lovis Corinth, kehrte jedoch 1908 nach Bonn zurück, wo er nach seinem einjährigen Militärdienst Elisabeth Gerhard heiratete, die Tochter eines Bonner Fabrikanten (das Unternehmen besteht noch heute in der 5. Generation), deren Familie ihm weitere Reisen nach Italien und Paris sowie einen längeren Aufenthalt mit seiner Frau am Tegernsee ermöglichte. Die Bilder aus der Zeit spiegeln den direkten Eindruck der Fauves mit ihren klaren und großflächig nebeneinander gesetzten Formen wieder. 1910 erfolgte ein Atelierbesuch bei Franz Marc, der ihre enge Freundschaft begründete. Seit November desselben Jahres wieder in Bonn ansässig, wurde Paul Adolf Seehaus sein einziger Schüler. Obwohl 1911 Mitbegründer der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, an deren erster Ausstellung er teilnahm, blieb Macke ihr künstlerisch dennoch auf Distanz. 1912 nahm er an der Sonderbund-Ausstellung in Köln teil und stellte in der Galerie Thanhausser in München aus.



Elisabeth Macke, 1909
Hutladen, 1914
(es handelt sich um Hut-Weber
an der Ecke Marktplatz)

Einer Begegnung mit Delaunay, dessen kubistische Malweise von nun an bestimmend in Mackes Werk wurde, folgte ein künstlerisch schaffensreiches Jahr und 1913 die Organisation der legendären ersten „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ in der Bonner Kunsthandlung Cohen, womit Macke die Zusammenführung der fortschrittlichsten, für den Aufbruch in die Moderne stehenden, jungen Künstlerinnen und Künstler des Rheinlands gelang. Auf seiner gemeinsamen Tunisreise mit Paul Klee und Louis Moilliet entstanden 1914 eine Reihe Aquarelle, die heute zu den bedeutendsten Zeugnissen der Klassischen Moderne zählen. Im August 1914 wurde Macke zum Kriegsdienst eingezogen und fiel bereits nach wenigen Wochen, am 26.9.1914, bei einem schweren Gefecht bei Perthes-lès-Hurlus in der Champagne, wo er auf dem Soldatenfriedhof von Souain begraben wurde.

1999 wurden ihm und seiner verstorbenen Frau auf dem Alten Friedhof in Bonn ein Gedenkstein nach den Entwürfen seines Enkels Til Macke errichtet (entgegen einer häufig kolportierten Behauptung handelt es sich dabei aber nicht um ein Ehrengrab der Stadt Bonn). Die Stadt Bonn ehrte ihn durch die Benennung des August-Macke-Platzes und der Mackestraße, beide in der Nordstadt.

Promenade, 1913
Marienkirche, 1913

August Macke gehört zu den herausragenden Künstlern der Klassischen Moderne und gilt als die zentrale Künstlerpersönlichkeit im Rheinland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seine bedeutende künstlerische Leistung bestand in der besonderen Behandlung der Farbe und der Herausstellung ihrer Leuchtkraft als Mittel der Komposition. Trotz seines frühen Tods und daher bedingten kurzen Schaffensphase schuf er ein umfangreiches Werk von etwa 11.000 Werken, darunter mehr als 500 Gemälde und ebensoviele Aquarelle. In seinem Nachruf schrieb Franz Marc, der nur zwei Jahre später ebenfalls fallen sollte: „Er hat vor uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben, so klar und hell wie sein ganzes Wesen war“.

Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011.

Bonns Brücken

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Die erste Brücke auf heutigem Stadtgebiet soll Gaius Julius Caesar bei seinem Gallien-Feldzug 55 v. Chr. über den Rhein geschlagen haben, was archäologisch jedoch höchst umstritten ist. Spätestens seit dem Mittelalter verkehrte regelmäßig eine Fähre über den Rhein, wie man auf der ältesten Urkunde zur Fährgerechtigkeit von 1325 ersehen kann.

Fliegende Brücke auf der Beueler Seite,
Stahlsich von W. Tombleson, um 1840,
eigene Sammlung
Im Zuge der ersten Belagerung Bonns ließ Marchese de Grana im November 1673 eine feste Brücke über den Rhein schlagen, auf der die kaiserlichen Truppen in ihre Winterquartiere ins Bergische ziehen konnten. Nach Beendigung der Belagerung waren es ebenfalls kaiserliche Ingenieure, die für die Einrichtung einer sogenannten „fliegende Brücke“ mittels eines im Fluss befestigten Kahns sorgten. Diese Gierseilfähre (in alten Aufzeichnungen „Gierponte“ genannt) hing an einem langen Drahtseil, dass sich kurz vor dem Kahn in zwei Teile aufspaltete, wobei ein Seilende am Bug und eines am Heck befestigt war. Durch Veränderung der Seilstellung veränderte sich auch die Lage des Boots zum Strom, wodurch die Fähre durch den Druck des anströmenden Wassers an das entsprechende Ufer gedrückt wurde. Diese Schiffsbrücke bestand bis ans Ende des 19. Jahrhunderts.

Im Spanischen Erbfolgekrieg wurde 1702die Schiffsbrücke durch ein herabtreibendes Floß zerstört, so dass zu militärischen Zwecken zwischenzeitlich eine aus Booten bestehende Pontonbrücke von der Beueler Schanze bis ans gegenüberliegende Rheinufer errichtet wurde. Gut sichtbar ist sie auf einem zeitgenössischen Kupferstich und dem Belagerungsplan von Pieter Schenck.



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Kupferstich, 1703,
eigene Sammlung,
in der Bildmitte schräg nach links
gehend ist die Pontonbrücke erkennbar

Belagerungsplan 1703, eig. Sammlung,
mittig über den Rhein ist die Brücke eingezeichnet

 
Die erste feste Brücke über den Rhein wurde nach zweieinhalbjähriger Bauzeit am 17.12.1898 eingeweiht und befand sich an der Stelle der heutigen Kennedybrücke. Mit einer Spannweite von 187,92 m für den Hauptbogen und einer Gesamtlänge von 432 m war sie zur damaligen Zeit die größte Bogenbrücke der Welt. Ausgeführt durch die Firma Gutehoffnungshütte Oberhausen und geplant von einem der bedeutendsten Jugendstil-Architekten Deutschlands, Bruno Möhring, versah sie der Bildhauer Gotthold Riegelmann mit reichhaltigem plastischen Schmuck, was sie zu einer der schönsten deutschen Rheinbrücken werden ließ. Interessant ist ein zweiter Brückenentwurf eines Prof. Krohn, der jedoch nicht zur Ausführung kam.

Rheinbrücke, Radierung von Behrens, um 1900, eigene Sammlung
Entwurf zu einer Rheinbrücke von Prof. Krohn, Holzstich, 1895, eigene Sammlung

Nach ihrer kriegsbedingten Sprengung am 8.3.1945 wurde die alte Rheinbrücke 1948/49 durch die heute bestehende Kennedybrücke ersetzt. Sie wurde auf den Pfeilern der alten Brücke durch den Stahlbau Rheinhausen und das Tiefbauunternehmen Grün & Bilfinger errichtet. Wegen des Nachkriegsmangels gestaltete sich die Beschaffung des notwendigen Stahls außerordentlich schwierig. Damals war die ursprünglich 18 m breite Brücke die weitgespannteste Trägerbrücke über den Rhein. Bei der umfangreichen Sanierung 2007–2011 wurde die Brücke auf 26,8 m verbreitert. Zudem wurde sie – als erste Brücke Europas – über die gesamte Breite mit einer Solaranlage ausgestattet.

Kennedybrücke,
AK, 1950er Jahre, eig. Sammlung

Kennedybrücke im Bau

Der zunehmende Verkehr machte bereits in den 1960er Jahren den Bau zweier weiterer Rheinbrücken notwendig. 1964–1967 wurde die Friedrich-Ebert-Brücke als erste deutsche Schrägseilbrücke mit Vierseilsystem errichtet. Die Länge der gesamten Brückenanlage inklusive der beiden Vorlandbrücken beträgt ca. 1290 m, die der Hauptbrücke 520,20 m.

Friedrich-Ebert-Brücke, AK, 1970er Jahre
1967–1972 folgte im Süden Bonns der Bau derKonrad-Adenauer-Brücke. Zunächst war geplant sie analog zur Friedrich-Ebert-Brücke (=erster Präsident des Deutschen Reichs) nach dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Theodor-Heuss-Brücke zu nennen. Da aber kurz nach Baubeginn der ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer gestorben war, entschloss man sich, die neue „Südbrücke“ nach ihm zu benennen.

Neben dem Rhein machte vor allem die die Stadt durchschneidende Eisenbahnstrecke Köln–Bonn–Koblenz den Bau von Brücken notwendig. Als Erste dieser Art wurde am 15.4.1905 die Viktoriabrücke dem Verkehr übergeben, 1936 folgte die Reuterbrücke. Beide Brücken wurden im Krieg zerstört und anschließend durch Neubauten ersetzt.

Insgesamt betreibt die Stadt Bonn heute nach amtlicher Zählung 159 Brücken, darunter 60 Fußgängerbrücken. Dazu kommen noch die Autobahnbrücken des Landesbetriebes und die Bahnbrücken der Stadtwerke Bonn und der Deutschen Bahn.

Pützchens Markt

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Gestern wurde in Beuel der 647. Pützchens Markt durch den Fassanstich des Oberbürgermeisters offiziell eröffnet. Der Ursprung des Volksfestes liegt jedoch schon mehr als 1000 Jahre zurück.

Heilige Adelheid von Vilich
auf einem Pilgerblatt von 1718

Als das Grafenpaar Gerberga und Megingoz von Geldern im Jahre 976 für ihren im Bömenkrieg gefallenen Sohn in Vilich ein Stift gründeten, setzten sie ihre Tochter Adelheidis (die heutige Stadtpatronin Hl. Adelheid von Vilich) als Leiterin ein. Adelheidis zeichnete sich durch besondere Religiosität aus und wandelte das Stift in ein Kloster um, dessen erste Äbtissin sie wurde. Während der Hungerjahren im Rheinland um das Jahr 1.000 erlangte Adelheidis als Helferin der Armen hohes Ansehen. Der Überlieferung nach habe sie kniend um Regen gebetet und sich dabei auf ihren im Boden steckenden Äbtissinnen-Stab gestützt. Daraufhin sei eine Quelle hervorgesprudelt.

Überprüfen lässt sich diese Legende freilich nicht, doch gibt es in der Tat noch heute einen Brunnen mit Heilwasser. Auch die Flurbezeichnung „Pützchen“ spricht für ein hohes Alter, denn sie geht auf das lateinische Wort „Puteus“ (=Brunnen, Quelle) zurück, das in seiner rheinischen Form zu „Pütz“ (=Pfütze) wurde und im Diminutiv eben zu Pützchen.

Tatsächlich setzte wegen der wundersamen Quelle bald ein Pilgerstrom Heilung suchender Kranker ein, zu deren Betreuung zunächst eine kleine, von einem Eremiten betreute Kapelle und – wegen des immer größer werdenden Pilgerstroms – später ein Kloster mit Kirche entstanden.Ebenso etablierte sich ein jährlicher Markt, der 1367 erstmals urkundlich als „Pützchens Markt“ erwähnt wurde und immer in der zweiten Septemberwoche abgehalten wurde. Dieser Markt hatte bald den Charakter einer Warenmesse und bestand zunächst im Wesentlichen aus einem Kleidungsmarkt, dem sogenannten „Pluutemaat“, der heute jedoch nur noch rudimentär vorhanden ist, da die Fahrgeschäfte bei weitem überwiegen.


Adelheidis-Brunnen
von 1684
Der ursprünglich vorhandene Brunnen wurde 1684 durch die noch bestehende Brunnenanlage mit dem Steinkreuz ersetzt, 1864 wurde die Brunnenfassung neu gestaltet (siehe Artikel zum Adelheidisbrunnen). Da dem Brunnenwasser besondere Heilkräfte bei Augenerkrankungen zugeschrieben werden, waschen sich auch heute noch viele Besucher mit dem stark alaunhaltigen und dadurch desinfizierenden Wasser die Augen aus.

Bereits der mittelalterliche Markt zog viele Gläubige, Pilger, Händler und Kauflustige an, aber auch Gaukler, Schausteller und Schankwirte aus ganz Deutschland. Bereits damals kam auch viel „fahrendes Volk“ aus den östlichen Gebieten, darunter viele Roma, um auf Pützchen ihre Darbietungen zu zeigen. Noch bis in die 1980er Jahre bildete der traditionelle „Zigeunerball“ den Abschluss der rheinischen Großkirmes.
Bis heute ist Pützchen ein Anziehungsort für etwa 200 Roma aus ganz Europa, die sich einmal jährlich dort treffen.

Grab von Ferko Czori
Viele von ihnen wählten den nahegelegenen Friedhof am Platanenweg zu ihrer letzten Ruhestätte, wo sich im Laufe der Zeit eine eigene Friedhofskultur entwickelte. Zu den außergewöhnlichsten Grabstätten gehört die des berühmten „Zigeunerkönigs“ Ferko Czori.

Pützchens Markt entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte von einem Warenmarkt zu einem großen Volksfest, auf dem schon in der Barockzeit Kuriositäten wie die „dickste Frau der Welt“ gezeigt wurden. Ab 1776 verband sich der „Krammarkt“ mit einem großen Viehmarkt, 1840 wurden erstmals in der Marktordnung Karussels erwähnt. Bis 1830 fand der Markt immer am Tag Mariä Geburt (8. September) statt, danach wurde er auf den zweiten Septembersonntag gelegt. In den Jahren 1821 bis 1850 wurden jeweils zwischen 509 und 1101 Buden gezählt, die durchschnittliche Anzahl lag meist zwischen 700 und 900. Bis zu 112 Wirte boten Speisen und Getränke an, und schon seinerzeit strömten mehr als 50.000 Besucher dorthin; immerhin das Vierfache der damaligen Bonner Einwohnerzahl. Das zum Herzogtum Berg gehörende Beuel zählte keine 3000 Einwohner.

Pützchens Markt
Bildnachweis: Wiki user "Der Sascha"

Aber damals wie heute war jedes Volksfest auch Anziehungsort für Gauner, Diebe und Betrüger. So war Pützchens Markt bekanntermaßen ein beliebter Treffpunkt der Räuberbanden, die von dort in ganz Deutschland einfielen. Der seinerzeit bekannteste und gefürchtetste Räuberhauptmann Deutschlands, Johannes Bückler („Schinderhannes“ genannt) räumte um 1800 in Beuel ein ganzes Warenlager aus. 1802 wurde er auf Pützchens Markt aufgegriffen und nach Bonn ins Gefängnis überstellt. Die Nachricht von seiner Verhaftung verbreitete sich auf dem Markt wie ein Lauffeuer und schon in der darauffolgenden Nacht wurde der Räuber durch Komplizen befreit und konnte fliehen. Nur ein Jahr später landete er in Mainz auf dem Schafott und wurde öffentlich guillotiniert.


Der "Schinderhannes"
Der "Fetzer"


Mathias Weber, ein anderer berüchtigter Räuber und Mörder, der wegen seines wütendes Dreinschlagens und zerfetzens bei Handgemengen den Spitznamen „Fetzer“ trug, stahl in Pützchen einer Bäuerin in der Wallfahrtskirche einen großen Korb. Doch beim Verlassen der Kirche schrie plötzlich ein Baby daraus, so dass Weber den Korb erschrocken auf den Kirchenstufen stehen ließ und in der Volksmenge untertauchte. Im Jahre 1800 brach er ins Beueler Warenlager Beckers ein. Als er 1803 in Köln verhaftet wurde, gestand er 181 Einbrüche und die Ermordung seiner Ehefrau. Über Pützchen berichtete er, dass es allen Räubern besonders vertraut sei, und dass zwei Häuser mitten im Ort geheime Verstecke enthielten. Auch Mathias Weber starb 1803 auf dem Schafott durch die Guillotine. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung in Köln.

1892 musste Pützchens Markt wegen einer grassierenden Cholera-Epedemie ausfallen. Den nächsten Ausfall gab es 1939 wegen des kurz zuvor ausgebrochenen Kriegs, obwohl bereits alle Aufbauten beendet waren. Bis 1944 fand kein Jahrmarkt mehr statt, doch bereits 1945 führte man einen (wenn auch bescheidenen) Nachkriegsmarkt durch. Am 11.9.2001 fielen die Anschläge auf das World Trade Center in New York genau auf Pützchens Markt, der unmittelbar darauf abgebrochen wurde.

Hannelore Kohl mit dem damaligen OB Hans Daniels
bei einem Besuch auf Pützchens Markt

Heute hat sich Pützchens Markt mit rund 500 Fahrgeschäfte und andere Angebote auf ca. 80.000 Quadratmetern Veranstaltungsfläche zu einer modernen Kirmes entwickelt. Sie gilt als größter Jahrmarkt im ganzen Rheinland mit Besucherrekorden von rund 1,1 Millionen Besuchern. Der ursprünglich vier Tage dauernde Markt wurde erst nach der Eingemeindung Beuels 1969 auf fünf Tage erweitert. Ein 2010 versuchsweise eingeführter sechster Kirmestag wurde 2012 wieder zurückgenommen.

Herausragende Grabmäler auf dem Alten Friedhof: das Plücker-Grabmal.

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Alten Friedhof
Julius Plücker auf einem
zeitgenössischen Foto
Der bedeutende Physiker Julius Plücker, geboren am 16.7.1801 in Elberfeld, gestorben am 22.5.1868 in Bonn, lehrte nach seiner Habilitation 1828–1832 und 1835–1868 als ordentlicher Professor für Mathematik und Physik an der Bonner Universität, wo er gemeinsam mit Heinrich Geißler die Voraussetzung zur modernen Vakuumtechnik schuf. Plückers Entdeckung der Kathodenstrahlen und seine Grundlagenforschungen wurden später für die Atomforschung relevant. Auch als Mathematiker leistete er Bedeutendes und schuf mit seinen „Plückerschen Formeln“ die Grundlage zur Theorie der algebraischen Kurven. 1866 wurde er mit der höchsten Auszeichnung für Wissenschaftler bedacht, der Copley Medal der Royel Society in London. Bis zu seinem Tod lehrte Plücker an der Bonner Universität, wo er Leiter der physikalischen Sammlung war.
Kurz nach seinem Tod wurde ihm auf dem Alten Friedhof von dem Bonner Bildhauer Albert Hermann Küppers ein Grabmal in Form eines marmornen Büstendenkmals gesetzt:

Grabmal Plückers,
Foto: Josef Niesen
Über einer gestuften Bodenplatte erhebt sich eine tempelartige Ädikula im Gewand der griechischen Antike ionischer Ordnung mit je zwei Pilastern und Säulen, die einen in drei Fascien gegliederten Architrav tragen. Der darüber liegenden Fries besagt: GrabstÆtte der Familie Plücker. Bekrönt wird der Aufbau durch einen mit Zahnschnitt versehenen Dreiecksgiebel, dessen Tympanon mit Rankenwerk verziert ist. Die abschließende Wand der Ädikula besteht aus einer Blendarkade in dessen Bogenfeld zwei Bibelverse, die Namen des Verstorbenen und seine Lebensdaten eingemeißelt stehen. Innerhalb der repräsentativen, nach drei Seiten offenen Anlage steht die nahezu lebensgroße Büste Plückers auf einem niedrigen, als Grabaltar bezeichneten, säulenförmigen Sockel. Das Bildnis zeigt den Gelehrten nach antikem Vorbild in idealer Nacktheit, wobei seine charakteristischen Gesichtszüge in verhaltenem Realismus wiedergegeben sind.

Büste Plückers,
Foto: Josef Niesen
Mit dieser sehr gelungenen Marmorbüste eröffnete der noch junge Bildhauer Küppers den Reigen zahlreicher Gelehrtenporträts, die er für den Alten Friedhof schuf. Hier findet sich schon seine ausgeprägte Porträtbegabung, die in seinen späteren Arbeiten zur künstlerischen Vollendung gelangte. Die vollkommene harmonische Einheit von Büste und umgebender Architektur lässt vermuten, dass der Entwurf der Ädikula, ausgeführt durch die Kölner Firma Heukeshoven & Worringen, entweder auf Küppers selbst zurückgeht, oder doch zumindest in enger Zusammenarbeit mit ihm geschaffen wurde. Der exponierte Standort im Zentrum des ab 1865 angelegten Rondells der Abteilung III b des Alten Friedhofs unterstreicht noch zusätzlich die herausragende Bedeutung des Verstorbenen.


(Quelle: Josef Niesen, Bonner Denkmäler und ihre Erbauer, Königswinter 2013)



Albert Küpper,
Gemälde von Rudof Schick
Zum Bildhauer:
Albert Hermann Küppers, geboren am 22.2.1842 in Coesfeld, erlernte in Roermond die Bildschnitzerei, bevor er zunächst auf der Münchner und später auf der Berliner Akademie bei H. Hagen und A. Wolff Bildhauerei studierte.
1868 ließ Küppers sich in Bonn nieder und erhielt kurz darauf für seine Komposition „Auferweckung des Lazarus“ den Großen Staatspreis. Seit 1877 Professor an der Bonner Universität, unterrichtete er Zeichnen und Modellieren. Sein Atelier lag hinter dem Wächterhaus am Poppelsdorfer Schloss, wo im selben Jahr sein Hauptwerk, das Denkmal für die Gefallenen von 1870/71 entstand, das seinen Platz auf dem Alten Friedhof fand. Weitere bedeutende Werke von Küppers sind die Grabmäler von Johann Jacob Noeggerath, Karl Simrock, und Carl Roettgen (alle Alter Friedhof) sowie eine berühmte Beethoven-Büste, die heute im Beethoven Haus zu besichtigen ist. Am 11.10.1929 verstarb Küppers Bonn.

(Quelle: Josef Niesen, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011)

Bonn und seine Heiligen: Cassius, Florentius und Mallusius

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Jedes Jahr am 10. Oktober feiert Bonn das Fest seiner Stadtpatrone Cassius und Florentius. Doch gibt es außer den beiden Genannten noch mehr Heilige, die in enger Beziehung zur Stadt stehen: die heilige Adelheid von Vilich, Mallusius, die heilige Helena und nicht zuletzt – auf dem Weg zur Heiligkeit – der selige Heinrich von Bonn. Gerade der Letzte ist jedoch Vielen unbekannt. Aus diesem Grund möchte ich in einer kleinen Reihe die Bonner Heiligen vorstellen. Zunächst einmal Cassius, Florentius und Mallusius.

Cassius und Florentius,
Fenster von Weigmann,
Münsterkirche
Cassius, Florentius und Mallusius gelten als Märtyrer der katholischen Kirche. Der Legende nach waren sie Ende des 3. Jahrhunderts Heerführer der aus Christen bestehenden Thebäischen Legion, die von Kaiser Maximianus zur Bekämpfung eines Aufstands an den Niederrhein entsandt worden war. Nachdem sich ein beim Kaiser verbliebener Teil der Einheit unter ihrem Anführer Mauritius geweigert hatte, ihrem Kaiser göttliche Ehren zu erweisen, ließ Maximianus sie in rasender Wut hinrichten und die am Rhein befindlichen übrigen Thebäer verfolgen. In Xanten ließ er Victor und seine Gefährten ermorden, in Köln Gereon und seine 318 Soldaten und in Bonn Cassius und Florentius mit sieben weiteren Offizieren, darunter Mallusius. Der Bonner Hinrichtungsort „in ungeweihter Erde“ soll am Fuß des Kreuzbergs gewesen sein, dort wo sich heute die Marterkapelle als Teil des Endenicher Benediktinerinnen-Klosters Maria-Hilf befindet. Auch der Straßenname „Mordkapellenpfad“ erinnert noch an die Stelle und das Ereignis. Kaiserin Helena soll später die Leichen der kurz zuvor Gemarterten dort gefunden und am Ort der heutigen Münsterkirche begraben haben.

Archäologisch nachweisbar sind unter der Krypta der Münsterkirche drei schräg zur Kirchenachse liegende spätrömische Sarkophage, zu denen eine cella memoriae aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts gehört, die nachweisbar auf einem spätrömischen Gräberfeld errichtet worden ist. Über dieser Kultstätte erhob sich spätestens Ende des 4. Jahrhunderts eine Saalkirche von 13,70 m Länge und 8,80 m Breite. Heute befinden sich genau dort die Krypta und der Langchor des Bonner Münsters. Die Gruft mit den drei Gräbern wird alljährlich am Festtag der Heiligen, am 10. Oktober, geöffnet.

Cassius auf dem Bonner
Stadtwappen aus dem 13. Jhd.

Nachguss des Wappens in Silber,
eigene Sammlung
Die erste schriftliche Erwähnung der Heiligen Cassius und Florentius findet sich im Martyrologium Hieronymianum aus dem frühen 7. Jahrhundert, ist jedoch noch ohne Bezugnahme auf Bonn. Dieser Bezug wird erst hergestellt in einer Urkunde von 691, in der die Münsterkirche erstmals als „basilica ss. Cassii et Florentii“ (Basilika der hll. Cassius und Florentius) in Erscheinung tritt. Die Zuordnung der Heiligen zur Thebäischen Legion scheint wohl nachträglich vorgenommen worden zu sein und ist erst um das Jahr 1000 nachweisbar.

Bei Mallusius bleibt seine Herkunft jedoch längere Zeit unklar. Zwar wird er mehrfach in Verbindung mit den Thebäern genannt, nicht aber im Zusammenhang mit der Münsterkirche. Im Bericht des Küsters Theoderich der Abtei Deutz erscheint er gemeinsam mit Florentius – Cassius wird nicht erwähnt – als Gefolgsmann des Kölner Märtyrers Gereon. Erst 1166 wird er ganz klar als dritter Märtyrer des Bonner St. Cassiusstifts genannt und zwar bei dem Ereignis der Erhebung der Märtyrergebeine durch den Bonner Propst der Münsterkirche, Gerhard von Are.

Gerhard von Are,
Zeichnung der heute
zerstörten Tumba,
Laporterie 1788
Natürlich wissen wir heute nichts über die Beweggründe, die dazu führten, dass Propst Gerhard im Jahre 1166 die Gräber öffnen ließ und die Märtyrergebeine erhob. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es seine Intention war, damit seine Stellung gegenüber den anderen Stiften weiter zu behaupten, denn im Mittelalter waren Anzahl und Herkunft der Reliquien nicht unerheblich für den Einfluss einer Kirche. Zudem waren zwei Jahre zuvor in Köln die Gebeine der Heiligen Drei Könige ausgestellt worden und auch Aachen hatte bereits 1165 die Erhebung der Gebeine Karls des Großen gefeiert. Sicherlich wollte Propst Gerhard dabei keinesfalls zurückstehen, da mit der Reliquienerhöhung auch eindeutig wirtschaftliche Interessen verbunden waren, wie die Verleihung von Jahrmärkten in Aachen und Bonn bezeugt. Auffallend ist jedoch, dass nun plötzlich in Bonn der Name eine dritten Heiligen, Mallusius, ins Spiel kommt, der zuvor nie in diesem Zusammenhang genannt worden war. Wie es zur Verehrung dieses Heiligen kam, bleibt ungewiss, doch war es vielleicht wichtig, nachdem die Kölner Hauptkirche nun drei Heilige vorweisen konnte, die Zahl der Heiligen des Bonner St. Cassiusstifts (Münsterkirche) aus Prestigegründen zu erhöhen. Dabei wollte man vielleicht auch den Abstand zu den Konkurrenzstiften St. Gereon in Köln und St. Viktor in Xanten, die jeweils nur einen Heiligen aus der Thebäischen Legion vorweisen konnten, uneinholbar vergrößern.
Vor allem kommt nun auch plötzlich noch die heilige Helena ins Spiel, von der nicht nur behauptet wurde, sie hätte die Gebeine der Heiligen gefunden und an den späteren Ort transloziert, sondern auch, sie wäre die Erbauerin der Münsterkirche gewesen. Dieser Gründungsmythos fällt genau in jene Zeit. Wahrscheinlich war es Gerhard selbst, der die Helena-Verehrung einführte und bereits schon um 1135 die Helena-Reliquien beschafft hatte. Ihre Reliquien wurden damals in einem sehr kostbaren Schrein aufbewahrt und verehrt, bis sie in den Wirren des Kölnischen Kriegs 1587 geraubt wurden.

Figur der hl. Helena,
Münsterkirche
Unbestritten ist jedenfalls, dass die Rückführung der Kirche auf Kaiserin Helena und die große Anzahl Heiliger das Ansehen des St. Cassiusstifts als ehrwürdige Kirche hob und damit natürlich auch das Ansehen seines Propstes. So erklärt sich auch, dass die Geschichte der Kirchengründung in Konkurrenz zu Bonn gleichfalls auf die Stiftskirchen St. Viktor in Xanten und St. Gereon in Köln übertragen wurde, die nun plötzlich auch von sich behaupteten, durch Helena gegründet worden zu sein.

Jedenfalls eröffnete Propst Gerhard am 2. Mai 1166 in Anwesenheit des Kölner Erzbischofs Reinalds von Dassel – dem berühmten Paladin Kaiser Barbarossas – und einer großen Menschenmenge die Gräber der heiligen Märtyrer in der Grabkammer der Münsterkirche. Um allen Zweifeln zu begegnen, ließ der Propst demonstrativ verkünden, man habe noch jetzt, 973 Jahre nach dem Martyrium, trockenes Blut in den Gräbern gefunden. Die Kölner Königschronik vermerkte dies mit den Worten: „Reinoldus archiepiscopus et Gerhardus praepositus Bunnensis beatissimos martyres Cassium, Florentium et Mallusium 6. Non. Maii cum inenarrabili cleri devotione et multitudine populi transtulerunt, invento sicco quidem, sed evidenti sanguine ipsorum, cum annis 973 passio ipsorum transacta fuerit“.

Für die Gebeine der drei Heiligen Cassius, Florentius und Mallusius hatte Gerhard vor der Erhebung kostbare goldene Schreine anfertigen lassen, in denen diese anschließend aufbewahrt wurden. Das Haupt des hl. Cassius barg man in einer Silberbüste, die später oft in Prozessionen mitgetragen wurde. Nach einer feierlichen Prozession über den Münsterplatz wurden die Schreine auf dem Hauptaltar der Kirche aufgestellt und den Gläubigen zur Verehrung dargeboten. Anlässlich dieses Festes gewährte Erzbischof Reinald dem St. Cassiusstift einen dreitägigen zoll- und abgabefreien Markt auf dem Münsterplatz. Der Markt wurde von nun an jährlich als großes Kirchenfest unter Beteiligung der Bürgerschaft mit einer großen, feierlichen Prozession und der Umtragung der Reliquien begangen, eine Tradition, die bis heute fortgeführt wird.

Eingang zur Gruft,
Münsterkirche
Gruft der Märtyrer,
Münsterkirche

























In einem Reisebericht vom April 1537 werden vier große Tumben von fast Menschenlänge beschrieben, von denen in der Kostbarsten die Gebeine der hl. Helena, in den andern die der hll. Cassius, Florentius und Mallusius aufbewahrt seien. Im Schatzverzeichnis der Münsterkirche, 1588 angefertigt von Gerhard Alectorius, werden die Reliquienschreine der Helena und des Cassius als ganz aus Silber und Gold bestehend und mit kostbaren Edelsteinen besetzt beschrieben. Hier wird auch eine ganz aus Silber und Gold gefertigte und mit Edelsteinen besetzte Büste des Cassius erwähnt, die das Haupt des Märtyrers barg. Datiert wurden die Schreine und die Büste in die Zeit der Erhebung, also 1166. Im Kölnischen Krieg besetzte Schenck von Nideggen 1587 mit seinen Söldnern die Stadt Bonn und raubte den Kirchenschatz mitsamt den kostbaren Schreinen. Er ließ sie einschmelzen und zu Münzen verarbeiten.

Am 6.10.1643 erhob Kurfürst-Erzbischof Ferdinand von Bayern die Märtyrer Cassius und Florentius zu Bonner Stadtpatronen. Wieso Mallusius unberücksichtigt blieb, kann heute nicht mehr erklärt werden. Seit 2008 ist die heilige Adelheid von Vilich die dritte Bonner Stadtpatronin.
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